Culture + Arts > Literature

March 25, 2013

Cognac & Biskotten macht Schluss? Abgesang auf eine große Idee

Wolfgang Nöckler

Am Mittwoch, 27. März 2013, wird voraussichtlich zum allerletzten Mal eine Ausgabe (#35) von Cognac & Biskotten, dem Literaturmagazin mit dem Wow-Aha-Effekt, erscheinen – und zwar in einem Innsbrucker Bunker (!). Wie es bei Co&Bi Tradition ist, ist der Ort der Präsentation ein besonderer – und dem Thema der Ausgabe entsprechend. Endzeitstimmung ist angebrochen. Grund genug, um für franzmagazine nachzufragen, wieso nun nach 16 Jahren des literarischen Wow-Aha Schluss sein soll mit den immer wieder neuen Darbietungsorten und -formen. (Aktualisierung 29.3.2013: und das war’s – hier geht’s zu den Fotos.)

Das Tiroler Literaturmagazin Cognac & Biskotten (Herausgeber ist der gleichnamige Verein) entstand 1998 in Innsbruck und erscheint seither zweimal pro Jahr. Das heißt: in Kürze muss es heißen: erschien. Denn das Ende ist nah.

Der Hauptunterschied zu konventionellen Literaturzeitschriften ist sicherlich das sich von Ausgabe zu Ausgabe verändernde Format bzw. Trägermedium (u. a. Tragtasche, Tischdecke, Semmel von Schriftrolle durchbohrt, bedruckte Straßenbahn).

Die literarische Straßenbahn (Ausgabe #25)

Das Format jeder Ausgabe hängt vom Überthema (u. a. Fußball, Musik, Chaos, Kindheit, Anerkennung) ab, das im Mittelpunkt der Ausgabe steht. Außerdem sollen der Ort der Präsentation (u. a. Fußballstadion, Postamt, Schule, Kindergarten, Waschsalon) und die Präsentation selbst das Überthema vermitteln und den Inhalt unterstreichen (so ist zum Beispiel Ausgabe Nr. 18 zum Thema „Dekadenz & Askese“ als MPREIS-Einkaufstasche erschienen und, standesgemäß, im Supermarkt präsentiert worden.

Gastauftritte (u. a.von Hermes Phettberg, Michael Köhlmeier, Franzobel, Felix Mitterer) und Gastbeiträge von Seiten namhafter Persönlichkeiten (u. a. Robert Schindel, Kurt Lanthaler, C. W. Bauer, Barbara Hundegger, Peter Turrini) sollten dabei auch den unbekannteren AutorInnen zu gute kommen. Ein Unterschied muss noch festgehalten werden: Wenn das Literaturmagazin auch einschlafen wird, der gleichnamige Literaturclub wird mit alter Rotationskraft weiter für Furore sorgen. Ich sprach fürs franzmagazine mit Thomas Schafferer, dem Mastermind hinter dem Cognac…

Thomas… Ist es aus? Wird Cognac & Biskotten aus der Tiroler, der österreichischen Kulturlandschaft verschwinden?

Nein. Cognac & Biskotten geht auf jeden Fall weiter als Literaturclub. Doch das Literaturmagazin könnte die letzte Ausgabe sein, ja. Ich will nicht ausschließen, dass es irgendwann wieder eine Ausgabe geben könnte, aber ich denke: wenn das jetzt ein schöner Abschluss ist, dann ist es ein würdiges Ende, dann bin ich sehr happy… Es war halt einfach so, dass dieses Projekt jetzt – mittlerweile schon 16 Jahre lang – sehr an mir gehangen ist (mal mit mehr Hilfe von anderen, mal mit weniger) und entsprechend schon auch viel an Energie gekostet hat. Natürlich hat es mir aber auch sehr viele Sachen ermöglicht. Aber es ist nicht unaufwendig, sind doch jedes Jahr die zwei Fixtermine zu organisieren, meinem Anspruch gemäß an einem neuen Ort, den du noch nie bespielt hast, zu einem eigenen Thema, mit einer speziellen Ausgabe usw. – und, so schön es ist,  das raubt halt doch Energie und Zeit. Aber es gibt schon Einiges an Nachfolgeideen.

Das denke ich mir. Deinem Kopf und deiner Umtriebigkeit entsprechend ginge das nicht anders, oder?

Ganz genau. Nachdem ich demnächst verstärkt in den Bereich Musik, Singer-Songwriter-Gschichtln und so reingehen möchte, aber auch das Bücher-Schreiben, das Roman-Weiterbringen nebenbei etwas liegen geblieben ist, ist es jetzt mal ganz okay, wenn das Magazin nach all den Jahren eingestellt wird. Weißt du, ich leb ja auch so. Ich leb in dem Moment. Wenn ich lese, wenn ich was mache, dann bin ich drin in dem Moment. Wenn ich das Magazin mache, bin ich voll drin. Und wenn ich nach dem Event feiere, dann bin ich da auch voll drin. Da muss ich dann halt durch, am nächsten Tag…

Ein sehr ungewöhnliches Magazin. Wie kam’s überhaupt zur Idee?

