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March 21, 2013

Kreise und Künstlerinnen aka Donne nel cerchio dell’arte

Maximilian Lösch

Es war früh am Morgen. Das Centro Trevi war noch geschlossen, doch Paolo Fenu und Nicola Mittempergher, die zwei Kuratoren des Projektes Nel cerchio dell’arte waren schon da. Wir gingen rein und dann tauchten auch schon die 2 Künstlerinnen Eleonora Cumer und Cristina Vignocchi auf, die bis zum nächsten Montag (25.03.2013) einige Ihrer Werke im Centro Trevi ausstellen.
Heute waren also 4 Leute da, um interviewt zu werden, das konnte nur interessant werden. Alles, was folgt, ist nicht objektiv, sondern erzählt.

Bevor wir mit dem Gespräch begonnen haben, gab es eine kleine Pilgerfahrt zum Kaffeautomaten, und dann saßen wir auch schon. Ich warf die Frage in den Raum: “Wir war der Prozess diese Ausstellung vorzubereiten?” um das Gespräch in Gang zu setzen…

Paolo: Der Prozess der Vorbereitung war für mich der interessanteste Moment dieser Ausstellung. Der direkte Kontakt mit den Künstlerinnen, die Auswahl der Werke, daran zu denken, wie diese Werke ausgestellt werden, zu viert zu arbeiten, in Beziehung zu treten, manchmal gab es auch Ungereimtheiten, in einem intimen und direkten Austausch.

Cristina: Für mich war es schön zu sehen, wie dieser Raum eine neue Bedeutung erhält, einen Durchgangsort verwandeln – die Werke wurden im Foyer und im Treppenhaus aufgestellt.

Paolo: Genau, das war eines der Ziele, einem Durchgangsort eine andere Identität zu geben.

Eleonora: Es war eine Lebenshandlung, wir haben diesen Raum mit Leben erfüllt. Und ich glaube, das ist eine Aufgabe der Kunst – Orte mit Leben zu erfüllen.

Nicola: Im Prozess der Vorbereitung war für mich das Verhältnis mit dem Raum sehr interessant, welche Werke konnten eine neue Räumlichkeit schaffen… Es war eine Art Besetzung. Ein Werk hat bestimmte Regeln, welche ganz spezifisch auf sie einwirken, jedes Werk braucht einen eigenen Raum um ausgestellt zu werden.

Cristina: Da stimme ich nicht ganz überein. Wir haben in einen Raum eingegriffen, in einem abgewerteten Raum und wir haben diese Räume verwandelt. Bevor es das Museion gab, ihr seid jung und ihr habt das nicht miterlebt, gab es dort eine alte verlassene Tabakmanufaktur und sie wurde damals von Studenten und Künstlern besetzt. Der Ort wurde verwandelt, sie haben die Mauern bemalt und alle möglichen kreativen Räume geschaffen, so wurde diese Fabrik aufgewertet. Dann ist dieser Ort verschwunden.

Paolo: Hier kommt man zum Thema des Mainstreams, der Kunstinstitutionen oder der künstlerischen Aktion außerhalb dieser Institutionen.

Cristina: Ein Kunstwerk entsteht als ein Niveau, auf einem menschlichen Niveau, die Kunstgallerie dekontextualisiert dann das Werk.

Paolo: Und jedes Werk schafft seinen eigenen Raum, indem es diesen Raum besetzt, wie Nicola vorhin gesagt hat.

Nicola: Und wenn sich der Raum verändert, verändert sich auch das Werk.

Cristina: Um das nochmal anzusprechen, die Kunst entsteht nicht, um ein Produkt zu werden, das kommt später. Die Kunst entsteht auf einem anderen Niveau; darauf folgen dann die Galerien. Meine Werke wirken auf eine bestimmte Weise im Atelier, dort haben sie ein bestimmte Art und Weise zu sein. Dann außerhalb gefallen sie mir manchmal mehr oder weniger. Im Atelier, in jenem Umfeld, sind es wie intime Seiten eines Tagebuchs, wenn sie dann nach außen dringen, erhalten sie einen anderen, öffentlichen Wert.

Paolo: Ein kleines Dilemma des Künstlers – etwas sehr privates nach Außen zu bringen.

(kleine Pause)

Eleonora: Zur Vorbereitung der Ausstellung möchte ich noch etwas sagen: Ich mache verschiedene Werke, einige Werke sind auch als Installation gedacht. Wenn sie dann fertig sind, lege ich sie zu Hause ab und warte auf eine Möglichkeit, sie irgendwo anzubringen, wie hier. Und das war sehr schön, sie ausstellen zu können, denn sie brauchen Zeit – auch die Zeit, sie in diesen Kontext einzufügen. Mir würde es gefallen, wenn es mehr alternative Räume in Bozen gäbe; aufgelassene Geschäfte, urbane Ausstellungen. Bozen müsste eine etwas kreativere Stadt sein und die Stadt mit der zeitgenössischen Kunst zusammen leben lassen.

