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March 25, 2014

Franz Tumler: Schriftsteller zwischen Ideologie und Moderne

Christine Kofler
Wie geht man mit einem Schriftsteller um, der sich für den Nationalsozialismus engagierte und der sich auch nach dem Krieg niemals öffentlich vom NS-Regime distanzierte? Diese Frage stand bei der Franz-Tumler-Tagung am 22. März 2014 in Laas im Zentrum.

Franz Tumler wurde 1912 in Gries bei Bozen geboren. Ein Jahr später starb der Vater von Franz Tumler, die Mutter zog mit ihren zwei Kindern nach Linz. Südtirol blieb jedoch in Leben und Werk des Schriftstellers präsent – er verbrachte immer wieder längere Zeit bei seinen Verwandten in Bozen und in Laas. Mitte der 30er-Jahre wird Tumler, inzwischen auch NSDAP-Mitglied, zum Bestsellerautor, seine Bücher erreichen hunderttausende Leser. 1938 begrüßt er begeistert den Anschluss Österreichs ans Reich. Tumler beteiligt sich an “Ostmark”-Anthologien, in denen die Expansionspolitik des Deutschen Reiches legitimiert wird, er schreibt für die nationalkonservative Literaturzeitschrift “Das Innere Reich”, verfasst Beiträge zu Hitlers “Geburtstagsbuch” und eines seiner Bücher schafft es gar unter die “Zehn wertvollsten Bücher des deutschen Reiches”, die an Hitler übergeben wurden. 1941 meldet sich der Autor freiwillig zur Wehrmacht, um den Krieg als “redlicher Mann” zu überstehen. Da er auf der “Führerliste” der “gottbegnadeten Künstler” steht, war er eigentlich von der Wehrpflicht ausgenommen. Tumler war einer der Starautoren der “Ostmark”, er sympathisierte nicht nur mit dem NS-Regime, er unterstützte es. 

Tumler stand auf der “Führerliste der gottbegnadeten Künstler”

Nach dem Ende des Krieges lebte Tumler in Altmünster in Oberösterreich, später in Berlin. Er wurde Teil der Gruppe 47, sein Schreiben änderte sich radikal und das nach 1945 entstandene Hauptwerk Tumlers, das allerdings nicht mehr an die einstigen Verkaufserfolge anknüpfen konnte, zeichnete sich durch eine ernüchterte und sprachskeptische Schreibweise aus. Poetologisch distanzierte sich der Autor von der NS-Zeit. Ist der Bruch in Tumlers literarischer Entwicklung dem Einsehen in die eigene Korrumpierbarkeit geschuldet? Oder legitimierte er gar sein Handeln durch eine Schreibweise, die die vermeintliche Unüberprüfbarkeit von Wirklichkeit zum Thema hat? Franz Tumler hat sein Engagement in der Nazizeit nicht kleingeredet. Im Privaten hat er wenig darüber gesprochen, einige Wortmeldungen von Bekannten des Autors bei der Tagung in Laas zeigten allerdings deutlich, dass der Autor Einsicht zeigte. Bleibt allerdings die Frage, warum er nie öffentlich dazu Stellung genommen und sich distanziert hat. 

Ehrenbürger und Literaturpreis-Patron?

Ist der Status als Ehrenbürger von Laas, als Namensgeber für eine Bibliothek und Straße sowie der Literaturpreis als “Würdigung” des Autors gerechtfertigt? Der Nationalsozialismus und der Faschismus, die Option, die Hoffnung vieler auf das “Heimholen” ins Reich, gehören untrennbar zur Geschichte Südtirols. Tumlers Biographie ist unbequem, seine Taten sind “mehr als ein Irrtum”, wie er selbst sagte – natürlich vor allem für einen Schriftsteller, zu dessen zentralen Rollen es ja gehört, gesellschaftliche Verhältnisse zu hinterfragen. Wenn Gatterer 1968 schreibt, “Die Südtiroler hatten über sich nichts auszusagen” (nach dem Krieg), dann gilt dies wohl auch für Tumler, auch wenn er in Südtirol nur geboren ist und seine literarische Entwicklung in Österreich stattfand. Eine gründliche Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit fehlt – auch in seinem Werk, wie Dr. Wilhelm Burger, der auf der Tagung zum Thema “Neuere Deutsche Literatur und Franz Tumler” referierte, feststellte. Tumler taugt dann trotzdem zum Patron für einen Literaturpreis, sofern dieser mit einer kritischen Debatte einhergeht. Mit der gut besuchten Veranstaltung in Laas wurde ein Anfang gemacht. Eingebettet in einen offenen Diskurs, kann der Preis Anstoß für die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit Südtirols, für den Umgang mit Werken von antisemitischen Künstlern (z. B. Wagner) oder nationalsozialistischen Denkern (z. B. Heidegger) und für einen differenzierten Blick jenseits des Schwarz-Weiß-Schemas sein. Im Nachhinein “kritische” und ambivalente Persönlichkeiten wie Franz Tumler von der Bildfläche “wegzuretuschieren” würde ja wieder nur heißen, zu schweigen. Und davon gab es hierzulande ja bereits genug. 

Foto: Franz Tumler © Sigrid John-Tumler

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