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July 11, 2013

Antonia Zennaro bringt die Reeperbahn nach Bruneck: ”Fotografie ist meine Art die Welt kennen zu lernen“

Kunigunde Weissenegger

Sie ist Fotografin, arbeitet als Fotojournalistin, unterwegs in der ganzen Welt. Erschienen sind ihre Fotoreportagen bereits unter anderem in Die Zeit, Der Stern, Spiegel, Frankfurter Rundschau, Sonntaz, für die sie weltweit unterwegs war und ist. Sie gehört zum Team des weltweiten Fotografen- und Autoren-Netzwerkes Zeitenspiegel Reportagen, das das Gabriel-Grüner-Stipendium und den Hansel-Mieth-Preis vergibt. Sie ist eine Vintlerin, hat die Oberschule in Brixen besucht, ist mit 18 aus Südtirol weg, hat ein Jahr in Paris gejobbt, drei Jahre in Barcelona gelebt und dort die Fotografie kennen gelernt, ist dann nach Rom, um sie drei Jahre am Istituto Superiore di Fotografia zu studieren, ging danach ein halbes Jahr nach Südamerika, kehrte zurück und zwar nach Hamburg, wo sie seither, abgesehen von der einjährigen Unterbrechung für das Masterstudium Fotojournalismus an der Danish School of Journalism in Dänemark, arbeitet – zuerst als Assistentin und nun seit einigen Jahren als freischaffende Fotografin mit einer Agentur. Antonia ZennaroDie Arbeit also, um leben zu können. Aber Fotografie ist ihr Leben, ihre Leidenschaft: 60 Portraits umfasst ihr sehr persönliches, fotografisches Langzeitprojekt ”Reeperbahn“, das 60 Menschen portraitiert, die in den goldenen 60er und 70er Jahren im Rotlichtviertel in Hamburg, angelockt vom schnellen Geld, mehr oder weniger ausschweifend gelebt haben. Leben tun sie auch heute noch dort, doch anders: Der Stadtteil hat einen Wandel erlebt und so auch die Menschen dort, die sich zurückgezogen haben in Kneipen und ins Hotel Hongkong und sich nur noch zurück erinnern können… Damals hatten sie auch noch alle eine Arbeit…antonia zennaro - franzmagazineDas Ergebnis dieses Wandels hat Antonia Zennaro in vier Jahren Arbeit und intensiven Kontakts mit den Protagonistinnen und Protagonisten mit der Kamera dokumentiert. Viele sind Freunde geworden, einige sind unnahbar geblieben… – Wo hört Fotografie auf, wo fängt Freundschaft an – diese Frage hat sie sich oft gestellt. Um das Projekt schließlich abzuschliessen, hat sie aus eigenem Antrieb, wie sie betont, die Portraits, begleitet von Texten von Anna Hunger, Konrad Lorenz, Joska Pintschovius und Rocko Schamoni, in ein Buch gefasst und mit dem Titel ”Reeperbahn“ im Prestel Verlag herausgebracht. – ”Das bin ich von 2000 bis 2012.“antonia zennaro - franzmagazine

Am 11. Juli 2013 hat Antonia  in der Fahrradunterführung Nordring in Bruneck ihr fotografisches Langzeitprojekt “Reeperbahn” in Form einer Ausstellung, eines Buches, einer Lesung und eines Gesprächs vorgestellt. Nachtrag am 16. Juli 2013: Wenn ihr sie dort versäumt habt, dann könnt ihr die Eröffnung und das Gespräch hier nach hören: 

Weiters ist es mir eine Freude, euch vielleicht zunächst völlig aus dem Zusammenhang gerissen Antonia Zennaro über einige ihrer Aussagen und, wenn ihr so wollt Lebensleitsätze, vorzustellen. 

Fotografie ist meine Art die Welt kennen zu lernen und ein Mittel, damit auch andere Leute sie kennen lernen können. 

Ich muss die Dinge angreifen können. Ich bin keine Theoretikerin. Alles, was ich kann, lebe ich auch – Sprachen, Reisen – die Fotografie.Für mich gab es bevor ich aus Südtirol weg ging, wenig Veränderung. – Ein Berg verändert sich langsam. Mit dem Fotolangzeitprojekt Reeperbahn habe ich versucht das Vergehende zu dokumentieren, deshalb ist Veränderung für mich nun kein Problem mehr. 

Ich habe einiges ausprobiert (Musik und Theater). Von der Fotografie aber kann ich nie genug kriegen, was bei den anderen Dingen der Fall war. Sie motiviert mich auch zu Disziplin und Kontinuität.

antonia zennaro - franzmagazine

Wenn du ein Thema gefunden hast, das dir gefällt, dann weisst du nicht immer, warum. Es ist ein Gefühl. Dann musst du suchen und verstehst lange selbst nicht, warum – es ist nie einfach für jemanden selbst ein Projekt zu machen. Das stellt sich oft erst am Ende heraus… Bei Reeperbahn war mir am Ende dann klar, dass es dazu kam, weil ich von Vintl bin und ich hier immer eine gewisse Beständigkeit gefunden habe, die es in Städten nicht gibt, dort ist vermehrt alles in Bewegung. Deshalb ist mir nun klar, wieso ich Reeperbahn gemacht habe. 

antonia zennaro - franzmagazineWenn du Projekt machst, wirst du von anderen mit Fragen konfrontiert und musst dich selbst damit konfrontieren. In Südtirol passiert das weniger… hier ist alles bodenständiger, traditioneller, anlehnenshafter…

Für mich gab es, bevor ich aus Südtirol weg ging, wenig Veränderung. – Ein Berg verändert sich ja langsam. Mit dem Fotolangzeitprojekt Reeperbahn habe ich versucht das Vergehende zu dokumentieren, deshalb ist Veränderung für mich nun kein Problem mehr.  antonia zennaro - franzmagazineIch sehe Reeperbahn als einen Teil von mir, bin froh, dass es fertig ist und gehe nun weiter. Die nächsten Projekte müssen anders und besser werden. Ich bin mir bewusst, dass es nicht mein Meisterwerk ist, aber es ist ein Moment in meinem Leben. Diesen Moment von 10 Jahren kann ich nun abschließen. Es ist wie bei einem Umzug. Nun kann ich den nächsten Schritt machen. Oder wie ein Fundament bei einem Haus: Nun habe ich den Keller.Ein fotografisches Langzeitprojekt ist ein Prozess, bei dem du am Anfang noch nicht weisst, was am Ende heraus kommt und was du verlierst oder gewinnst. Schlussendlich gewinnst du aber. 

Es ist wichtig und notwendig, den Prozess eines Projektes abzuschliessen – zum Bespiel mit einem Buch. Damit du besser wirst. Es tut gut zu sehen, dass du etwas geschaffen hast. Nur du allein.  antonia zennaro - franzmagazineProjekte fertig machen und abschließen ist wichtig. Dann kannst und musst du dich an ihnen reiben und wächst an ihnen.

Bei Fotografie musst du in dem Moment, wo du aufhören möchtest, weiter machen und durchbeissen. – Fall seven times, get up eight.  

Mehr über Antonia Zennaro gibt’s hier: www.antoniazennaro.com 

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