Die Idee war, eigene Texte unters Volk zu bringen. Das war zusammen mit Melanie Steiner, Geiwi-Turm, 1998. Zuerst wollten wir ein TV-Magazin machen, was sich dann schnell auf die literarische Schiene verlegt hat, da Fernsehen zu aufwendig gewesen wäre. Und da in dem Kurs damals auch ein Münchner war, der ein Fanzine herausgegeben hat (das „Fernseher und Bananen“ geheißen hat), im A5-Format, haben wir gesagt: Das wär eigentlich eine coole Idee, ein lockeres Medium, um unsere Texte unters Volk zu bringen, bei Poetry-Slams z. B. So hat sich das dann ergeben… und es ist auch jetzt noch so. Ich will nicht für jemanden Fremden was herausbringen, es ist für diejenigen, die da dabei sind: eine Publikationsmöglichkeit, eine Auftrittsmöglichkeit. Mein Ansatz war immer, andere Leute mit einzubeziehen, zu vernetzen, zu pushen. Und dann ist das eben gewachsen. Dann haben wir gesagt: Ok nächstes Mal machen wir dann… …mal eine Musikkassette (das war Ausgabe 3) oder Ausgabe 6 hat z. B. Christian „Yeti“ Beyrer sehr kreativ gestaltet mit zwei Leinwänden mit Scharnieren, dazwischen die Ausgabe, ein paar Gimmicks dazu. Aber damals gab’s noch nicht das Konzept: Thema – Format – Ort, die Hand in Hand gehen.

Das heißt, die ganze Sache ist immer weiter gewachsen…

Genau, das war eine Weile so, ein bisschen ausprobieren, schauen. Bis ich dann 2002 gesagt habe: so, das Konzept ist jetzt so – so rund wie möglich. Es sollte ein Konzept- ein Gesamtkunstwerk sein, in sich schlüssig. Und nichts Verstaubtes wie ein einfaches Heftl mit immer dem gleichen Layout. Es sollte sich unterscheiden, etwas sein, das man im Kopf behält, inklusive dem Ausschenken von Cognac und Biskotten.

Wie waren die Resonanzen?

Zu Beginn war es eine totale Freundschaftsgeschichte. Und es ist um Party gegangen. Wir haben Party gemacht, einen DJ eingeladen, dazwischen gelesen, die Ausgabe ausgegeben. Da war die Resonanz natürlich sehr gut. Aber es hat sich halt schon bald rausgestellt: die Ausgaben, das komische Format sind ein Problem. Denn solche extravaganten Geschichten lassen sich sehr schwer in Buchhandlungen verkaufen, vertreiben. Und je nach der Ausgabe war die Resonanz dann sehr unterschiedlich. Bei der Straßenbahn zum Beispiel – es war okay, aber eigentlich hätte ich mir noch etwas mehr Resonanz erwartet. Die Printmedien haben uns behandelt, aber das Fernsehen  beispielsweise hat uns einfach nicht wahrgenommen. Die haben uns blockiert, was eigentlich vollkommen unverständlich war – ich meine, eine ganze Straßenbahn, innen und außen voll Literatur, die Präsentation in der Remise, noch dazu zum 10jährigen Jubiläum von Co&Bi, also, da hätte ich mir, ehrlich gesagt, mehr erwartet. Die Resonanz sonst… naja… dass das Magazin sich verkauft, das war immer eine Utopie. Die haben wir eigentlich immer nur so verteilt, soll ein Geschenk sein.

Das heißt, die Finanzierung ist entsprechend auch immer sehr schwierig gewesen?

Ja. Am Anfang, bis 2001. Dann haben wir erstmals eine Subvention bekommen. Ab da hat es mit der Subventionierung halbwegs funktioniert, natürlich immer am lowest level, dass das Ding eben gedruckt werden konnte, aber zu Beginn habe ich das selbst bezahlt. Das heißt, zum Teil, als ich noch studiert habe sogar meine Eltern; sie haben gesagt: kimm, do hosch an Tausnda – damals natürlich noch Schilling und wir haben dann mit einem Tausender den Druck gemacht, mit einem Tausender die ganze Veranstaltung organisiert. Also alles selber kopiert, da war noch nix mit Hochglanz.

Du kannst zurückblickend also sagen: es war eine ziemlicher Weg, eine gewachsene Sache eben.

Oh ja, auf jeden Fall. Extrem. Und ist professioneller geworden, by doing. Es waren immer wieder Schritte, wo man dazugelernt hat. Einerseits beim Ausgaben machen, aber auch beim Organisieren von Veranstaltungen. Und doch gibt es immer wieder Anlässe, wo du schwimmst, an allen Ecken und Enden, bei etwas, das du noch nie gemacht hast wie bei der Demo, der ProteXt-Aktion… aber ich kann mich nicht zurücklehnen und jedes Mal das Gleiche machen – so eine klassische Literaturzeitschrift. Das wäre nichts für mich.

