Dorian Gray – Im Bewusstsein der eigenen Schönheit

02.11.2012
Dorian Gray – Im Bewusstsein der eigenen Schönheit

Ein Roman, in dem es um das Erkennen der eigenen Schönheit, dem Wahn rund um die menschliche (vielleicht eher männliche) Schönheit und dessen Beobachtung sowie dem Sinnieren über die Schönheiten des Lebens geht. Nicht zuletzt, um deren Vergänglichkeit. Im Großen und Ganzen ausschließlich aus dem Blickwinkel des Mannes. Ich biete hier nur eine lapidare Umschreibung des Romans „The Picture of Dorian Gray“ (1890) von Oscar Wilde, denn ich will über die Theaterfassung von Bastian Kraft schreiben, welche unter der Regie von Agnese Cornelio die vergangenen Wochen die Studiobühne des Stadttheaters Bozen füllte.

Auch wenn das Thema Schönheit so präpotent wirken mag, bot mir diese Inszenierung eine weitaus größere Palette an Thematiken. Meine Augen sahen in diesem Stück Figuren törichter Rücksichtslosigkeit, die Inkonsequenz bzw. Unbeständigkeit des menschlichen Wortes und das lustvolle Ausleben des eigenen egozentrischen Weltbildes. Ja eine Gesellschaft, in der jeder Einzelne das Miteinander lediglich dazu braucht, um sich im Gespräch mit demjenigen, den man Freund nennt, an seinen eigenen Eitelkeiten aufgeilen zu können. Auszutesten inwieweit die eigene Verlogenheit unentdeckt bleibt oder wie stark das Ausmaß des eigenen Einflusses ist. Und doch stand der Schauspieler Hannes Holzer in allen Rollen allein auf der Bühne und sprach mit sich selbst oder den Videoprojektionen, auf denen ebenfalls er zu sehen war. Das ausgezeichnete Timing erhielten die Illusion einer wahrhaftigen Interaktion zwischen Dorian, Lord Henry und Basil aufrecht. Dazu beigetragen haben ebenfalls Holzers akkurate Wechsel in Stimme, Mimik, Gestik und Körperhaltung. Vorzüglich stellte er den Charakter des Dorian dar. Anfänglich verspielt in seinen Posen und Verrenkungen als Modell für den Maler Basil, ständig lächelnd und naiv im Kennenlernen seines neuen „Mentors“ Lord Henry, der als weitaus von der Welt geläutert und sehr galant auftritt. Der Maler Basil bleibt durch seine im Grunde sanfte und zurückhaltende Art ständig ein bisschen im Hintergrund. Ihm gelingt es nicht neben zwei so starken Persönlichkeiten seine Forderungen einzuholen und er wird im Strudel des immer unverständiger werdenden und kompromisslosen Dorian von jenem erwürgt. Dorian liebt nur sich oder seinesgleichen. Die zauberhafte Erfüllung seines Wunsches, nie sein perfektes Antlitz zu verlieren, macht ihn unerträglich gegenüber allen unschönen Dingen, allen Schwächen der anderen. Die Schauspielerin, in die er sich einst verliebte, wirkt nunmehr mittelmäßig. Mit so jemanden kann und will er sich nicht umgeben. Deshalb lässt er auch das Gemälde, das sein gemaltes aber ständig alterndes Abbild trägt, verdecken und lässt es auf den Dachboden verfrachten, denn dessen bloße Existenz erträgt er im Grunde seiner Seele nicht. Als Gegenreaktion stürzt er sich in Lüsternheiten und in eine Welt, die anhand der Videoprojektionen irgendwie an Pariser Varietés erinnert. Im Tanz zu Elektrobeats ergötzt er sich über die Dummheit und Leichtgläubigkeit der Menschen. Denn niemand durchschaut sein Geheimnis vom lebenslangen jugendlich-frischen Aussehen, bis nicht seine hässliche Leiche nebst dem Gemälde, im einstigen Glanze aus der Hand Basils, gefunden wird.

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