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July 22, 2013

Neue Ideen und ein Sommerfest für das Hotel Paradiso im hinteren Martelltal

Kunigunde Weissenegger
Einsam, verlassen und von der Zeit gezeichnet steht es da, das Hotel Paradiso im hinteren Martelltal. Ändern wird sich das am Samstag, 27. Juli 2013, wenn dort ein kreatives Sommerfest stattfinden wird. Die Organisatoren Margot Wittig, Klaus Ausserhofer und Kurt Wiedenhofer erzählen uns ihm Interview mehr über die Aktion.

Das gesamte Programm des Sommerfestes findet ihr hier
Und hier findet ihr die fotografischen Eindrücke vom Tag. 

Woher rührt die Idee für das Sommerfest beim Hotel Paradiso?

Die Architekturstiftung Südtirol hat im Herbst im Filmclub in Bozen den Film “Paradiso del Cevedale” von Carmen Tartarotti gezeigt und im Anschluss in einer kleinen Diskussionsrunde über die Zukunft dieses Gebäudes im hintersten Martelltal gesprochen. Dort wurde von “..am besten weiter verfallen lassen…” über “…ist eh alles zu teuer…” bis “man braucht nur innovative Ideen und Konzepte…” sehr unterschiedlich argumentiert. Man ist dann zum Schluss gekommen, dass es schön wäre, wenn sich kreative Menschen mit einer möglichen Zukunft des Hauses auseinander setzen würden. So ist die Idee entstanden ein Fest zu machen, bei dem einerseits am Thema interessierte Künstler mit Aktionen, wie Film, Foto, Tanz und Musik, viele Menschen anziehen und andererseits Planer und Wirtschaftsvertreter sich in einem Workshop Gedanken über eine mögliche Zukunft des Hauses machen. Diese Sammlung an Ideen und Vorschlägen wird dann der Eigentümerin Margarethe Fuchs von Mannstein, welche diese Veranstaltung unterstützt, zur Verfügung gestellt. Die Veranstaltung und die geplante Berichterstattung in den Medien sollte sie überzeugen, dass dieses einzigartige Gebäude vielen Menschen am Herzen liegt und eine Zukunft haben kann.

Das äußerst umfangreiche Programm wird von unzähligen Künstlerinnen und Künstlern, Kreativen, Musikerinnen und Musikern gestaltet. Wie schwierig oder leicht war es, sie zu motivieren, da sie ja alle, sozusagen, ehrenamtlich und gratis auftreten?

Alle, die mitmachen, waren sofort von der Idee begeistert; ihnen geht es nicht um eine Gage, sondern um das Dabeisein und die Unterstützung einer Idee und Initiative, die für die Zukunft unseres Landes von einiger Wichtigkeit sein kann. Wir haben relativ spät mit der Organisation begonnen, da es nicht leicht war, einen Termin festzusetzen, der für alle gut ging und so waren leider einige Künstler entweder schon anderweitig verpflichtet oder hatten schon den Urlaub geplant.

Nennt uns doch ein paar Highlights…

Wir möchten niemanden bevorzugen oder benachteiligen, alle, die sich einbringen sind für uns gleich wichtig! Aber ganz besonders möchte ich Elisabeth Hölzl danken, die vor Kurzem die Erlaubnis erhalten hat, im Hotel Fotos zu machen. Es sind wunderbare Bilder geworden, welche die verbliebenen Kostbarkeiten im Inneren des Hauses zeigen. Sie stellt uns eine Serie von neun Motiven für das Fest zur Verfügung. Der Erlös aus dem Verkauf der Postkarten dient zur Spesendeckung des Festes. Die Musikgruppe [ane'sik] von Harald Kofler, der Akustik-Gitarrist Rolando Biscuola aus Meran und die Gruppe Jacopo Falchi aus Città di Castello in Umbrien lockern die gesamte Veranstaltung auf. Sie bringen zwischen Kurzvorträgen über das Hotel Paradiso und weiteren alpinen Bauten, Erzählungen von Zeitzeugen und Diashows Leben in die Sache. Der Künstler Stefano Cagol, der auch auf der Biennale in Venedig präsent ist, überrascht uns mit seiner Performance “Confini”, die er in Zusammenarbeit mit Dolomiti Contemporanee vorführt. 

