Sehr orthodox – Lemale Et Ha’chalal – La sposa promessa

26.11.2012
Sehr orthodox – Lemale Et Ha’chalal – La sposa promessa

Der irritierende Film „Lemale Et Ha’chalal“ hat im September in Venedig die Coppa Volpi gewonnen; Hadas Yaron wurde für die Rolle der Shira ausgezeichnet. Shira lebt in einer ultraorthodoxen jüdischen Gemeinschaft in Tel Aviv. Ihr Lebensziel ist es, einen Mann abzubekommen. Das suggeriert der Beginn des Films. Immer wenn sich in der Gemeinschaft eine Heirat abzeichnet, wird gejubelt und geklatscht, und das große Tamtam beginnt: Der Rabbi wird befragt, die Männer beraten lautstark über das Wohl der Frauen, und wenn es so weit ist, wird laut gefeiert. Sobald die Frau verheiratet ist, setzt sie einen Turban auf. Regisseurin Rama Burshtein ist beim Festival in Venedig mit Mann und Turban aufgetreten. Ich war dabei. „Fill the Void“ (Die Leere füllen) erzählt die Geschichte von Shira, deren Schicksal es sein wird, den eigenen Schwager zu heiraten, nachdem die Schwester im Kindsbett gestorben ist. So füllt Shira die Leere und erfüllt ihre Pflicht. Und das alles freiwillig. Irritiernd. Noch irritierender ist, was die Regisseurin in Interviews dazu sagt. Dass nämlich das Leben nach diesen strengen orthodoxen (und patriarchalischen) Regeln gut sei, ja sogar sexy. Denn frei zu sein, töte die Leidenschaft. Damit tu ich mir schwer. Rama Burshteins Welt ist der meinen sehr fern. Nicht einmal als Exotikum kann ich die Geschichte genießen. Rama Burshtein wurde in New York geboren, ist mit den Eltern nach Tel Aviv ausgewandert, hat studiert, alles hingeschmissen und hat konvertiert. Seit 20 Jahren macht sie ausschließlich Filme für die Frauen ihrer ultraorthodoxen Gemeinschaft. Dort dürfen Männer und Frauen nämlich nicht gemeinsam ins Kino gehen. „Fill the Void“ ist der erste Film, den sie für eine breitere Öffentlichkeit gedreht hat. Rama Burshtein versteht ihr Handwerk, auch wenn ich persönlich mit dem gezielten Einsatz der Unschärfen im Bild wenig Freude habe. Dass „Lemale Et Ha’chalal“ aber inhaltlich auf soviel positives Feedback trifft, finde ich beunruhigend.

Lemale Et Ha’chalal (La sposa promessa), (Israel 2012), 90 Min., Regie: Rama Burshtein. Bewertung: Irritierend konservativ

Erschienen in der Südtiroler Tageszeitung am 24./25.11.2012

http://www.youtube.com/watch?v=pE8JtQIwJBM

 

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