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November 2, 2012

“Am Anfang steht immer der Titel” – Interview mit Autor und Verleger Martin Kolozs

Christoph Tauber

Erzählungen, Theaterstücke, Gedichte hat der Innsbrucker Autor und Verleger Martin Kolozs schon seit seiner Jugend verfasst und veröffentlicht. Jetzt hat er den „Mut gefunden“ für einen Roman: “Immer November“ erschien vor kurzem im Mitter Verlag. Im Raetia Verlag erscheint Anfang Dezember sein zweiter Roman „Zweite Liebe“. Über seinen Roman-Erstling, die Herzensangelegenheit Schreiben, den Zwiespalt als Verleger und Autor und die Wichtigkeit des Verlagsstandortes in der öffentlichen Meinung sprach franzmagazine mit Martin Kolozs.

Sie haben bisher Gedichte, Erzählungen, Stories und Theaterstücke geschrieben. – Kurze Texte. „Immer November“ ist Ihr erster Roman. Worin hat sich der Schreibprozess diesmal unterschieden von den anderen Werken? War die Herangehensweise eine andere?

Die Schreib- bzw. Herangehensweise ist dieselbe wie bei den anderen kürzeren Texten. Es gibt für mich keinen Unterschied. Es sind einfach Ideen, die dann ausformuliert werden. Der Unterschied beim Roman ist einfach der, dass es meistens einen längerer Zeitraum betrifft, der beschrieben wird, oder dass die Entwicklung einer Person im Roman größeren Aufwand benötigt. Es war keine bewusste Entscheidung, dass es ein Roman werden soll. Es hat sich für mich einfach so ergeben. Und es hat für mich jedenfalls auch Mut gekostet, länger zu werden in meiner Ausdrucksweise. Ich glaube die Kurzformen Erzählung, Stories etc. geben dem eigenen Stil einen Schliff. Erst dann ist der Sprung zum Roman gerechtfertigt. Sonst verrennt man sich in Abschweifungen, Beschreibungen, Schachtelsätze, und das wollte ich alles verhindern.

Auf den Titel zurückzukommend: „Immer November“, der Titel des Romans ist der Titel eines Gedichts, das der Protagonist Hans Salten geschrieben hat. Die Wahl des Titels wirkt im Roman sehr spontan. Sind Sie auf den Titel des Romans auch so spontan gekommen oder hat da der Verleger in Ihnen mitgewirkt?

Ja, das stimmt. Der Protagonist, John Salten, trifft die Entscheidung für den Titel des Gedichts aus dem Bauch heraus. Für mich selber war der Titel nicht mit einem Auge für den Markt oder für den Leser geschrieben, so dass er gut klingt. Ich versuche schon immer für mich den Titel vorzuschreiben. Ich beginne jeden Text eigentlich erst, wenn ich den Titel schon weiß. Das ist für mich irgendwie so wie ein erster Satz, der für mich die Atmosphäre des Buches schafft. „Immer November“ ist für mich so eine Art Zustandsbeschreibung von John Salten, der sich ja eigentlich aus so einer vagen persönlichen Nebelsituation zu befreien versucht. Und November ist für mich der typische Monat, der dies ausdrückt. Es ist eigentlich einer kleinen Anekdote zu verdanken: Schriftstellerfreunde und ich saßen einmal in Innsbruck zusammen und haben diskutiert über Innsbruck und die Kulturlandschaft und so weiter, und einer hat dann gesagt, es ist hier in Innsbruck wie immer im November. Das ist mir irgendwie hängen geblieben. Als ich dann diesen Roman entwickelt habe und mir den emotionalen Zustand des Protagonisten überlegt habe, da war für mich dieses Bild vom November eigentlich das treffenste. November, das ist für mich der Startpunkt. Er ist in einer Situation, aus der sich John Salten befreien muss, und am Schluss, wenn er alles hinter sich lässt, befreit er sich auch aus diesem Nebel.

Der Protagonist versucht auch zu schreiben, schafft es aber nicht. Wie viel steckt eigentlich von Ihnen in diesem Roman?

Prinzipiell gehe ich davon aus, dass in jeder Geschichte Autobiografisches steckt, weil sich von jeder Kunstgattung, die sich mit dem Ausdruck beschäftigt, der Künstler, der Schriftsteller nicht gänzlich distanzieren kann. Ich kann nicht etwas beschreiben, was ich nicht irgendwo gesehen, gehört oder gelesen habe. Ich kann keine Gedanken machen, die ich nicht auch als Privatperson schon gemacht habe. Allerdings würde ich nicht sagen, dass es etwas Autobiografisches ist. Es ist Fiktion, die einfach ambivalent ist und in der Dinge verarbeitet sind, die ich irgendwann gesehen, gehört, gelesen habe.