Weiters haben sich unheimlich viele Menschen gemeldet, die interessante Unterlagen zum Hotel Paradiso mitbringen, sei es alte Dokumente als auch Vorschläge für eine Wiederverwendung. Die Erzählungen der Zeitzeugen dürften auch zur Unterhaltung beitragen. Der Höhepunkt des Festes ist jedoch wohl der Workshop, in dem ganz unterschiedliche Menschen, von Planern bis Unternehmern, von Touristikern bis Künstlern sich Gedanken machen, wie das Hotel Paradiso aus seinem Dornröschenschlaf geholt werden kann. Nicht zu vergessen ist, das sich das Fest auch an Familien richtet, die so einen Tag in der wunderbaren Bergwelt verbringen können und entdecken, welche Schätze unser Land so verbirgt: Der Alpenverein wird sich um die Betreuung der Kinder kümmern, in einem Workshop wird die Architektin Rosita Izzo mit Kindern an möglichen Zukunftsträumen für das Hotel basteln…

Erklärt uns ein wenig genauer, was das Interessante und Einmalige an diesem Hotel ist? Es gibt in Südtirol doch gar so einige leer stehende, halb verfallene Gebäude…

Gerade hier setzt unsere Aktion an: Es ist schade, dass wir in Südtirol einige einmalige Gebäude dahin dümpeln lassen und die Gegend mit austauschbarer Allerweltsarchitektur vollbauen. Diese einmaligen, mit dem Ort verwachsenen Objekte müssten verstärkt ins Blickfeld gerückt werden, da nicht nur Einheimische sich so mehr mit der Geschichte auseinander setzen könnten, auch der Tourist sucht verstärkt nach besonderen Orten. Das Hotel Paradiso ist Ausdruck der Moderne der 30er Jahre; ähnliche Gebäude finden wir auch in Monte Pana oder auf der Seegrube bei Innsbruck. Die Schlichtheit des Gebäudes, die Linie, die sich ganz auf den Platz und das Gelände bezieht, die Ausrichtung, welche auf die Bergwelt eingeht, die klare und doch vielseitige grafische Gestaltung des Inneren durch Gio Ponti hat auch heute noch Gültigkeit. Und der Ort selbst hat etwas Mystisches, der durch diesen Baukörper nicht gestört, sondern mit ihm Eins geworden ist…

Welche Vergangenheit hat die Ruine?

Es ist eigentlich keine Ruine, wenngleich auch die vorgelagerte Terrasse baufällig ist, da sie ungeschützt dem Wetter ausgesetzt war. Im Innern schlummern noch Schätze wie eine, für damalige Zeiten, sehr fortschrittliche Wäscherei. Gebaut wurde das Hotel in den Zwischenkriegsjahren im Auftrag einer Aktiengesellschaft, von 1933 bis 1935 dauerte der Bau unter Oberst Emilio Penati und dem Mailänder Stararchitekten Gio Ponti. Das Hotel Paradiso beherbergte nur sehr reiche Gäste. Faszinierend, wenn man bedenkt, dass hier bereits in den 30er Jahren Masseure, Skilehrer, Friseure und Konditoren für das Wohl der Gäste sorgten. Eine Sauna, ein englisch gehaltener Lesesaal, eine Taverne und ein Postamt rundeten das Angebot ab. Leider bereitete der 2. Weltkrieg dem “luxuriösen Treiben” im Martelltal ein jähes Ende. 1943 wurde es von der deutschen Wehrmacht besetzt und als Ausbildungslager für deutsche Soldaten genutzt. Im Jahre 1952 ging das Hotel Paradiso an den venezianischen Reeder Bennati über, welcher das Hotel erweitern und rot streichen ließ, es jedoch nie mehr wieder eröffnete. Seit 1966 ist die Familie Fuchs im Besitz des Gebäudes.

Welche Funktion könnte das Hotel in Zukunft haben – wo es doch auch nicht zentral, sondern im hinteren Martelltal liegt… Wie interessiert ist die Eigentümerin Margarethe Fuchs von Mannstein an einer ”Revitalisierung“?

Maragrethe Fuchs von Mannstein erzählte uns, sie und ihre Familie hängen sehr an diesem Objekt, es wäre aber eine eher traurige Geschichte, da sich viele mögliche Investoren gemeldet hätten, aber keiner je angebissen hat. Wir denken, die Investoren, die sich bisher an Margarethe Fuchs von Mannstein gewandt haben, hatten wohl nur die traditionelle Idee eines Luxushotels mit allen notwendigen großen Räumlichkeiten im Kopf. Daher wurde immer davon ausgegangen, dass das Gebäude abgebrochen werden müsste und ein neues aufgebaut, mit extrem hohen Kosten.

Das kann es aber nicht sein: Die Zukunft dieses Zeugnisses moderner Architektur liegt wohl in seiner Einmaligkeit: Es sollte wieder wie eine Schutzhütte (Rifugio Val Martello) mit besonderem kulturellen Anspruch an einem ganz besonderen Ort gesehen werden.

Foto von Elisabeth Hölzl

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