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April 4, 2013

Bozner Autorentage 2013: Gezeiten, Backhendln, geschlossene Höfe. Dramatisches von Simon Cazzanelli, Lissy Pernthaler, Carla Thuile

Kunigunde Weissenegger

Die Bozner Autorentage (es sind auch Autorinnen dabei, keine Angst!) des VBB und des Südtiroler Künstlerbundes müssten hierzulande inzwischen ein Begriff sein, zumindest gehört haben’s viele mal. Jedenfalls geht es darum, dass junge Autorinnen und Autoren (bis 40 Jahre) zunächst jedes Jahr beim VBB ihre Texte einreichen können, von einer Fachjury werden die besten drei ausgewählt und arbeiten dann an mehreren Wochenenden in Zusammenarbeit mit einem Theater-Fachmenschen an mehreren Workshop-Wochenenden an ihren Stücken weiter. Die Ergebnisse der drei werden dann bei den Autorentagen szenisch gelesen. Am Freitag, 5. April um 20 Uhr also auf der heurigen Autorentage-Bühne zuerst der Dramatiker Björn Bicker mit der Eröffnungsrede und dann die Gewinnerinnen und der Gewinner von 2013: „Gezeiten. Ein Stück Ebbe und Flut“ von Lissy Pernthaler, „Blog und Backhendl“ von Simon Cazzanelli und „Geschlossener Hof“ von Carla Thuile, gelesen von Katharina Gschnell, Nevena Nena Lukic, Hannes Perkmann, Marco Schaaf und Antonia Tinkhauser. Welches Stück dann gewinnt (auch die 2.500 Euro von der Stiftung Südtiroler Sparkasse) und letztendlich in der VBB-Saison 2014/15 aufgeführt wird, entscheiden Björn Bicker (Autor), Gerti Drassl (Schauspielerin), Georg Mair (Journalist), Ina Tartler (Dramaturgin) und IHR, das Publikum! (Das Siegerstück „foreignstr. 19“ der Bozner Autorentage 2011 von Joachim Goller wird im Übrigen heute uraufgeführt – hier der Link zum Interview mit ihm.)

Also Bühne frei für die drei – morgen; und hier zunächst mit der Antwort auf die Frage: Die Bozner Autorentage 2013 verstehen sich als Plattform für junge Autorinnen und Autoren, die in Süd-, Nord- oder Osttirol geboren bzw. hier ansässig sind. Welche Themen sind dir als junge Autorin oder als junger Autor wichtig auf die Bühne zu bringen? – Spielt es dabei eine Rolle, ob das Publikum in Südtirol sitzt oder ist das einerlei? – Denkst du globaler…?

Lissy Pernthaler
Das Schreiben und ich sind schon sehr lange befreundet. Dass ich Theaterstücke schreibe, ist aber noch ganz neu. Ich komme zwar selbst vom Theater, denn ich bin Schauspielerin, aber dass ich mir sage: ja, da gibt es ein Thema, das jetzt keine Kurzgeschichte oder ein Gedicht wird, sondern ein Theaterstück, das hat es nicht bewusst gegeben. Bei mir findet jeder innere Funke ganz automatisch seine passende Ausdrucksform. Im Fall meines ersten abendfüllenden Theaterstücks “Gezeiten. Ein Stück Ebbe und Flut”, war es zuerst ein Bild, das ich im Kopf hatte, kein Thema. Es war ein abstraktes Seelenbild, in dem sich drei Frauen aus unterschiedlichen Generationen begegnen. Von dieser fast schon choreographischen Szene aus, ist mein Stück im Kern entstanden. Dass es diese Szene im Stück jetzt nicht mehr gibt, ist gar nicht schlimm, sie hat mich auf die richtige Spur gebracht und das Thema, welches mein Stück nun mit sich bringt, nämlich ein Teil Südtiroler Geschichte – die Optionszeit und ihre Nachwirkungen bis in die heutige Zeit – bildet die Rahmenhandlung für Emotionen, Begegnungen und Konflikte.
Es geht mir beim Schreiben um eine Mischung aus anthropologisch-psychologischem Ansatz, um Seelencharakterstudien durchzuspielen, zu schauen, wie verhalten sich bestimmte, von mir erfundene Menschen, die natürlich immer irgendwie aus dem Leben gegriffen sind, in bestimmten Situationen. Da es in meinem Fall ein “Südtiroler Thema” ist, ist es mir schon wichtig, dass das Stück für die Menschen von hier eine Tangente ist. Durch das Thema können sich die Südtiroler sicher mehr damit identifizieren. Aber im Grunde kann man natürlich diese Themen und emotionalen Achterbahnen auf jedem historischen oder aktuellen Nährboden der Welt ausbreiten. Aber da ich “eine von hier bin”, ist es mir wichtig, meine Herkunft zu verstehen. Wir alle beschäftigen uns ja früher oder später mit den Themen “Heimat” und “Ursprung”. Ich muss bei mir und meinem Umfeld beginnen, um dann über die Welt und ins Universum blicken zu können. Wie innen so außen, wie oben so unten. Global ist dabei nur der Fakt, dass wir alle Menschen sind und ein oder mehrere Lebensmodelle in diesem Leben durchspielen, um göttliche Erfahrungen zu machen.

