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October 18, 2013

Reinhard Auer, freies theater bozen: Es gibt keine Helden mehr

Kunigunde Weissenegger

20 Jahre. – Für ein Menschenleben jung und relativ wenig. Für ein Theaterleben bisweilen eine Ewigkeit: “Langwierig und bleiern war die Zeit, wenn es um Kulturpolitik ging. 20 Jahre hat man uns das Leben durch chronische finanzielle Unterernährung schwer gemacht,” heißt es in der zum 20jährigen Geburtstag erschienen Broschüre des freien theaters bozen. “Aber wir haben überlebt!” – In der Tat, sie leben noch. Reinhard Auer dürfte vielen im Land ein Bild vor’s geistige Auge zaubern. – Genau, es ist der Herr mit weißem Haar und weißem Vollbart, starkem Händedruck und immer – fast immer – einem Stänkerer auf den Lippen. Deshalb dürften sich manche auch nicht so gerne an die Begegnung mit ihm erinnern. Er kann nett lächeln, aber auch mit den Zähnen knirschen. (Mir hat er die Jubiläumsbroschüre mit den Worten “…sonst beachtest du mich ja eh nicht” in die Hand gedrückt.) 

Seit 1993 hat die Theaterkompanie um den Dramaturgen und Regisseur Reinhard Auer und die Schauspielerin und Regisseurin Gabriele Langes inklusive der diesjährigen Produktion 33 Produktionen auf unsere provinziellen Bühnen gebracht. Die beiden sind die Konstanten des Ensembles. “Heim” von Felix Mitterer war die erste Produktion; stellvertretend für alle Produktion nenne ich hier noch Nummer 7 – “Orpheus. Nachtgesang” von Josef Oberhollenzer und Nummer 27 – “Der unaufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui” von Bertolt Brecht – und die letztjährige Aufführung – “Die heilige Johanna der Schlachthöfe” abermals von Bertolt Brecht. (Alle weiteren findet ihr hier.)Reinhard Auer - freies theater bozen

Um “gutes Theater” geht es ihnen, heißt es auch auf ihrer Website. Langes und Auer versprechen, “gegen die Verdummung und Verrohung in allen gesellschaftlichen Bereichen samt ihren Formen aufzutreten”. Sie lossn net lugg, würde mensch auf Südtirolerisch sagen. Das 20jährige feiert “die wichtigste und international renommierteste Theater-Unternehmung des Landes”, wie es auf ihrer Facebook-Seite heißt, mit Heiner Müller und seinem Stück “Landschaft mit Argonauten”. Auf der Bühne: drei Männer, drei Frauen. Die drei männlichen Menschenausgaben auf Eroberungszug, der aber von den drei weiblichen mächtig “gestört” wird. Der Kampf beginnt. Zwischen einer Aufführung und der nächsten, zwischen Bühnenabbau und Bühnenaufbau und diversem “Troubleshooting”, fand Reinhard Auer doch Zeit, sich aus dem Beschlag zu lösen und, wenn auch kurz und bündig, (aber das ist meiner Meinung nach eh meistens besser), auf meine Fragen zu antworten. 

Wie war die Premiere von “Landschaft mit Argonauten” vor gut einer Woche?

Die Premiere war gut und erfolgreich, eine schöne Vorstellung und begeisterte Zuschauer.

Herr Regisseur, worum geht es in deinen Worten in diesem aktuellen Stück des freien theaters bozen?

Es geht um das männliche Sein/Treiben in der Welt, die Unterwerfung/Ausbeutung der Natur/Frau/sogar von sich selbst; das Überkommene dieser (männlichen) Denkungsart; die Fragwürdigkeit eines “Auftrags”/einer “Mission” namens “macht euch die Erde untertan”.

Also ganz simpel: Kampf der Geschlechter, Männer gegen Frauen – oder doch nicht so einfach?

Nein, nicht einfach – es gibt ja auch noch die “Landschaft”, also etwas, das älter ist als der Mensch, und das der Mensch in seinem Eroberungs-/Ausbeutungswahn verwüstet ohne Rücksicht auf seine Zukunft.

Und auf welcher Seite stehst du?

Auf Seiten der Schwachen und Unterdrückten.

Gibt es noch Helden?

Es gibt keine Helden mehr – die Macher haben abgedankt.

Das Titelbild ist sehr provokativ gestaltet (und hat natürlich auch bereits einige Reaktionen ausgelöst). Ein Muskelprotz mit Pistole und einer nackten Frau an der Kette wie ein Hund. Von wem stammt es und warum so etwas?

Das Titelbild ist von der jungen Grafikerin Evi Langes; sie hatte freie Hand das Thema zu gestalten. Ja, es war auch Dorfgespräch in Tisens, ihrem Heimatort. – Warum so etwas? – Ihre Interpretation des Mann-Frau-Zusammenhanges?

Apropos freies Theater – wie frei (auch von Sponsoren, Politik, Wirtschaft usw.) ist denn das Theater heute überhaupt noch?

Freies Theater meint frei von den Gängelungen (Verwaltungsräte etc.) der Politik. Frei von Förderungen kann kein Theater existieren (nicht mal das Kommerztheater).

Also dann, “williges Publikum”, das freie theater bozen erwartet euch noch jeweils um 20 Uhr heute, 18.10. in Meran, morgen, 19.10. in Mals und Dienstag, 22.10. in Bruneck zur Vorstellung. Infos und Kartenreservierungen am besten unter www.ftb.bz.it oder 0473 920558  oder info@ftb.bz.it. 

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