Culture + Arts > Architecture

October 29, 2013

Architektur für dich und mich: 7. Architekturpreis Südtirol schreit nach Publikums-Voting

Kunigunde Weissenegger

Sie wollen gehört, vor allem wahrgenommen werden. Der Präsident der Architekturstiftung Südtirol Carlo Azzolini und die Vorstandsmitglieder Wolfgang Thaler, Ute Oberrauch und Alexander Zoeggeler (letztere zwei kuratierten den Preis) bemerken unisono: Die Arbeit der Architekten werde leider zumeist nicht anerkannt. Bloß 15 bis 20 % der Architektur sei in Italien von Architekten gemacht. Diesem Trend wolle die Archtikturstiftung Südtirol entgegen wirken und sie wird nicht müde, mit Initiativen auf sich aufmerksam zu machen und sich Gehör und Geseh zu verschaffen. Architektur sei mehr als bloß eine nette Zeichnung. “architektur (ist) für alle” – so auch das Motto, unter dem das Publikumsvoting des 7. Architekturpreises 2013 steht. Was also ist für dich und dich und dich gute Architektur? Gebaute Qualität ist für alle sichtbar und kann auch von allen verstanden werden. Architektur ist greifbar, benutzbar und handfest. Sie soll gesellschaftlich wertvoll, innovativ und technisch einwandfrei sein, auf neue Anforderungen und wirtschaftliche sowie gesellschaftliche Situationen Antworten finden. Entscheidungsgebende Kriterien sind des weiteren planerische Qualität, strategische Funktionalität, Details sowie der künstlerische Wert und Ausdruck bzw. der Einbezug der Umgebung und die Interpretation des Ortes.Neben der Kapelle/Hofstelle – bergmeisterwolf architekten – Foto Mads Mogensen, Günter Richard WettNeben der Kapelle/Hofstelle von bergmeisterwolf architekten; Foto von Mads Mogensen, Günter Richard Wett

149 haben eingereicht. 28 sind nominiert. 7 werden prämiert. Außerdem vergibt die Jury bestehend aus dem Architekten und Professor für Architektur in Florenz, Adolfo Natalini, dem deutschen Fotografen Tom Vack und dem Architekten und Journalisten der Schweizer Zeitschrift Hochparterre, Axel Simon den absoluten Preis der Fachjury. Und erstmals ist auch das Publikum, also du und ich, aufgerufen, unter den 28 Nominierungen innerhalb 18. November 2013 für den eigenen Favoriten all der architektonischen Projekte zu stimmen: preis.arch.bz.it oder premio.arch.bz.it klicken, schauen und Stimme vergeben. Für jene, denen das Bild online zu wenig sagt, gibt es die Möglichkeit ab 5. November, 18.00 Uhr bis 9. November die Wanderausstellung mit den 28 Projekttafeln in der Uni Bozen zu besuchen; am 11. November zieht sie weiter ins Foyer des Bozner Krankenhauses und ist dort bis 20.11. zu sehen.Gasthof Residence Fischerwirt –  Architekturbüro Wolfgang Piller – Alexa Rainer FotografieGasthof Residence Fischerwirt von Architekturbüro Wolfgang Piller; Foto von Alexa Rainer Fotografie

Die Jury hat bereits entschieden und ließ verlautbaren, dass ihr das allgemein sehr hohe architektonische Niveau der eingereichten Projekte imponiert habe – sei es im Entwurf sowie auch in der qualitätsvollen Bauausführung. Ihr Lob richte sich auch an das Südtiroler Bauhandwerk und an die anspruchsvolle Bauherrschaft privater sowie öffentlicher Natur. Die Preise hat die Fachjury auch unter dem Gesichtspunkt des gesellschaftlichen Wertes vergeben. Verliehen werden die 8 Preise am 21. November im Rahmen Festes der Architektur im Auditorium Haydn in Bozen; im Rahmen der Prämierung wird auch die Sondernummer von turrisbabel mit allen 28 Nominierten vorgestellt.  Lanz + Mutschlechner – stadtlabor  – Architekturstiftung SüdtirolAstra Kino, EX Gil, Brixen von Lanz + Mutschlechner – stadtlabor 

Die 7 Kategorien, nach denen die Preise 2013 vergeben werden, sind: public, housing, office & industry, tourism, interior, open spaces, renovation.

Die Kategorie public beinhaltet vier Bauwerke unterschiedlichster Funktion mit unterschiedlichsten Nutzern: Die neue Kletterhalle in Brixen, eine Herausforderung und „vertikale Übungswiese“ für Extremsportler (Arch. Wolfgang Meraner & stadtlabor). Das neue Pfarrzentrum „Mutter Teresa von Kalkutta“, ein Ort der kirchlichen Dienste und Treffs,  sowie der religiösen Andacht und Feier (Arch. Siegfried Delueg). Das Kulturgebäude in Auer, auch Verbindung zweier Dorfräume und somit ein urbaner Ort für alle (Monsorno Trauner Architekten). Und die Landesfachschule für Sozialberufe „Hannah Arendt“ in Bozen, ein Ort der Bildung, ein Ort für die Jugend, im Boden versenkt (Claudio Lucchin & Architetti Associati).

