Culture + Arts > Performing Arts

July 30, 2013

Temporary Intruders at #meinherz. Day II. (manchmal darf es auch weh tun)

Kunigunde Weissenegger
Seit 26. Juli 2013 läuft die XXXIII. Ausgabe des Performing Art Festivals Drodesera/Mein Herz bei Dro im Trentino und noch bis 3. August bewegt sich was und geht was. Hallo Temporary Intruders, erzählt uns was, wir begleiten euch.

Staunen oder schimpfen – entscheidet selbst. Bloß entscheidet!

Zieleingabe: Trient Nord, zunächst. Ausfahrt. Rechts hinauf, hinauf, hinauf, gezogen. Durch’s Sarca-Tal hinunter, vorbei an mehr oder weniger idyllischen Dörfchen und Örtlein, hindurch durch sie, hindurch. Nicht stehen bleiben. Erneute Zieleingabe: Dro. Doch nicht ganz, nein. Vorbei an idyllischen (mehr oder weniger) Gasthäusern und Trattorie. Vorbei am idyllischen Toblino-See. An der Sarca entlang. Scharf links abgebogen und Ankunft: Centrale Fies. Drodesera. Mein Herz. Performing Art. Ich bin da, wo ich hin wollte. Punkt, zunächst. Codalunga kam aus Vittorio Veneto angereist und erwartet mich. Was erwarte ich? Zunächst nichts. Punkt.codalunga centrale fiesEintrittskarte holen. Umschauen. Hallo, ciao, guten Tag, guten Abend, buona sera, wie geht’s? Alles klar. Alles? Klar. Nach drinnen. Ins Dunkel. Platz nehmen am Boden. Nebeneinander. Im Schneidersitz, im Wasauchimmerfüreinensitz. Warten. Warten. Stille. Und los. Schauen: den Gabelstapler rauf gefahren, mit ihm, dem einen, oben drin und drauf (der sich am Ende als Geburtstagsmensch heraus stellen wird); er, von oben Regie (?) führend, während der gesamten Performance. Licht an, Licht aus, Licht an. Scheinwerfer auf sie: Cesare Feudi mit Gitarre und Stimme, Sissy Biasin tanzend und singend, Nico Vascellari und Nicolò Fortuni. GGP auf dem Stapler, nie im Scheinwerferlicht. Codalunga. Gitarre, Gesang, Gesang, Gesang. Musik aus dem Computer, mit roter Infrarot-Mouse gesteuert. Auf die alte, Art. Ohne Beschönigung. Auf der Bühne auch Trommeln. Die Trommeln, ja, der ninhos. Täusch dich nicht. Sie stehen nicht alleine da. Sie sind zu fünft. Inklusive endlos scheinendem, repetitivem, gestörtem, störenden Video, das, das – autsch. Tut’s weh? Ja, es tut. codalunga drodeseraWir sitzen da, lassen es über uns ergehen. Regungslos. Nein, nicht immer, nicht alle. Zuviel? Ja, für die zwei, die aufstehen und gehen, ja. Vielleicht – ich hab sie nicht gefragt. Ich bleib jedenfalls. Gespannt. Das steht im Booklet – ich selbst lese es erst hinterher: „La performance è concepita come un orologio visivo e sonoro, un meccanismo con ogni probabilità per nulla preciso e tutt’altro che a tempo, nel quale la luce ed il suono sono protagonisti assoluti. Un’opera corale che vuole essere la porta d’accesso preferenziale allo spirito ed alle dinamiche di questo misterioso ed emblematico spazio che è Codalunga.“

Doch glaubt es bloß nicht. Zu pur, zu roh. zu echt. ? Ninos Du Brasil, ansatzweise nur. Habt ihr euch das erwartet? Vergesst es. Vergesst alles. Besinnt euch nur auf das eine. Hauptsächlich berieseln lassen. Lehnt euch zurück, kuschelt mit dem harten Boden – in mancanza di altro. Doch: macht es euch nur nicht zu bequem, vielleicht wolltet ihr auch gerade gehen. Wie die nächsten zwei, autsch. Und sie fünf, vorne, in der Mitte, sie treiben und treiben die tribe, uns Herde. Mir ein Lächeln auf dieLippen. Wir frönen dem Spektakel. Die einen mehr, andere weniger. Mit gemischten Regungen. Genau. Lasst sie zu. Steht auf, geht, tut Etwas. Bloß bewegt euch. Regt euch. Erregt euch. So kommt es auf euch zu, das Unangenehme, das Rabiate, das Rasante. Versteht ihr? Unmöglich bis zum Schluss zu bleiben. Unmöglich; möglich. Hin- und hergerissen. Zwischen Unmut, Argwohn und Lächeln. Wie ernst ist ihnen dort vorne? Wie ernst nehmen sie uns? Nehmen sie uns überhaupt wahr? Ins große Finale hinein gehoben, hinein geschoben. Skurril, ver-rückt, entrückt und doch so klar. Am Ende bleibt die Unsicherheit, am Ende blieb sie. Hätten wir uns gehen lassen sollen? Gehen sollen? Hätten wir dies und hätten wir das. Nur getan. Tun. – Nicht bloß geschehen lassen. Aufstand und gehen. So einfach. Im Nachhinein, im Vorhinein, währenddessen. Eigentlich. Radikalität der Natürlichkeit.codalunga mein herzDas steht im Booklet: „The performance is as a visual and auditory clock, a mechanism that is not accurate, in which light and sound are the absolute protagonists. A choral work that would like to be the best gateway to the spirit and to the dynamics of this mysterious and emblematic space that is Codalunga.“

Glaubt es. So schön, so wunderbar. Glaubt es. Wer nicht versteht und geht, ist selbst schuld. Muss es wohl. Aber handelt. Denkt, regt sich. Hat verstanden. Vielleicht. Aber wohl eher nicht! Verwirrt. Wie schön war doch eigentlich der Rhythmus, wie schön die Performance. Ausgefeilt. Wie schön die Projektion. So wiederholend, so ironisch, soso. Die Komposition des Ganzen der einzelnen Teile zum Ganzen. Die Radikalität der Performance, unserer Performance täglich und immer, geschminkt, maskiert, verstellt, bestellt, schrill. Rhythmisch. Übertrieben. Perfekt. Auch die technische Panne am Ende. Alles paletti, wie es im Buche stand: „Die Performance, konzipiert als visuelle und auditive Uhr, ein Mechanismus, ungenau, extra der Zeit; Licht und Ton die Hauptdarsteller; chorig, Eingangstor zum Geist, zur Dynamik, zur rätselhaften und bedeutungsvollen Räumlichkeit von Codalunga.“ Applaus, Applaus, verhalten. Verunsichert. Schulterklopfen. Auch Tag vier war erfolgreich. Dank Codalunga. Der perfekte Abend. Gute Nacht.

Und jetzt fragt euch: Was ist Staunen? Was Schimpf? 

Foto oben: Centrale Fies

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