Mir geht’s nicht im Sinne eines Wirtschaftsgedanken, immer neu, immer… Und am Anfang musst du vielleicht auch einiges öfter machen, breiter treten, damit du gehört, wahrgenommen wirst. Aber ich möchte doch immer wieder etwas Neues erfinden, das ist schon mein Anspruch.

Die Buchebene ist eine andere, die haben wir ja auch noch dabei. Den Verlag. Pyjamaguerrilleros. Da haben wir mittlerweile auch schon 12 Titel verlegt. Wir sind bei allem, was wir machen, mit der Guerilla-Taktik unterwegs: Unterwander das System, mach’s besser, lass dich nicht ausbremsen. Ich will nicht für die Schublade produzieren, nicht ungefiltert nach außen brettern. Aber ich will nicht zu lange Anlaufzeiten haben bei den Dingen und ich sag dann relativ schnell mal: So, jetzt gehen wir damit an die Öffentlichkeit.

Was waren die Highlights?

Natürlich die Straßenbahn. Die Idee hat ja 5–6 Jahre gebraucht, bis ich sie realisieren konnte. Bei der ersten Sitzung, in der es um die Finanzierung gegangen ist, damals, ist die Idee in hohem Bogen rausgeflogen. Im Jahr darauf habe ich wieder eingereicht und da ist sie sofort angenommen werden. Andere Jury…

Und dann war die Frage: Was machen wir jetzt? Nach einer Straßenbahn. Dann kam eben etwas kleines, die literarische Medikamentenschachtel. Aber wie ich schon gesagt habe: Es geht nicht darum, sich immer wieder zu toppen. Es geht um Anti-Kommerz. Auch um Sachen, die nicht erwerbbar sind, sondern vielleicht nur erlebbar (wie etwa die literarische DemonstraKtion). Und eben, ein Highlight wird sicher auch die Endzeit-Ausgabe sein.

Erzähl!

Die Präsentation in einem unglaublich weitläufigen Luftschutzbunker – das ist so ein gewaltiger Ort! In der Karwoche; die Farbe der Konservendose ist liturgisch violett; in der Dose drinnen dann die Ausgabe, und ein Cognac, sowie ein Strohhalm zum Festhalten – weißt eh: Endzeit. Und das ist alles selbst gemacht. Dosenproduzenten, bei denen ich angefragt habe, haben mir gesagt, dass es nicht möglich ist, das mit der Ausgabe zu verschweißen. Aber wir haben einen Weg gefunden – und das ist es eben: Wenn’s in sich stimmig ist und du das Ding dann in der Hand hast – jede gelungene Ausgabe ist ein Highlight.

Wer also zur Präsentation kommt, darf sich was erwarten?

Eine echt geile Sache. Alle Lesenden lesen zweimal, im Bunker aufgestellt. Das Publikum wird in zwei Gruppen durch den Bunker geführt, am Anfang gibt es so eine Art Rattenfänger mit Akkordeon. Die Texte sind strukturiert. Ich habe 35 Texte ausgewählt, weil: Ausgabe Nr. 35. Und es geht so vor sich: Menschheit am Abgrund – vor der Apokalypse, Texte dazu, dann Apokalypse, dann Post-Apokalypse, und ganz am Ende so eine Art “lasst uns noch mal anstoßen auf das letzte Mal” usw. – also es lohnt sich echt, sich das anzuschauen. Denn, wie gesagt: Es ist die letzte Möglichkeit.

Ja, das klingt echt interessant.

Ich mag keine Lesungen, die so steif und langweilig sind. Da habe ich lieber auch wieder mal Leute dabei, die einfach zum ersten Mal lesen, wo vielleicht auch mal etwas schief geht. Ich will unterhalten, berühren. Inspirieren.

Und ein Stück weit auch auffallen?

Ja, natürlich. Der Wow-Aha-Effekt. Ich mag einfach nichts Verstaubtes, und versuch etwas dagegen zu tun. Das Bemühen ist da, etwas anderes zu machen. Etwas verrückt soll es sein. Nicht diese konventionellen Hin-Hockereien.

Danke.

Wenn Cognac & Biskotten als Literaturmagazin nun also zu Grabe getragen wird, heißt das nicht, dass der Herr Schafferer verstummt. Im Gespräch wird klar: Da wird noch sehr viel kommen. Mensch darf gespannt sein, was der umtriebige Tiroler noch alles präsentieren wird. Vorerst aber sei allen gesagt: Wer die letzte Präsentation von Co&Bi versäumt, ist selber Schuld. Wie bei allen Ausgaben zuvor muss es heißen: Die Gelegenheit kommt nie wieder. Daher, also: hinkommen zur Präsentation der Cognac & Biskotten-Ausgabe Nr. 35 – Endzeitstimmung am Mittwoch, 27. März 2013 um 19 Uhr im Luftschutzstollen, Guggenbichl, Innsbruck. Achtung: Einlass NUR nach Voranmeldung per Mail an bunker@cobi.at bis 26.März! www.cobi.at

Fotos (c) by Kulturrebellen Productions

Print

Like + Share

Comments

Current day month ye@r *

Discussion+

There are no comments for this article.