Culture + Arts > Visual Arts

September 16, 2013

START IV beim Südtiroler Künstlerbund: Bühne frei für wirklich junge Kunst

Kunigunde Weissenegger

Zum ersten Mal fand die Ausstellung 2007 statt: Mit START zeigt der Südtiroler Künstlerbund (SKB) Produktionen von jungen Menschen, die sich mit dem Medium Kunst auseinandersetzen und damit experimentieren. Es folgten 2009 START II und 2011 START III – mit insgesamt 26 neuen Positionen. Heuer, in der vierten Ausgabe sind sechs Künstlerinnen und Künstler zu sehen: Johannes Bosisio, Jasmine Deporta, Julia Frank, Judith Neunhaeuserer, Simon Rauter und Ursula Tavella, alle zwischen 1994 und 1980 geboren, viele noch in Ausbildung oder gerade abgeschlossen. – Die Sechs werden wir euch hier auf franzmagazine in den kommenden Wochen vor der Ausstellungseröffnung am 4. Oktober vorstellen.

Für die diesjährige Ausgabe hat die Kuratorin und Geschäftsführerin des SKB, Lisa Trockner das Konzept zudem erweitert und für die Kuratierung eine junge Kuratorin hinzu geholt: Victoria Dejaco dürfte vielen keine Unbekannte sein – seit 2011 organisiert die aus Brixen stammende Kunsthistorikerin und Kuratorin Einzelausstellungen von Künstlerinnen und Künstlern in ihrer Hallway Gallery in Wien. Mit ihr kommen so auch auf kuratorischer Seite die Sichtweise einer neuen Generation hinzu und zum anderen wird durch diese Plattform das Netzwerk zwischen jungen Künstlerinnen, Künstlern und Kuratierung gestärkt und die Möglichkeit eines gegenseitigen Austauschs geschaffen. Doch lassen wir uns von Lisa Trockner selbst erzählen, aus welchem Bedürfnis heraus die Ausstellung ursprünglich entstanden ist und warum sie in diesem Jahr in Co-Kuration arbeitet. Und natürlich fragen wir auch bei Victoria Dejaco nach, was das Reizvolle an START IV ist.

Lisa Trockner, aus welchem Bedürfnis heraus ist 2007 die Idee für START entstanden? 

Lisa Trockner: Als ich 2006 im Künstlerbund angefangen habe, waren die jüngsten Mitglieder 35+. Aus Neugierde habe ich mich daraufhin auf die Suche nach jüngeren Künstlerinnen und Künstlern in und aus Südtirol gemacht. Fündig geworden bin ich schließlich an den diversen Akademien im italienischen und vor allem deutschen Sprachraum und in der Südtiroler Underground-Szene. Nach vielen Gesprächen ist das Bedürfnis gewachsen, das umfassende Potenzial des Künstlerbundes zu nutzen, um gezielt Nachwuchskünstler zu begleiten, zu unterstützen und zu fördern.

Welches Konzept steckt dahinter?

Lisa Trockner: Die Idee dahinter ist eine Bühne für junge Kunst zu schaffen, die als Einstieg in die Kunstwelt fungiert. Junge noch unerfahrene Talente werden eingeladen, um Erfahrungen auf professioneller Ebene zu sammeln, sowie durch eine Ausstellungsbeteiligung mit Katalogproduktion breite Sichtbarkeit zu erlangen und umgekehrt dem Kunstpublikum die aufstrebende Nachwuchsszene vorzustellen.

Was ist bei der Auswahl der Künstlerinnen und Künstler wichtig?

Lisa Trockner: Neben den Rahmenvoraussetzungen, wie der Bezug zum Territorium und lokal eine niedere Ausstellungsbeteiligung, ist natürlich die Qualität und der künstlerische Wert der Arbeiten vordergründiges Kriterium. Das Zusammenspiel aus schöpferischem Geist, kreativem Gedankengut und handwerklicher Fertigkeit in der Umsetzung lassen schon früh künstlerisches Potenzial erkennen.

2013 findet die Ausstellung zum vierten Mal statt. Was ist neu? Warum?

Lisa Trockner: Für die vierte Ausgabe wurde das Konzept weitergedacht. Neben jungen KünstlerInnen wird nun auch eine junge Kuratorin hinzugezogen, um mit mir gemeinsam die Ausstellung zu organisieren. Die Förderung junger KuratorInnen ist in einer Zeit, in der Kunst sehr schnelllebig und oberflächlich ist, wichtiger denn je.

Was hat dich an der Co-Kuratierung mit einer jungen Kuratorin gereizt?

Lisa Trockner: Sich gegenseitig Impulse zu liefern, Synergien für gemeinsame Projekte zu generieren und Auszutauschen macht nicht nur Spaß, sondern ist beruflich als auch persönlich eine Bereicherung. Victoria Dejaco hat mich durch ihre kreative, selbstsichere und dynamisch aktive Art überzeugt. Der Blick von einer anderen Seite, ist im Kunstbetrieb wichtig, denn nichts ist vernichtender für das Kunstsystem als Mustern zu verfallen und dadurch träge, tendenziös und zufrieden zu werden. Durch die Einbindung offener, doch profunder Meinungen bleibt der Horizont weit, ermöglicht die Sicht auf neue Perspektiven in der eigenen Arbeit und einen selbstkritischen Zugang. Victoria Dejaco – Hallway GalleryVictoria Dejaco, was war für dich das Reizvolle an der Arbeit für START zusammen mit einer anderen Kuratorin?