Hans Salten, der Protagonist, hat ja gewissermaßen Probleme zu schreiben. Er braucht lange, bis er sich traut zu schreiben. War das bei Ihnen auch so?

John Saltens Zustand ist ein anderer: Nicht dass er nicht schreiben kann, ist sein Problem, sondern er befindet sich in einer Identitätskrise, und das hängt jetzt direkt mit dem Schreiben zusammen. Ich glaube, dass man sich nicht ausdrücken kann, und zwar konkret ausdrücken kann, sich nicht an einen Leser, einen Zuhörer wenden kann, wenn man nicht irgendwo gefestigt ist, wenn man nicht weiß, was man machen möchte, wenn man nicht weiß, worüber man schreiben will. Deshalb hat er Schreibprobleme. Bei mir war es relativ früh entschieden. Ich habe mit sehr jungen Jahren – zwölf–dreizehn – wie besessen angefangen zu schreiben. Und ich habe seit damals nichts anderes gemacht. Es war keine bewusste Entscheidung, sondern es war aus einem inneren Drang heraus.

Sie sind Schriftsteller UND Verleger. Ist dies nicht ein Widerspruch? Gibt es hier nicht einen Interessenskonflikt?

Nein, das sehe ich nicht so, weil ich mich selber ja nicht verlege. Meine Bücher erscheinen in anderen Verlagen. Also ich bin als Autor in der gleichen Situation wie jeder andere Autor auch. Ich muss mir auch die Verlage, mit denen ich zusammenarbeite, suchen. Als Verleger bin ich ein ganz anderer Mensch, als Verleger bin ich ja nicht nur Literaturvermittler, sondern auf der anderen Seite auch Geschäftsmann. Das heißt, meine Entscheidung als Verleger hängt davon ab, ob mein Verlag, mein Unternehmen, dieses Buch überhaupt irgendwo gewinnbringend positionieren kann. Das ist eine ganz andere Entscheidung, als wenn ich mich als Schriftsteller an den Tisch setze und meine Texte verfasse. Das kann und muss ich ganz gut trennen, auch weil ich früher begonnen habe zu schreiben und erst dann als Verleger tätig wurde. Als Verleger bin ich vielmehr Wirtschaftstreibender.

Nach welchen Kriterien wählen Sie als Schriftsteller Ihre Verlage aus?

Ach, das ergibt sich alles. Über die Jahre hat sich das so ergeben, auch weil man weiß, in welche Verlage man mit seinen Texten hinein passt. Es gibt genügend Verlage, mit denen ich gerne zusammenarbeiten würde, bei denen aber die jeweiligen Profile nicht kompatibel sind. Die Art, wie ich schreibe, passt einfach nicht überall rein, und umgekehrt kann ich leider Gottes nicht so schreiben, wie es andere Verlage gerne in ihrem Programm hätten. Das ergibt sich ganz natürlich, je mehr man publiziert, je mehr man mit Leuten dort in Kontakt kommt, umso mehr entwickeln sich ganz natürliche Kooperationen, die ganz mit der Zeit wachsen. Ich habe mich nicht entschieden, da und da und da, sondern es hat sich einfach so ergeben. Weil ich eben verschiedene Genres bediene, brauche ich auch verschiedene Verlage.

Hilft Ihnen Ihre Erfahrung als Verleger beim Finden von Verlagen als Schriftsteller?

Würde ich so nicht sagen, weil ich schon publiziert habe, bevor ich als Verleger tätig wurde. Natürlich weiß man, wo man hingeht, wen man anspricht… Aber wenn der Text nicht passt für den Verlag, dann passt der Text einfach nicht. Außer dass ich die eine oder andere Telefonnummer kenne, hat sich nichts geändert.

Woher stammt Ihr Idealismus, in der heutigen Zeit einen Verlag zu gründen?

Ein ehemaliger Professor von mir hat mich immer sehr gut beschrieben, als „Kind des Zufalls“. Das trifft auch auf meine Tätigkeit zu …die Auseinandersetzung mit Schrift, mit Sprache. Schon als junger Mann, mit 15–16 Jahren, bin ich in der Literaturszene unterwegs gewesen. Habe damals auch zu anderen Verlagen Kontakt aufgenommen und irgendwann einmal war dann die Frage, „so, was mach ich?“. Zuerst war es nur ein Buch, das ich machen wollte. Und jetzt sind aus diesem einen Buch mittlerweile zehn Jahre geworden, mit über 100 Büchern. Man wächst eben hinein, man bekommt eine Leidenschaft dafür, es gefällt einem, Bücher selber zu machen. Und auf einer Seite ist jeder, der sich künstlerisch betätigt, ein eitler Mensch. Dann gibt es Interesse, Zuschriften, dass man etwas gut oder schlecht gemacht hat, dann macht man weiter und es stellt sich heraus, es reicht auch zum Leben. Dann kamen plötzlich die ersten Manuskripte und man muss sich die Frage stellen, ob man es schafft, ob man es machen kann. Und so ging es Schlag auf Schlag. Und ich habe einfach weitergemacht.

