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April 17, 2013

Vilnius Dreams. Space Travelers in der ar/ge kunst Galerie Museum

Maximilian Lösch

Es klingelt das Telefon, Kunigundes Stimme lenkt die Aufmerksamkeit in unendliche Weiten und in die Museumsstraße, arge Künste und litauische Künstlerinnen, Geschichten von Kuratorinnen und anderen fremden Menschen, Namen, die noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat, Bilder und fremde Orte in einer nicht genauer definierten Sternzeit 70735.

Mit Fahrrädern, mehrdimensional durch den Hyper-Bozen-Space reisend, zur Mitte des kosmischen Tages an der Tür angelangt, Notizen in rot, Fotos vor Fotos, mit Babelfischen im Ohr und universalübersetzend…

Nun gut. Ich war in der ar/ge kunst Galerie Museum, am Morgen vor der Vernissage. Ein Treffen mit der Kuratorin der Ausstellung “Space Travellers” welche am 05.04.2013 eröffnet wurde. Es stellen die litauischen Künstlerinnen und Künstler Kristina Inčiūraitė, Cooltūristės, Ugnius Gelguda und Neringa Černiauskaitė ihre Werke aus. Ich kam an und wir haben auch gleich angefangen über die Ausstellungsstücke zu sprechen. Die Kuratorin Laima Kreivytė ist selbst im Space-Viertel von Vilnius aufgewachsen, von dem einige Werke dieser Ausstellung handeln.
Ein kurzer historischer Kontext: In der ehemaligen UdSSR gab es in jeder größeren Stadt einen Stadtteil, der der Erforschung des Weltraums von Seiten der sowjetischen Macht gewidmet war, also Geschäfte mit dem Namen “Merkur”, Straßenbahnstopps “Mond” genannt, Kaffee „Milky Way“ usw.
Wie die Kuratorin selbst im Gespräch sagte, war es fast surreal in so einer Umgebung aufzuwachsen, und wenn man dort Kinder in der Grundschule fragte, “was möchtest du machen, wenn du groß bist”, dann war die Antwort der meisten: “Kosmonaut”. Und so findet man am Eingang der Galerie auf der linken Wand gleich ein riesen Foto vom Fernsehturm von Vilnius, der noch nicht fertiggestellt ist und vor dem das Geschäft “Merkur” thront. Man ist sofort in diese andere Welt hinein-versetzt, eine Reise in die Vergangenheit. So auch das Video von Coolturistes mit einer inszenierten Mondlandung (inspiriert am Mythos von Kubrik, der die “echte” Mondlandung inszeniert haben soll) auf einem Space-Spielplatz, ein Dialog mit dem Bestehenden, ein Austausch durch Architektur, eine Reise in die Vergangenheit mit Hilfe der Erinnerung.
Laima erklärt mir, dass neben den an der Raumfahrt inspirierten Namen, die Litauer jener Zeit auch Namen aus Volksmythen einschmuggeln konnten, so wie eine Donner- oder Blitz-Straße. Litauer bezeichnen sich gerne als die letzten Heiden Europas und genau an jenem Kontext sind diese Namen inspiriert. In einem kommunistischen Land, wo die Tendenz bestand, jegliche Eigenheiten der einzelnen Völker vor dem sozialistischen Ideal der Gleichheit zu unterdrücken, fanden die Menschen trotzdem Wege, Splitter der eigenen Kultur mit einzubringen. Und wer konnte etwas gegen den Namen “Donner” einwenden… Die Menschen mussten damals kreative Wege finden, um sich auszudrücken, wie ein Video aus den 80ern, wo ein roter Staubsauger alles um sich herum auffrisst (nicht in der Ausstellung). Die Botschaft war klar – dennoch, was konnte die Zensur dagegen einwenden…
Ein anderes Thema, das in der Ausstellung aufgegriffen wird, ist das Verhältnis von Mann und Frau und der immer noch sehr männlich geprägten Kunstszene und den Kunstinstitutionen Litauens. Von den über 100 “National Art Prices” in den verschiedenen Kategorien wurden seit 1991 vielleicht 10–15 Preise an Frauen verliehen. Ugnius Gelguda und Neringa Černiauskaitė thematisieren dies in den Fotos der phallischen Architektur der Plattenbauten und Türme oder Kristina Inčiūraitė im Video, wo sie “ahnungslose” Männer von der Bushaltestelle bis nach Hause verfolgt, aufgenommen aus der Ferne und mit einer sehr beängstigenden Musik im Hintergrund.

Das Gespräch war sehr aufschlussreich und ich finde, man sollte sich die Zeit nehmen, einzutauchen in diese so ferne, aber vielleicht auch bekannte Welt. Dankeschön!

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