Victoria Dejaco: Grundsätzlich sträube ich mich selten gegen neue Erfahrungen. In diesem speziellen Fall war es einerseits das Vergnügen, mit Lisa Trockner zu arbeiten, die unter den Künstlern gewisses Ansehen genießt. Ich wusste, ich würde etwas lernen können. Andererseits, da ich seit acht Jahren schon nicht mehr in Südtirol lebe, hatte es für mich auch den Reiz, Künstler meiner Generation und meiner Heimat kennenzulernen. Ich bin gut vernetzt in Wien und der internationalen Szene dort, aber Südtiroler Künstler, außer die in Wien, kannte ich kaum. Natürlich, wenn man eintaucht, zeigt sich alles wieder verknüpft. Ein Freund aus Wien, der israelische Künstler Omri Livne, kennt Jasmine Deporta sehr gut. Julia Frank habe ich dem befreundeten Kurator Cornelis Van Almsick in Wien für eine Ausstellung weiterempfohlen, weil sie perfekt in sein Konzept passte. Die Dinge ergeben sich dann ganz natürlich. Das setze ich aber auch voraus und arbeite daran, dass sich solche Berührungspunkte bilden, in dem was ich mache. Deshalb sind neue Erfahrungen immer willkommen.

Welche Künstlerinnen und Künstler habt ihr dieses Jahr eingeladen, ihre Arbeiten zu zeigen? 

Lisa Trockner: Die Lebenswelten, Interessen und Werteverständnisse driften von Generation zu Generation mehr auseinander, umso spannender ist das Arbeiten und Beobachten des Selbst- und Weltbildes von jungen KünstlerInnen.
Vor einem Jahrzehnt etwa hat der zentrale Standort, an dem eine Künstlerin, ein Künstler lebt noch eine prägnante Rolle für das Curriculum gespielt. Für die Smartphone-Generation ist es nicht mehr von Relevanz wo jemand lebt, das eigentliche zuhause, der gemeinsame Treffpunkt ist das Netz. In wechselnden, Disziplinen übergreifenden, kreativen Berufen freischaffend (Fix-Anstellungen sind selten) tätig zu sein ist Trend, die Möglichkeiten sind dehnbar und noch nie hat es – trotz Krise oder vielleicht gerade deshalb – so viel selbsternannte KünstlerInnen gegeben wie heute. Die Verantwortung gute Kunst von kurzweilig oberflächlich aufblitzenden Probanden zu unterscheiden ist zur größten Herausforderung für KuratorInnen und GaleristInnen geworden und verlangt vor allem Aufmerksamkeit und Gespür. Die für START IV ausgewählten KünstlerInnen sind jung und alle sechs haben Persönlichkeit, Passion und vor allem etwas zu sagen – sie sind keine Epigonen. 

Vielleicht noch kurz zu jedem zwei-drei Worte. Was zeichnet sie bzw. diese Generation aus? 

Lisa Trockner: Johannes Bosisio zeichnet und malt: Mit seinen knapp 19 Jahren zeigt er mit sicherem Strich und eigenständigem Farbgefühl Talent und experimentiert unermüdlich auf Leinwand Papier, Styrodur mit Bleistift, Kaffee, Öl und Acryl. Jasmine Deporta bedient sich der Kamera, um Gedachtes konzeptionell und mit fokussiertem Blick für Ästhetik und Raum in Bildern festzuhalten. Julia Frank versteht es mit Materialien und Alltagsobjekten umzugehen und durch Mutation ein verzerrtes Bild zu erzeugen, so bekommen Topfpflanzen durch kämmen und flechten Frisuren, Hunde laufen als lebendige Label-Taschen durch die Gegend und Stühle verwandeln sich durch ausgeklügelte Stecksysteme zu schwungvollen Objekten. Judith Neunhaeuserer changiert zwischen neuen und alten Medien, um ihre Gedankentexte verbildlicht niederzuschreiben. Während sie in Istanbul, geleitet durch ein GPS System, Botschaften auf Google Earth schreibt, werden fast vergessene Kindheitswünsche in Geheimschrift mit Milch auf Papier verewigt.
Simon Rauter formt aus Gips in comic-artiger Manier die Diktatoren der aktuellen Zeitgeschichte und macht sich somit die Weltpolitik um Berlusconi, Putin und Co zum Thema. Ursula Tavella zeichnet unermüdlich zauberhafte Wesen, die auf großen weißen Flächen kontextlos ein Dasein zwischen Realität und Märchen fristen. Nicht selten lassen sich brutale Szenarien ablesen, die im Widerspruch zum zarten Darstellungsduktus stehen.

Victoria, warum, denkst du, ist diese analoge Vernetzung, von der auch Lisa Trockner spricht, in dieser doch digital stark vernetzten Welt für junge Künstlerinnen und Künstler sowie generell im Kunstbetrieb tätige, junge Menschen wichtig?

Victoria Dejaco: Es geht nichts über den persönlichen Kontakt. Man kann so viele Mails schreiben, wie man will, aber wichtige Dinge werden vor allem entschieden nach: Wie war die Zusammenarbeit mit der Person? Kommt sie kompetent rüber? Hat sie Verständnis für meine Ansichten? Und das ergibt sich im persönlichen Kontakt. Gute Erfahrungen werden weiter kommuniziert, wenn man mit befreundeten Kuratoren zusammensitzt, Projekte bespricht und auf Analogien draufkommt. Das Kulturbusiness ist hart genug, da kommt man, vor allem wenn man jung ist, nur weiter, wenn sich quasi alle an der Hand nehmen. Aber das ist keine neue Erkenntnis: Ban reden kemmen di Leit zom.

Print

Like + Share

Comments

Current day month ye@r *

Discussion+

There are no comments for this article.

Archive > Visual Arts