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March 13, 2013

Luigi Fassi’s Transmigration

Maximilian Lösch

Hmm, hier bin ich nun. Hatte gerade mit Kunigunde Mails geschrieben und sie hatte mich auf die Ausstellung in der ar/ge kunst aufmerksam gemacht. Voller Tatendrang war ich schon losgestartet und wollte mir die Ausstellung anschauen und eine Besprechung schreiben. Doch dann stand ich da vor der geschlossenen Galerie, es war Montag und wie an den meisten Orten auf unserem Planten waren Galerien wie auch Museen geschlossen. Nun ja, Marianne Flotron und Pilvi Takala mussten noch etwas warten.
Das Konzept hinter dem Artikel war jedoch, die Ausstellung in Verbindung mit einem Gespräch mit Luigi Fassi zu besprechen – dem mittlerweile ehemaligen Künstlerischen Leiter der ar/ge kunst.

Schritt 1: Die Ausstellung.

Ein paar Tage später hatte ich dann Glück, die Tore der Galerie waren weit offen und ich trat ein. Da war sie nun, eine Reihe von Videoclips und anderen Objekten.
Ich muss sagen, mir hat die Ausstellung sehr gut gefallen, ein hochaktuelles Thema, wie sich die immer weiter entwickelnde Arbeitswelt künstlerisch betrachtet und erforscht. Ein Entlassungsgespräch, Methoden des “Theater der Unterdrückten” von Augusto Boal, die mit der Welt eines holländischen multinationalen Unternehmens interagieren, Blicke auf eine Welt, die nach Aussen hin so voller Freiheit und Perfektion ist, die Abstraktion, die Praktikantin Pilvi Takala, die nichts-tuend-denkend die Welt einer riesigen Firma in Aufruhr versetzt.

Schritt 2: Luigi Fassi.

Luigi ist mittlerweile Kurator für Bildende Kunst des Steirischen Herbstes; wir haben uns also per Skype verabredet.

War diese letzte Ausstellung ein Statement zur Arbeit als Kurator?

Das Thema der Ausstellung ist die sogenannte “Corporate World”, die Welt der multinationalen Firmen. Wir haben zwei Künstlerinnen in eine Ausstellung gebracht, die noch nie zusammen und auch nicht in Italien ausgestellt haben. Es ist eine sehr interessante Arbeit, die einen Blick auf die Arbeitswelt wirft, eine künstlerische Überlegung über die Beschleunigung, den Post-Fordismus. Die Arbeit wird immer mehr abstrahiert, man arbeitet immer mehr mit Dienstleistungen. Und die Arbeit in der Welt der Kunst entwickelt sich in eine ähnliche Richtung, es gibt keine klar definierten Arbeitszeiten mehr, man muss immer und überall erreichbar sein, es gibt kein Ende mehr, in einer Produktionsmaschinerie blockiert, die den Arbeiter immer mehr auflöst.
Die Ausstellung versucht die Mechanismen der Transformation der Arbeitswelt zu untersuchen.
Die Arbeit von Marianne Flotron – im ersten Teil der Galerie, sie hat zusammen mit einem Aktivisten aus Südamerika die Methoden des Theaters der Unterdrückten in einer holländischen Firma angewandt und auf Video festgehalten, wie auch ein Mobilitätsgespräch = Entlassungsgespräch – zeigt eine riesige Freiheit, fast schon absolute Freiheit, der Mitarbeiter auf, welche ein völliges Aufsaugen der Personen in die Arbeit hervorruft, auch der Emotionen sowie Gedanken, und sich somit ins völlige Gegenteil verwandelt, in ein unsichtbares Gefängnis.
Pilvi Takala zeigt einen anderen Aspekt – im hinteren Teil der ar/ge kunst, die Künstlerin war einen Monat lang Praktikantin in finnischen Niederlassung von Deloitte – der “modernen” Arbeitswelt. Die kreative Arbeit, Brain Work, die völlige Abstraktion der Arbeit, sie sitzt nur da und denkt nach, bis sie schließlich von den Mitarbeitern als komisch bis hin zu feindselig wahrgenommen wird.

Wie an jenem Tag, an dem sie stundenlang nur im Aufzug auf und ab fährt und immer wieder darauf angesprochen wird, ob sie nicht etwas zu tun habe. Sie antwortet: “I’m just doing some brainwork.”