In der Kategorie housing stellen sich vier kleine Juwele zur Wahl, alle mit unglaublich schönem Ausblick: das Haus „Neben der Kapelle“ hoch über Sterzing mit einem bereits preisgekröntem Interieur (Bergmeisterwolf Architekten); das Haus Höller in Lana, minimalistisch über den Weinbergen schwebend, vom Architekten für sich selbst und seine Ehefrau gebaut (Höller&Klotzner). Das Haus „Pliscia“, zweigeteilt (damit kleinere Volumen) sensibel eingefügt in den kleinen „viles“ Pliscia auf den steilen Bergwiesen des Gadertales, in Volumen, Gesamtform und dunkler Farbe dem uralten Kontext angepasst, und doch ganz neu, in Beton mit Dolomitzuschlag und Passivhausstandard, auch hier ist der Architekt selbst der Bauherr (Pedevilla Architekten). Und das extravagante Künstlerhaus und Atelier inmitten Kastelruth, ein Zitat der alten Zimmermannskunst der alpenländischen Holzstadelarchitektur und doch fremdartig und rebellisch (Modusarchitects). Eine Nominierung erlangte jedoch keine Wohnanlage – vielleicht weil in dieser Größenordnung dem Architekten keine Freiheit zu künstlerischer Gestaltung gegeben wird, fragt sich die Stiftung.Franzensfeste von  Architekturbüro Arch. Christian Schwienbacher – Christian Schwienbacher, Günther Richard WettAussenbereiche Franzensfeste – Landesausstellung Labyrinth :: Freiheit von Architekturbüro Arch. Christian Schwienbacher; Foto von Christian Schwienbacher, Günther Richard Wett

Die Kategorie office&industry vereint Bauwerke, welche der Wirtschaft dienen, Bürogebäude wie auch Produktionsstätten. Und im Weinland Südtirol dürfen die Kellereien nicht fehlen: gleich zwei, beides Um- bzw. Anbauten, wurden nominiert: die Kellerei Terlan (Trojer Vonmetz Architekten) sowie die Kellerei Nals-Margreid in Nals (Arch. Markus Scherer), beide in den irdenen Farben des Porphyrs. Ebenfalls im Finale auch das mächtige Salewa-Gebäude, an die Bergkristalle der Dolomitenwelt erinnernd (Cino Zucchi & Park Associati), sowie das sich darin spiegelnde Technoalpin-Gebäude (Arch. Roland Baldi & Arch. Johannes Niederstätter), nachts weiß leuchtend.

Die Kategorie tourism durfte im Tourismusland Südtirol nicht fehlen; nominiert sind nicht nur Hotelbauten, sondern auch zwei wichtige Bauten der Torismusmobilität: die Seilbahnstationen für Meran 2000, bestechend durch ihre klaren geometrischen Formen und der Farbe rot (Arch. Roland Baldi) und das Parkhaus der Umlaufbahn Seis – gleichzeitig auch Sitz der Firma Silbernagl (Arch. Lukas Burgauner). Einziges gewähltes Hotel ist der Fischerwirt in Durnholz im Sarntal (Arch. Wolfgang Piller). Und als eine besondere architektonische Form der Touristik eine kleine abgelegene Luxussuite, mitten im Fanesgebiet, ursprünglich als Jagdhaus errichtet (EM2 Architekten).Höller & Klotzner Architekten – Robert Fleischanderl, Maurizio Montagna, Ulrich EggerHaus Höller in Lana von Höller & Klotzner Architekten; Foto von Robert Fleischanderl, Maurizio Montagna, Ulrich Egger

In der Kategorie interior taten sich folgende 4 Projekte hervor: Die schicke Boutique Öhler Woman (Bergmeisterwolf Architekten) mit Erhalt der gesamten Innenausstattung einer alten Eisenwarenhandlung in der Brixner Altstadt; die renovierten Innenräume des historischen Hauses Burger Oberschmied in Welsberg (Arch. Stefan Hitthaler); weiters das Atelier „die Küche von Haidacher“ in Percha (Arch. Lukas Mayr); sowie die schwarz-minimalistische Einrichtung des Hauses W01  in Aicha (Arch. Philipp Kammerer).

Die Nominierungen für die neue Kategorie open spaces, wo es um die Qualität öffentlicher Freiräume geht: das Labyrinth auf der Franzensfeste (Arch. Christian Schwienbacher), der Angela-Nicoletti-Platz in Bozen/Oberau (Arch. Roland Baldi), das neue Dorfzentrum in St. Martin in Passeier (Arch. Andreas Flora), sowie die Ring-Road (Umfahrungsstraße) in Brixen (Modusarchitects).

Die auf Anraten des Denkmalamtes neu eingeführte Kategorie renovation erbrachte folgende Auswahl: die sensible und zurückhaltende Renovierung eines Wohnhauses in der St. Johanngasse in Bozen, anspruchsvoll und gerade deswegen unauffällig (Arch. Susanne Waiz); die aufwendige Restaurierung des mächtigen Schlosses Bruneck mit dem Ausbau des Messner Mountain Museums Ripa (EM2 Architekten); von denselben Architekten die gefühlsvolle Renovierung des Alten Widums in Prettau; und in Brixen der Umbau des Foyers des Astra Kinos im ExGil Gebäude (Arch. Lanz + Mutschlechner – stadtlabor). Trotz großer Verschiedenheit der Bauaufgaben und der Eingriffe ging es hier immer um den meist möglichen Erhalt der Bausubstanz und um die Wahrung bzw. Weiterverwendung des Alterswertes, was gleichzeitig zu einem verstärkten architektonischen Ausdruck führte.

Foto oben: Parkhaus Umlaufbahn Seis-Seiser Alm und Firmensitz Silbernagl in Seis von Arch. Lukas Burgauner/Architekturbüro Lukas Burgauner; Foto von Alex Filz

Print

Like + Share

Comments

Current day month ye@r *

Discussion+

There are no comments for this article.