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September 23, 2013

Jana Haberecht, Stadtschreiberin in Bruneck: Südtirol als sehr banken- und feuerwehrreich erlebt

Kunigunde Weissenegger

Eine der beiden haben wir euch vor knapp einem Monat schon vorgestellt, Jana Haberecht, ist die zweite Stadtschreiberin, die „in memoriam Norbert Conrad Kaser“ im August dieses Jahres in Bruneck weilte. (Das Interview mit der anderen –  Ina Maria Simon – findet ihr hier.)we

Jana Haberecht ist seit Anfang September wieder zurück in Berlin – “in einem Zustand zwischen im alten Trott gefangen und ist es wirklich schon vorbei?”, wie sie selbst sagt. Aber im Oktober kommt sie für ein paar Tage zur Eröffnung der Stadtbibliothek Bruneck am 24. wieder. Lassen wir uns von ihr erzählen, wie sie Bruneck, Südtirol und die Menschen im August hier erlebt hat.

Wer bist du? Stell dich bitte mal vor.

Die Basics: Jana, geboren 1990, mag Regen und Fiktionales, ferner Schokoladeneis, Doppelgänger-, Einzelgänger- und Spiegelmotive in Literatur und Kunst, Violinen und Pastellfarben.

Was macht eine Stadtschreiberin in Bruneck?

Mit Worten und (mehr oder weniger) steilen Straßen beim Radfahren kämpfen. Ansonsten: sich auf Stadt und Natur einlassen. kaser lesen. Beobachten. Mit Leuten in Kontakt treten. Notizen machen. Eindrücke in irgendeiner Form literarisch verarbeiten.

War es für dich das erste Mal?

Ja.

Wie hast du Bruneck und Südtirol bisher erlebt?

Als sehr banken- und feuerwehrreich. In den touristischen Bereichen ziemlich überlaufen, abseits davon oft beinah menschenleer. Landschaftlich ansprechend. Sehr religiös. Freundlich, aber nicht selten eher konservativ. Nicht durchweg, aber doch hauptsächlich positiv. 

Was hast du gesehen? Wie bist du aufgenommen worden?

In erster Linie habe ich die Zeit genutzt, Bruneck und die nähere Umgebung zu erkunden, entweder zu Fuß oder mit dem Rad. Dabei habe ich dann die typischen Attraktionen, die von Broschüren empfohlen werden, gesehen, aber auch Wohnbezirke und weniger vom Tourismus geprägte Gebiete. Einige Touren mit Bus und Bahn in (nicht allzu) weiter entfernte Orte waren natürlich auch dabei.
Aufgenommen wurde ich eigentlich immer entgegenkommend, unabhängig davon, ob ich mich nun als Stadtschreiberin vorgestellt habe oder nicht.

Was hat dich am meisten beeindruckt?

Als Flachlandkind, das noch nicht viel in der Welt herumgekommen ist, muss ich mit der offensichtlichsten Antwort gehen: die Dolomiten. Und aus einer persönlichen Vorliebe herleitbar: alles, was mit Wasser in den Bergen zu tun hat, seien es nun Seen oder Flüsse. Mein Ausflug an die Reinbachwasserfälle war definitiv ein Highlight. Außerdem die Qualität des Eises. Ich habe fast Angst, nirgends sonst so leckeres Eis zu finden. 

Was hat dich überrascht?

Es mag eine inkorrekte Beobachtung sein, aber: wie wenig misstrauisch die Menschen hier scheinen, festzumachen an a) der Art des Fahrradanschließens, die meiner Erfahrung nach so in Großstädten undenkbar wäre und b) der Tatsache, dass ich mich fast nie in irgendeiner Form ausweisen musste. Jana Haberecht liest Stadtschreiberin BruneckWas findest du nicht so gut und idyllisch?

Auffallend sind die hohen Preise – abgesehen vom vergleichsweise überraschend preiswerten Kaffee. Auch würde ich nach Gesprächen mit Einzelpersonen und dem ein und anderen Blick auf Zeitungen, Statistiken und Diskussionen online Südtirol nicht unbedingt als die progressivste Gegend überhaupt bezeichnen. Aber ein einziger Monat reicht natürlich nicht aus, um sich ein vollständiges Bild machen oder genauer hinter die Kulissen schauen zu können. 

Warum hast du an der Ausschreibung der Stadt Bruneck teil genommen?

Ich habe die Ausschreibung im Internet gesehen und mich dann relativ spontan beworben. Hauptgründe waren ganz einfach, dass ich gern schreibe*, mich Südtirol insbesondere landschaftlich gereizt hat und ich mich einmal auf etwas völlig Neues einstellen wollte.
* „gern schreiben“ meint hier eine extreme Hassliebe zur leeren Seite und zu Worten, weil ich mich einerseits bevorzugt auf der fiktional-literarischen Ebene bewege und andererseits (mit viel Frustration und äußerst un-)gern mit der UnFähigkeit zu Kommunikation und Ausdruck beschäftige.

Beschreib mal einen typischen Tag.

August:
Jana versucht zu realisieren, dass sie einen Monat lang hier sein darf. Sie trinkt Kaffee und isst Eis und läuft durch die Straßen, geht in Museen, macht Notizen, macht mehr Notizen, schläft, versucht die Notizen zu entziffern und den geplanten Texten Struktur zu geben, fährt mit dem Rad, ist einmal zu oft nicht in der Lage, Schildern zu folgen und landet dann im nächstbesten Maisfeld. Empfindet einen tiefen Informationssammeldrang. Sie leiht Bücher aus der Bibliothek aus und isst mehr Eis und macht Notizen. In dieser oder anderer Reihenfolge.

September:
Jana versucht zu realisieren, dass es September ist. Erledigt Alltagskram. Schwimmt in Bergen von Notizen. Schreibt.

Mein Schreibprozess ist ein ziemlich langwieriger, dementsprechend habe ich während meiner Zeit in Bruneck nicht extrem viel fertigstellen können; das hole ich diesen Monat nach. Immerhin heißt das, dass es für mich doch noch nicht so ganz vorbei ist. 

Gerne kannst du uns auch eine kurze Kostprobe von dir geben.

Schreibproben sind auf der Seite der Stadtbibliothek Bruneck zu finden: www.stadtbibliothek-bruneck.it/de-de/kulturbegegnung/stadtschreiberinnen.aspx

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