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April 22, 2013

Atlas eines ängstlichen Mannes. Christoph Ransmayr in Lana

Christine Kofler

Seine Sätze glänzen wie schwere Edelsteine in einer Wüste aus seichter Popliteratur und Romanen, deren Halbwertszeit in etwa den Tagesschau-Themen entspricht. Christoph Ransmayrs Werke sind keine leichte Bettlektüre, keine Bücher, die du eben mal zur Überbrückung von Wartezeiten zu Ende liest. Seine Werke – oder besser: seine Sprache – hat Bestand, die Zeit kann ihr nichts anhaben. Im Gegenteil: Je mehr die Sprache versandet, umso heller leuchten seine Sätze und umso eindringlicher sind seine bildmächtigen Traumwelten. Und wahrscheinlich ist es kein Zufall, dass Ransmayrs bekanntestes Buch aus dem Jahre 1988, das vom Feuilleton in den Himmel gelobt und von den Lesern euphorisch aufgenommen – eine Kombination, die nicht alle Tage vorkommt – von einem Werk handelt, das der Zeit ebenso getrotzt hat.

„Die letzte Welt“ kreist um die Abschrift der „Metamorphosen“, des Hauptwerkes des legendären, exilierten römischen Dichters Ovid.
Dass Ransmayr keine literarische Eintagsfliege war, hat er seitdem hinlänglich bewiesen: In Morbus Kithahara erschafft der Autor eine Alternativwelt-Dystopie zwischen Zeitgeschichte und Fiktion, in „Die Unsichtbare. Tirade an drei Stränden“ versuchte er sich an einem Bühnenstück und in „Der fliegende Berg“ bedient er sich des Versepos als Form. An Preisen hat der Oberösterreicher eigentlich schon alles gewonnen, was die Literaturwelt so hergibt, vom Franz-Kafka-Preis über den Nestroy-Theaterpreis bis hin zum Österreichischen Kunstpreis für Literatur. Seine poetische Sprache und stilistische Eleganz geben Jurys immer wieder Anlass zu Lobeshymnen.

Und nun ist sein neuestes Buch erschienen, „Atlas eines ängstlichen Mannes.“ Und auch hier erkundet Ransmayr neue literarische Formen, das Buch ist kein Roman, sondern eben ein „Atlas“. Ein erzählter Atlas der Welt oder eine in siebzig Episoden gegliederte Erzählung. Diese Episoden folgen den Erinnerungen eines Menschen an Begebenheiten, Gestalten und Orte eines Lebens. Die Geschichten sind nur durch das „Ich“ verbunden, der Leser kann den Atlas des ängstlichen Mannes wie einen kartographischen Atlas aufschlagen, am Ende, am Anfang, in der Mitte. „Schließlich kann,“ so Christoph Ransmayr in einem Interview, „in unserer Erinnerung etwa ein verfallener Bootssteg an einem See im Brandenburgischen durchaus neben einem Pfahlbau am Oberlauf des Yangtsekiang aus dem Wasser ragen“.

Wer nun neugierig geworden ist, kann dem wortgewaltigen Dichter morgen Abend, 23.4.2013 ab 20 Uhr im Rahmen der Bücherwürmer-Veranstaltung „Literatur Lana“ lauschen und sich auf eine Reise durch Kontinente, Zeiten und Seelenlandschaften begeben. Die Einführung macht Elmar Locher.

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