Ja, sie hat die Rhetorik der freien, kreativen Arbeit zum Exzess getrieben – den Profezeihungen der letzten Jahre entsprechend, dass die intellektuelle Elite mit einer kreativen Kaste ersetzt wird. Ihre Aktion hat den Mitarbeitern vor Augen geführt, dass die Arbeit nicht mehr die Realität widerspiegelt; sogar die Art und Weise, wie man Zugang zur Arbeit findet, ist völlig abstrakt… Sie fühlen sich auf banale Weise an der Nase herum geführt. Sie entlarvt die Rhetorik dieser Arbeit.

In einem E-Mail-Austausch der Mitarbeiter liest man, dass jemand sogar Angst vor der Künstlerin hat. Er könne sie nicht einordnen, weiß nicht, wie mit ihr umzugehen. Und das finde ich sehr interessant.

Nun, sind Parallelen zu finden – zwischen dem Kurator und Pilvi Takala und der restlichen Firma und der Kunstwelt?

Die große Freiheit, die man mit den kreativen Berufen in Verbindung bringt, arbeiten ohne Zwänge, all diese Rhetorik wendet sich gegen sich selbst.

Zur Arbeit von Marianne Flotron: An einem Punkt im Interview zum Thema Arbeitsbedingungen meint der Aktivist aus Südamerika, der mit Arbeitern unter schwierigsten Arbeitsbedingungen arbeitet und die teilweise auch ihr Leben riskieren, er habe noch nie so entfremdete Menschen gesehen, wie in jener holländischen Firma.

Ja, genau, diese sogenannte Freiheit wird zu einem unsichtbaren Gefängnis, die Mitarbeiter sind sich nicht einmal bewusst, dass sie völlig abhängig und von ihrer Arbeit aufgesogen sind. Es wird zu einem Vortex, immer den Fuß auf dem Gaspedal, man kann sich nicht mehr auf eine geografische Gegend reduzieren. Man muss immer global auf dem neuesten Stand sein. Ich als Kurator kann es mir nicht erlauben, nicht zu wissen, was gerade in Tokyo oder New York passiert. Die Rhetorik der kreativen Arbeit ist eine ideologische Rhetorik, zwingend und fast schon antik. Es bringt dich dazu die Kontrollstrukturen zu interorisieren, was sehr stark ist.

Und die Mensa der Firma, wo es niemanden gibt, der kassiert, sondern  jeder sich selbst und die anderen kontrolliert, ob sie bezahlen oder nicht. – Jeder möchte ein guter Angestellter sein. Es ist fast schon schockierend. Eine Art von 1984.

Ich glaube, das ist ein treffender Vergleich. Die Kontrolle, die nicht mehr als Kontrolle wahrgenommen wird. Man muss sich diese Identifikation mit der Arbeit vor Augen führen, die Teil der kreativen Arbeit sein sollte; die völlige emotionale Identifikation hat eine ideologische Natur, das Intime deines Privaten mit deiner Arbeit übereinstimmen zu lassen. Wir leben in einer komischen Zeit, entweder fehlt die Arbeit oder man fällt ins andere Extrem: Burn-Out durch völlige Identifikation. Wir sind in einer Wendezeit, wir versuchen dieselben Sachen zu machen, aber anders.

Du bist gerade an einem Wendepunkt, die Vergangenheit in Bozen und die Gegenwart in Graz. Was spiegelt sich davon in deiner Arbeit wieder?

An beiden Orten hat man einen sehr intensiven Rhythmus, aber er ist anders. Es ist der Unterschied zwischen einem Kunstverein und einem Festival. Die Art und Weise der Ausstellungsprojekte sind anders, beim Festival zur Zeitgenössischen Kunst wird es nur ein Ausstellungsprojekt geben, die Struktur ist jedoch viel größer. Die vielen kleineren Projekte von Bozen, die immer wieder aufeinander gefolgt sind, sind für mich Referenzpunkte, Erfahrungen, aus denen ich schöpfen und in Graz auf größerer Skala umsetzen kann. Die Dimensionen sind einfach anders, die Anzahl der Besucher; das Festival erfindet sich immer wieder neu, in Graz, in der Gegend um Graz, es ist viel flexibler, die Räume sind viel größer und weitläufiger als in einer Galerie, wo man innerhalb von den räumlichen Beschränkungen des Gebäudes arbeitet.

Und die Zukunft?

Ich werde einige Zeit in Graz bleiben.

Danke.

Das Gespräch war sehr interessant, dies ist eine Nacherzählung und man weiß nicht genau in welcher Reihenfolge die Worte geflossen sind. Jedenfalls möchte ich die Ausstellung in der ar/ge kunst empfehlen, sie wirft viele Fragen auf und setzt sich auf sehr interessante Weise mit dem Thema der Arbeitswelt auseinander. Lasst euch inspirieren!

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