Carla Thuile
In “Geschlossener Hof” geht es zunächst um einen Generationenkonflikt, die junge Generation will unabhängig sein, mitgestalten, in ihrem Wesen akzeptiert werden, einen ehrlichen Zugang zur Vergangenheit und eine gesicherte Zukunft haben. Gleichzeitig zeigt der Text auch ein Stück Südtiroler Mentalität. Deshalb ist dieser Text hier verankert und für ein südtirolkundiges Publikum geschrieben. Andere Themen wie etwa Lebensfreude, Identität oder die Sinnsuche lassen sich ortsunabhängig erzählen, denn im Grunde ticken die Menschen überall gleich. Mein persönliches Lieblingsthema ist die Freundschaft, denn diese zwischenmenschliche Beziehung ist so vielseitig und wandelbar und lässt sich wunderbar mit anderen Themenfeldern verstricken aber auch mit Ironie betrachten.

Simon Cazzanelli
Ich habe nie versucht ein Stück zu schreiben, dass meine Generation widerspiegelt. Ich muss zugeben, ich habe es versucht. Schlussendlich dann habe ich mich doch einer Thematik angenommen, die eigentlich stellvertretend für die Entwicklung der letzte Jahre ist. Das Internet und die ganze World Wide Welt rundherum. Lässt sich unser Leben einfach eins zu eins digitalisieren und auf 15 Zoll Bildschirmdiagonale zusammenfassen? Das Theaterstück ‘Blog und Backhendl’ versucht diese und noch weitere Fragen zu beantworten. Ich muss zugeben, ich habe es versucht. Ich als Autor kann nur Inhalte verarbeiten, mit denen ich unmittelbar zu tun habe. Und naja, das Internet scheint mich fast besser zu kennen als meine beste Freundin.
Südtirol spielt keine Rolle. Weder auf der Bühne noch in meiner Arbeit als Schreiber. In der vernetzten Welt von heute ist im Grunde die ganze Welt unsere Spielwiese und Inspirationsquelle. Ich wohne seit nunmehr vier Jahren in Graz und habe mit der Alpenprovinz nur noch sehr wenig Kontakt. Gerade deshalb habe ich mich auch sprachlich weiterentwickelt und den ein oder anderen Austriazismus angenommen und in meinem Stück angewandt. Für die Vereinigten Bühnen Bozen kann es sicher von Bedeutung sein, ob das Publikum aus Südtirol kommt, denn es ist ja deren Publikum. Leicht mache ich es nicht, dem Publikum. Ich muss aber zugeben, ich habe es auch nie versucht.

Nach dem Freitag, der ganz der Dramatik gewidmet ist, am zweiten Abend, am Tag drauf, am Samstag, 6. April, immer um 20 Uhr: Lyrik und Prosa von Greta Ferrari („Origami“), Martin Verdross („Hört halt weg“) und Gerd Sulzenbacher. Zwei Urgesteine der Literatur – verglichen mit den jungen Autorinnen und Autoren – nämlich Andreas Jungwirth und Ferruccio Delle Cave, werden sich dann mit den Jungen über „Junges Schreiben heute“ unterhalten. Abschließend wird The Artificial Harbor die Bühne rocken – auch deshalb mein ich: Hingehen und Ohren auf!

Foto: Sissa Micheli

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