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October 1, 2013

START IV. Judith Neunhaeuserer: “Ich brauche einen Horizont ohne Berge”

Franz
Die diesjährige vierte Ausgabe von START des Südtiroler Künstlerbundes präsentiert sechs junge Künstlerinnen und Künstler: Johannes Bosisio, Jasmine Deporta, Julia Frank, Judith Neunhaeuserer, Simon Rauter und Ursula Tavella. Alle Sechs werden wir euch hier auf franzmagazine in den kommenden Wochen, vor der Ausstellungseröffnung am 4. Oktober, vorstellen.

Wer bist du? Stell dich bitte vor.

Ich heiße Judith; der Name stammt aus dem Hebräischen (יהודית Jehudit) und bedeutet „Frau aus Judäa, Jüdin“. Ich bin 1990 im Pustertal geboren und dort aufgewachsen, bis ich mit 18 nach der Matura Südtirol verließ.

Wie bist du zur Kunst gekommen? Wer hat dich beeinflusst?

Mein Interesse lag immer schon eher beim Gestalterischen als z. B. beim Sportlichen. Ich hatte als weiterführende Schule deshalb das Kunstlyzeum des Humanistischen Gymnasiums gewählt. Dass man die Kunst tatsächlich zum Beruf machen kann, wurde mir im Atelier von Margit Klammer klar, wo ich in der Schule noch für kurze Zeit den Alltag einer Kunstschaffenden miterleben durfte. Es fiel mir schwer, mich für eine bestimmte Art der Kunst zu entscheiden, da ich, abgesehen vom Tanz vielleicht, an allen Gattungen kultureller Produktion interessiert bin. Aber die zeitgenössische Bildende Kunst ist zum Glück so umfassend, dass alle Ausdrucksformen eingeschlossen sind, frei nach: Kunst = Leben. Die viel gepriesene Bodenständigkeit zu verlassen hat sich als die richtige Entscheidung herausgestellt. In meinem ersten Semester hat ein Teilchenphysiker in seinem Vortrag an meiner Uni gesagt: Der Zustand der Instabilität ist der mit den meisten Möglichkeiten.

Hast du Vorbilder, an denen du dich orientierst?

Keine beständigen. Ich denke, man sollte mit Vorbildern selektiv umgehen und sie je nach Situation überdenken.

Welche/r Künstler/in oder Kulturveranstaltung haben dich sehr beeindruckt?

Marcel Duchamps Humor; Sophie Calles Art des Geschichtenerzählens; Jenny Holzers Qualität, die Dinge in einem Satz auf den Punkt zu bringen; Matt Mullicans System, die Welt zu ordnen; Fischli & Weiss’ Leichtigkeit, die Schwere der Existenz zu thematisieren; Joseph Beuys, weil er ein Rätsel bleibt.

Lebst du im Ausland? Wie oft und wie gern kommst du nach Südtirol zurück? Ist das notwendig?

Ja, ich studiere seit vier Jahren in München an der Akademie der Bildenden Künste „Freie Kunst“ und seit kurzem auch an der LMU „Religionswissenschaften und Philosophie“. Außerdem habe ich ein halbes Jahr lang in Istanbul gelebt, auch aus Studiengründen. Ich komme nach Südtirol, um Familie und Freunde zu treffen. Ansonsten verspüre ich kein Bedürfnis danach oder gar eine Notwendigkeit. Warum sollte ein Aufenthalt in Südtirol notwendiger sein als an irgendeinem anderen Platz auf diesem Planeten? Meine sogenannten Wurzeln sind mir sehr tief in Erinnerung, dafür muss ich nicht mit meinem Körper an den Ort zurückkehren.Judith Neuhaeuserer iwashereWie wichtig ist es für dich im Augenblick im Ausland zu leben?

Wenn „im Ausland“ alles außerhalb Südtirols meint, dann ist es geographisch betrachtet fast unmöglich, nicht im Ausland zu leben. Wichtig, um Arbeiten zu können, ist für mich: Ruhe, Abstand und Infrastruktur (ein Rückzugsort und ein Arbeitsplatz), Menschen auf meiner Wellenlänge (eine Kulturszene), regelmäßiger Input (durch Lesen, Diskutieren, Reisen). Ich brauche einen Horizont ohne Berge.

Was erwartest du dir von START?

Eine schöne Gruppenausstellung und eventuell konstruktive Kritik.

Was bedeutet dir die Vernetzung unter KünstlerInnen in Südtirol? Kennst du die anderen fünf?

Vernetzung ist allgemein nützlich. Es ist kein Geheimnis, dass Vernetzung ein Schlüssel zum Erfolg ist. Ich kenne die anderen abgesehen von ihren Internetauftritten noch nicht, bin aber schon gespannt.

Mit welchem Medium arbeitest du? Denkst du, dass du dabei bleiben wirst?

Ich habe mich da noch nicht festgelegt und hoffe, dass ich auch in Zukunft hinsichtlich des Mediums flexibel bleiben werde. Ich arbeitete bisher viel mit Papier, Fotografie und Video.

Wo siehst du dich in fünf Jahren?

In einem Artist-in-residence-Programm in einem südamerikanischen Land. Zum Beispiel.

Judith Neunhaeuserer, geboren 1990, aufgewachsen in Olang. Judith studiert seit 2010 Freie Kunst, Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste München bei Prof. H. Pitz und Prof. S. Huber. 2012/13 absolvierte sie ein Erasmus-Semester an der Bilgi-Universität in Istanbul. Mehrere Ausstellungsbeteiligungen in Deutschland und in der Türkei.

www.kuenstlerbund.org

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