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April 22, 2013
Hannah Arendt
Renate Mumelter
„Hannah Arendt“ ist Margarethe von Trottas Film über die Fähigkeit zu denken. Hier sei wiederholt, was bereits in vielen Rezensionen geschrieben wurde: Dem Team Sukowa/von Trotta gelingt es, den unsichtbaren Vorgang des Denkens im Film spürbar darzustellen. Hannah Arendt war eine bedeutende Frau des letzten Jahrhunderts. In Bozen ist zwar eine Schule nach ihr benannt, aber wer sie wirklich war, wissen die wenigsten. 1906 in Hannover geboren, Jüdin, 1933 emigriert, Philosophin, Publizistin. Sie befasste sich mit politischer Theorie, war Schülerin Heideggers, wollte bereits als 17Jährige bei ihm das Denken lernen. Sie promovierte über Augustinus, schrieb über Rahel von Varnhagen, Eichmann in Jerusalem, war verheiratet ohne Kinder – „zuerst waren wir zu arm, dann zu alt“. 1975 ist sie in New York City gestorben. Der Film erzählt nicht die Lebensgeschichte dieser Frau, er schildert die Persönlichkeit am Beispiel einer einprägsamen Episode ihres Lebens. 1961 war Hannah Arendt vom angesehenen „The New Yorker“ beauftragt worden, aus Jerusalem über den Prozess gegen den Nazi-Verbrecher Adolf Eichmann zu berichten. In ihrer Publikation stellte sie damals die These von der „Banalität des Bösen“ auf, jener Banalität, vor welcher „das Wort versagt und an der das Denken scheitert“. Das stieß auf wenig Gegenliebe, denn alle hatten erwartet, die Jüdin Arendt würde vom Monster Eichmann berichten. Eine Erwartung, die sie nicht bedienen konnte, weil sie Anderes sah, einen „Hanswurst“ nämlich. „Was da saß in einem Glaskasten und noch dazu mit einem Schnupfen“ war ein „Nobody“, der als Befehlsempfänger argumentierte und nur „unfähig zu denken“ war. Die Originalbilder vom Prozess, die Margarethe von Trotta als Herzstück in den Film montiert, bestätigen Arendts schmerzhafte Feststellung, und sie setzen Denkprozesse in Gang, u. a. über gefährliche Banalitäten unserer Zeit. Damals hagelte es Anfeindungen, Hannah Arendt blieb bei ihrer These – eine intellektuelle Redlichkeit, die beeindruckt. „Hannah Arendt“ ist ein Film, der mit wachem Geist und offenem Herzen gesehen werden muss, mehrmals gesehen werden kann und sich schrittweise erschließt, wie Arendts Texte, die in Trottas Film wieder zum Klingen kommen.
Hannah Arendt, (D/F/LUX 2012), 113. Min., Regie: Margarethe von Trotta, mit Barbara Sukowa. Kamera: Caroline Champetier. Bewertung: Ein Muss. Im Filmclub Bozen wird der Film mit italienischen Untertiteln gezeigt.
Erschienen in der Südtiroler Tageszeitung am 20./21.4.2013.
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