Das klingt jetzt so als ob Sie nicht recht viele Probleme gehabt haben…

…das will ich damit nicht sagen. Vor allem war ich sehr früh in der Literaturszene drinnen. Man kämpft natürlich schon, vor allem mit seiner Selbstwahrnehmung. Und man muss viele Jahre üben, man muss sich hinsetzen, man muss schreiben, zuerst für die Schublade. Ich habe auch zehn–12 Jahre  Bücher geschrieben, die alle keinen Verleger gefunden haben. Da sind auch sehr viele Enttäuschungen dabei, aber irgendwann wird es eine kleine „Meisterschaft“.

Sie haben gesagt, Schreiben ist ein Handwerk, Schreiben ist aber in gewisser Weise auch eine Kunst. Manche Künstler brauchen ein gewisses Ambiente, um arbeiten zu können. Ist es bei Ihnen ähnlich? Was brauchen Sie zum Schreiben?

Das hat sich auch mit der Zeit verändert. Anfangs glaube ich, bildet man sich ein, man bräuchte ein ganz besonderes Ambiente, eine ganz bestimmte Füllfeder oder eine ganz bestimmte Schreibmaschine. Aber mittlerweile schreibe ich egal zu welcher Tageszeit, weil ich ständig Geschichten im Kopf habe. Ich mache meine Beobachtungen, mache meine Notizen. Dann fließt das ein. Ich schreibe täglich, aber es ist so, dass ich es an mein sonstiges Tagespensum anpassen muss. Einmal ist es vormittags, einmal ist es nachmittags, einmal ist es am Abend. Das Einzige, das wichtig ist, dass mein innerer Zustand, mein Seelenzustand, dass die Atmosphäre in mir stimmt. Außen ist mir alles Wurst.

Sie sind vor kurzem mit ihrem Verlag von Innsbruck nach Wien gewechselt. Ist der Standort eines Verlages tatsächlich von Bedeutung? Warum sind Sie nach Wien gegangen?

Grundsätzlich war es eine persönliche Entscheidung. Der Herzensmittelpunkt liegt derzeit in Wien. Ich habe das nie so verstanden, dass der Verlag von Innsbruck nach Wien geht, sondern für mich war das eher eine Expansion. Ich bin regelmäßig in Innsbruck, ich habe hier meine Wurzeln, habe hier meine Kontakte, Veranstaltungen. Ich verstehe mich eigentlich als Innsbrucker–Wiener Verlag. Es war eben eine Expansion. In der öffentlichen Wahrnehmung ist es natürlich etwas anderes. Man wird es kaum glauben, aber wir waren in Tirol recht bekannt, auch in den Medien ganz gut vertreten. Die östliche Medienlandschaft berührte uns meistens nur sehr sporadisch. Und jetzt ist es bei den Medien so, dass das, was in Wien passiert, einfach interessanter ist oder zumindest schneller registriert wird, als wenn es ein einem Bundesland, in der so genannten Provinz, passiert. Aber wie gesagt, wir sind nicht weg aus Innsbruck, sondern wir haben nur Wien ein bisschen dazu erobert.

Zum Abschluss: Können Sie kurz, in zwei–drei Sätzen, sagen worum es in Ihrem neuen Roman geht, der demnächst erscheint?

Der Roman kommt demnächst beim Südtiroler Verlag Edition Raetia heraus und heißt „Zweite Liebe“ und handelt von den Wirrnissen einer Frau, die ihre Liebe sucht und zuerst nirgendwo findet. Eine Frau, die Karriere macht und neben ihrer Ehe eine Affäre beginnt, die allerdings lebensbestimmend wird. Der Roman beschäftigt sich im ersten Teil mit der Liebe und dem Scheitern der Ehe, mit den Wünschen und Träumen, die zerbrechen, und im zweiten damit, wie die Heldin mit sich und diesen Schicksalsschlägen umzugehen versucht. Ich würde nicht sagen, dass es ein tragisches Buch ist, ich habe auch versucht komische Elemente hineinzubringen. Und es ist, meine ich, gelungen.

Tipp – Martin Kolozs demnächst zu sehen:
05. November 2012, 19 Uhr, Thalia Wagner’sche, Innsbruck: Literarisches Duell – Streitkultur in der Buchhandlung.
06. November 2012, 19 Uhr, BH Morawa, Anichstraße, Innsbruck: Lesung aus dem Roman “Immer November”.

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