Cristina: Es braucht aber auch eine institutionelle Unterstützung. Mit welchen Geldern soll man denn sonst so etwas machen?

Eleonora: Bei der Rosengarten Festa zum Beispiel, wäre es doch wunderschön die ganze Straße mit Blumen zu bemalen. Das darf man dann aber nicht. Man sollte einfach viel mehr auf die Straße gehen, um viel partizipativer zu arbeiten.

Cristina: Wem gehört denn die Stadt? Bei uns ist alles sehr anonym und ich glaube, das ist aufgrund eines exzessiven Respekts vor den anderen. Ich möchte dich nicht mit meinem Handeln stören, so dass jeder sich in seine Höhle einsperren kann, ohne Kontakt nach außen.

Eleonora: Es gibt riesen Räume, der Busbahnhof zum Beispiel, der Bahnhofspark, wo zumindest manchmal die Werke von Kindern ausgestellt werden. Das sind Räume innerhalb der Stadt, welche verwandelt werden können.

Cristina: Es wären auch mehr Freiräume zu lassen, ohne dass immer alles zu bürokratisch ist.

Paolo: …flüchtige Kunst, die dann wieder verschwindet – nicht alles muss konserviert werden.

Cristina: Ja, mehr flüchtige Kunst.

Eleonora: Und es wäre auch ein Weg, um den Bürger an die Kunst heran zubringen, wir haben das Museum für zeitgenössische Kunst, aber es ist eine viel zu geschlossene Institution, die Bürger werden davon nicht angezogen.

Nicola: Diese Ausstellung wurde für das Amt für Kultur gemacht und ist für uns ein Weg, um die Menschen an die Kunst heran zubringen. Die Besucher können es nicht vermeiden hier im Foyer durchzulaufen und viele bleiben stehen und schauen sich die Werke an. Vor ein paar Tagen war ein Herr hier. Er ist an mich herangetreten und hat gefragt: “Wer hat sich denn erlaubt, hier auf die Wand zu schreiben?” Und ich habe geantwortet, es war die Künstlerin. Dann war es für ihn in Ordnung.

(alle Lachen)

Paolo: Es wird als eine Beleidigung und Entstellung wahrgenommen.

Eleonora: In Bozen fehlen einfach diese alternativen Räume, es fehlt ein “Centro Sociale” (ein besetztes Haus – kultureller Treffpunkt), alles ist viel zu organisiert.

Cristina: Und wenn die Kunst nicht innerhalb der offiziellen Räume passiert, dann ist sie subversiv.

Eleonora: Die Industriezone, zum Beispiel, dort ist so viel Platz, gibt es so viele Orte, wo man intervenieren könnte. Das Ex-Alumix oder andere verlassene Gebäude. Es bräuchte Räume, wo sich Künstler frei ausdrücken können, wo sie sich auseinander setzten können. Aber es braucht auch den Wunsch, sich auseinandersetzen zu wollen. Hier in Südtirol, wo es 2 Künstlervereine gibt, einen italienischen und einen deutschen…

Dann ist es plötzlich 10 Uhr. Paolo und Nicola verabschieden sich und begleiten eine Schulklasse in den unteren Stock zum Cerchio dell’arte. Ich bleibe noch ein bisschen und spreche mit den beiden Künstlerinnen zu Ende.

Wie ist es für euch als Frauen und Künstlerinnen?

Eleonora: Ich muss sagen, dass mich mein Mann immer unterstützt hat. Ohne ihn wäre meine Kunst nicht möglich gewesen. Er gibt mir Halt, er hilft mir-. Wenn ich beispielsweise bestimmte technische Schwierigkeiten habe, steht er mir zur Seite.

Cristina: Für mich ist es anders: Es war immer schwer, eine Künstlerin zu sein. Es braucht sehr viel Mut zu sagen, ich bin eine Künstlerin und ich widme mein Leben der Kunst, vor allem wenn man alleine ist. Die Lösungen zu Problemen finde ich alleine. Jedoch braucht die Kunst immer einen Raum der Gegenseitigkeit.

Und dann haben wir noch über den Prozess der künstlerischen Arbeit gesprochen, davon nie aufzuhören; über die Verwandlung des Alumix in einen kreativen Freiraum; über die Rolle des Geldes für Künstler und Kunst; über Räume für junge Leute, Kunstlyzeen und vieles mehr…

Wer interessiert wäre, die Arbeit von Elenora Cumer kennenzulernen: Heute, 21.03.2013, nachmittags bzw. abends von 16:00–18:00 Uhr und von 18:00–20:00 Uhr, gibt es im Centro Trevi 2 Workshops, um eine partizipative Skulptur zu kreieren.

Und Cristina Vignocchi wird vom 27.03.–30.03.2013 in Castelfeder eine Mal- und Zeichenwerkstatt abhalten.

Viel Erfolg allen Beteiligten. P.S.: Schaut euch die Ausstellung an, sie ist nicht mehr lange zu sehen!!!

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