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January 18, 2013

Herausforderung „Landkino“: 20 Jahre Filmtreff Kaltern

Verena Spechtenhauser

Das Thema Kino spielt bei Franz naturgemäß immer wieder eine Rolle. Und immer wieder weisen wir auch darauf hin, dass in Südtirol die Kinostrukturen, vor allem in den ländlichen Gegenden, kaum vorhanden sind. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass Meran, die zweitgrößte Stadt Südtirols und mit einem beachtlichen Einzugsgebiet, seit 2009 vergeblich auf ein neues Kino wartet. Absurde Zustände, profiliert sich Südtirol im Moment doch als Filmlocation im In- und Ausland!

Anders sieht die Situation in Kaltern aus. Dort feiert der Filmtreff Kaltern dieses Jahr seinen 20. Geburtstag. Seit 2011 steht dem Verein mit dem Kino im Bahnhof ein modernes und bestens ausgestattetes Kino zur Verfügung mit Platz für 118 Besucher, einem 35 mm Projektor sowie einem digitalen Projektor mit 3D-Ausstattung. Angesichts der allgemeinen Situation eine Erfolgsgeschichte mit Vorbildcharakter in vielerlei Hinsicht. Mich hat das neugierig gemacht. Ich wollte wissen, wieso sich gerade in einem Dorf wie Kaltern die Institution des Kinos erhalten konnte. Immerhin war das Überetscher Dorf vom Kinosterben genauso betroffen wie die meisten Orte des Landes.

Im Bozner Stadtcafé treffe ich mich mit Helene Christanell, der Vorsitzenden des Filmtreff Kaltern und merke relativ schnell, dass die Antwort auf meine Frage ebenso simpel wie einfach ist und Eigeninitiative heißt. 1991 hatte das letzte Kino der Gegend, das private „Laurin-Kino“ seine Tore geschlossen. Wer seiner Leidenschaft weiterhin nachgehen wollte, war gezwungen, nach Bozen zu fahren. Doch anstatt sich darauf zu verlassen, dass sich die Politik um eine neue Einrichtung kümmerte, nahm eine Gruppe von Filmbegeisterten die [Herzens]angelegenheit selbst in die Hand und gründete 1992 einen Verein, in welchem sich die Mitglieder aktiv an der Programmgestaltung beteiligen konnten. “Wir wollten die Tradition des Landkinos in Kaltern aufrechterhalten und Filme einem möglichst breiten Kreis von Personen zugänglich machen. Immerhin gab es im Dorf seit 1911 ein Kino und das Kinogehen war in Kaltern schon immer ein wichtiger Teil der Freizeitbeschäftigung”, erklärt mir Helene Christanell.

Ihren eigenen Weg gingen die Kalterer auch bei der Wahl der Location. “Wir interessierten uns schon länger für das alte Bahnhofsareal in Kaltern, welches seit den 1970er Jahren leer stand”,so die Vorsitzende des Filmtreffs. Anstatt wie vielerorts üblich den leer stehenden Gebäuden bei ihrem Verfall zuzusehen, ergriff der Verein erneut die Initiative und begann langjährige Verhandlungen. Und auch diesmal zahlte sich die Hartnäckigkeit aus. Als der Bahnhof 2003 in den Besitz der Gemeinde Kaltern überging, wurde er komplett restauriert. Seit ein paar Jahren steht dem Verein mittlerweile das Kino zur Verfügung. “Nun ist es uns auch möglich den Interessierten ein regelmäßiges Programm anzubieten, was für ein Kino sehr wichtig ist.

Ein Programm, das sich durch Vielfältigkeit auszeichnet und von der Autorenbegegnung über Dokumentationen und Kinderkino bis hin zu den großen Blockbustern alles anbietet. Dass die Arbeit des Filmtreffs Kaltern auch in der „Szene“ anerkannt wird, zeigt zum Beispiel die Tatsache, dass der Dokumentarfilmer Andreas Pichler seinen Film Das Venedig Prinzip bereits vor einem Jahr in Kaltern vorstellte. In einer Rohfassung und vor vollem Haus.

Mittlerweile zählt der Verein rund 20 aktive Mitglieder die ihrem Nebenjob ehrenamtlich nachgehen. “Die Volontäre sind für uns unverzichtbar”, betont Christanell, “und wenn alles schief geht, springt auch schon mal die Familie ein”. Der Rest, so kommt es beim Gespräch rüber, ist vor allem „learning by doing“. “Am Anfang mussten wir sogar die Filmverleiher von uns überzeugen. Viele waren skeptisch und wollten uns die Filme nicht überlassen. Sie konnten mit unserem Verein nichts angfangen und hatten wahrscheinlich Angst, die Filme nicht mehr zurück zu bekommen”, lacht Christanell. Nach 20 Jahren Tätigkeit ist das schon lange kein Thema mehr.

Aber was unterscheidet die Kulturarbeit am Land von jener in der Stadt? Vor allem ist es wichtig, sich einen festen Platz im dörflichen Vereinsleben zu sichern. “Wir arbeiten viel und gerne mit den anderen Vereinen im Dorf zusammen und überlassen ihnen dafür gerne unsere Struktur. Nur für Parteiveranstaltungen wollen wir das Kino nicht hergeben. Das ist eine der Grundregeln unseres Vereins.” Daneben stehen die Betreiber auch vor praktischen „Problemen“. Im Moment schaut man sich nach einem neuen Ort für das Sommerkino um. Grund: Die Nachbarn fühlen sich durch die Aufführungen in ihrer Ruhe gestört. Außerdem möchte man auch gerne mehr italienische Besucher im Kino sehen. “Wir zeigen im Moment ca. 6 italienische Filme pro Jahr, aber das Angebot wird nicht wirklich angenommen. Das Programm ist ausbaufähig, aber leider hängt viel davon ab, wie viele Besucher die Vorführungen besuchen.” Denn das Ausleihen der Filme ist nicht billig, zwischen 250 und 500 Euro kostet ein Film. “Darum mussten wir die Eintrittspreise jetzt auch etwas erhöhen, wir sind jedoch immer noch das günstigste Kino in Südtirol”, erklärt Helene Christanell.

Im Laufe des Gesprächs drängt sich mir auch die Frage auf, warum es in einer Stadt wie Meran nicht möglich ist, sich auf ein ähnliches Projekt zu einigen? Eine eindeutige Antwort darauf ist schwierig. Christanell war bei einer Diskussionsrunde in Meran dabei und die Meraner Politiker waren auch nach Kaltern gekommen, um sich das Kino im Bahnhof anzuschauen. Geschehen ist aber bekanntlich nichts. Wahrscheinlich, so vermute ich, weil zu viele unterschiedliche Parteiinteressen dahinter stehen.

Für die nächsten 20 Jahre wünscht sich Helene Christanell für den Verein genügend junge Leute, die das Projekt weiterführen. Ich wünsche dem Filmtreff Kaltern, seinen Mitgliedern und den freiwilligen Helfern auch weiterhin viele begeisterte Besucher und den Südtiroler Kinogängern, dass ihnen dieses Kino noch lange erhalten bleibt und viele andere Dörfer und Städte diesem Beispiel folgen!

Mehr Infos zum Programm gibts hier: www.filmtreff-kaltern.it und am Samstag, den 19. Januar feiert der Filmtreff sein Jubiläum im Kino im Bahnhof. Everybody is welcome!

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