Na schau! – Bewegtes Leben

29.10.2012
Na schau! – Bewegtes Leben

NOTE: 9

„Na schau, die Carmen!“, entfuhr es mir bei den Bildern von der Jungscharfeier. Mitschülerin Carmen war damals klein, sportlich, beliebt. Später wurde sie erfolgreiche Wasserspringerin und Mutter von Tanja Cagnotto. Das Wiedersehen auf der Leinwand entführte in vergangene Zeiten. Es ist wohl auch dieser Na-schau!-Effekt, der den ungewöhnlichen Erfolg der Bozner Edition von „Bewegtes Leben“ ausmachte. Das Publikum hat dem Filmclub förmlich die Bude eingerannt, die erste Vorstellung wurde auf zwei Säle ausgedehnt, die zweite ist wieder ausverkauft. Im Rahmen eines Interreg-Projekts hatten die Landesfilmstellen von Tirol und Südtirol in den letzten Jahren Amateurfilmmaterial aus vergangenen Zeiten gesammelt, digitalisiert, gesichtet, geordnet und zusammengeschnitten. Ein erster tirolweiter, abendfüllender Film war vor einigen Monaten im Kino zu sehen. Jetzt gibt es das spannende Bozner Konzentrat (ab 2013 auch auf DVD).

Da marschieren Elefanten durch die Stadt, am Waltherplatz werden Hochseilkünste vorgeführt, die Grieser Feuerwehr zeigt sich bei einer Übung, die Jungschar bei ihrem Jahresfest, Autos fahren durch die Silbergasse, die Rittnerbahn fährt über den Waltherplatz, die Semiruralihäuser werden mit Brachialgewalt abgerissen. Die Zuschauer hat’s unterhalten, gefreut und gegruselt. Na schau! Erinnerst du dich noch? Na so was! Aha, so sah das damals aus! So oder ähnlich lauteten die nicht immer nur gemurmelten Zuschauerkommentare im Saal. Die eigentliche Nachricht aber ist, dass es vielfach italienische Boznerinnen und Bozner waren, die sich für den Filmabend interessierten. Film kann also auch Heimat schaffen, gemeinsame Heimat anhand von gemeinsamen Erinnerungen. So langsam bekommt diese Heimat auch für die Italienerinnen und Italiener in Bozen Konturen. Sie beginnen Wurzeln zu schlagen. Ein gutes Zeichen.

Erschienen in der Südtiroler Tageszeitung am 27./28.10.2012

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