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April 2, 2013

Harte Zeiten: Los amantes pasajeros

Renate Mumelter

Pedro Almodóvar hat mit „Los amantes pasajeros“ die wohl schrägste und bissigste Kinokomödie der letzten Jahre inszeniert. Nichts an dieser grotesken Parabel ist gefällig, alles ist schrill, so schrill wie die Zeiten, in denen wir leben. Almodóvars Kommentar zu diesen Zeiten knallt in gewohnt glasklaren Bildern diesmal in Neonfarben auf die Leinwand und spielt in einem Flugzeug. Der Flieger gehört einer symbolträchtigen Península Lines. Damit ist die spanische Halbinsel gemeint, die italienische könnte gut mit gemeint sein. Der Flieger hat eine Havarie und kann deshalb nicht ins kriminelle Mexiko aufbrechen. Er muss über Spanien kreisen, bis ein freier Flughafen für die Notlandung gefunden wird. Während dieser Runden müssen die Passagiere (das Volk) von der Notlage abgelenkt werden. Nachdem die einfachen Leute in der Touristenklasse einfach sediert wurden, startet das Programm für die Elite. Ein Trio von schwulen Stewards legt los, so schräg und tuntig wie das nur Almodóvar inszenieren darf, ohne der Diffamierung bezichtigt zu werden. Im Cockpit lenken zwei Piloten die Geschicke, einer heißt Benito, beide sind sexuell desorientiert, der eine ist bi, der andere glaubte, hetero zu sein. Zur Elite in der Nobelklasse zählen ein frisch verheiratetes Paar, ein undurchsichtiger Mexikaner, ein eleganter Glatzkopf, der sich mit Flugzeugen auskennt, eine jungfräuliche Sensitive, die den Tod riechen kann, ein schöner Filmstar (männlich) und eine Edelnutte (Domina). Zwischen Tequila, Cocktails und Mescalin nimmt das Geschehen Fahrt auf, bis der Flieger auf einem menschenleeren (weil betrügerisch gebauten) Flughafen mit Hilfe deutlich pensionierter Fluglotsen im alles verhüllenden Schaum landet. Anspielungen auf die Realität seien unbeabsichtigt, heißt es im Vorspann auffällig, will also heißen: alles Absicht. Almodóvar erinnert mit seiner moralischen Parabel an Bert Brecht. Mit dem Namen „Chavela blanca“ auf dem Flugzeugrumpf setzt er der mexikanischen Sängerin Chavela Vargas ein Denkmal. Sie starb am 6. August 2012 mit 93 Jahren, liebte Tequlia und hat sich mit 81 geoutet.

Vermutlich werden gar einige Kopf schüttelnd aus dem Kino gehen. Ich habe den Film sehr genossen und immer wieder zu laut gelacht.

Los amantes pasajeros, (E, 2013), 90 Min., Regie Pedro Almodóvar, Kamera José Luis Alcaine. Bewertung: Umwerfend.

Erschienen in der Südtiroler Tagesezeitung vom 30./31.3.2013

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