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October 5, 2012

Den Horizont der Gesellschaft erweitern – Joachim Goller und Viktoria Obermarzoner über haut

Kunigunde Weissenegger

Nach Motiven von „Peer Gynt“ und “Nora“ von Henrik Ibsen, hat Joachim Goller „haut“ verfasst. Henrik Ibsen schildert 1867 in „Peer Gynt“ den Lebensweg eines Menschen, der auf der Suche nach sich selbst niemals zu sich selber findet, weil er sich stets selbst genügt. Es ist die Geschichte eines Glücksritters, der sich die Welt untertan machen will und am Ende erkennt, dass sein Leben einer Zwiebel gleicht: nur Schalen, aber kein wirklicher Kern.

Das Stück von Joachim Goller, aufgeführt vom JET, unter der Regie von Viktoria Obermarzoner und Joachim Goller, stellt sich die Frage nach dem Sein und dem Werden, erzählt vom Finden des Selbst, ohne ziellos davon fortzulaufen; von der Realität, in die man sich kaum ohne Widerstand eingliedern lassen will; der Unfähigkeit, den Gedanken Ausbruch und Ventil zu gewähren – dem Zweifeln an Beziehungen, Wahrheiten; von der unerfüllten Liebe und der Hartnäckigkeit bis zum Schluss den Glauben nicht zu verlieren. Es ist eine Suche mit vielen kleinen Schritten, die nach und nach Augen öffnet und Fassaden einreißt. Aufführungstermine: FR 05.10.2012 20.30, SO 07.10.2012 18.00, MI 10.10.2012 20.30, DO 11.10.2012 20.30, SA 13.10.2012 20.30, SO 14.10.2012 18.00 im Astra Kino in Brixen.

Im Interview Joachim Goller, Autor sowie Regisseur, und Viktoria Obermarzoner, Regisseurin.

Wie aktuell können heute Lebensgeschichten von Menschen aus dem 19. Jahrhundert sein?

Joachim Goller: Die Grundgeschichten der Menschen bleiben doch seit jeher die selben: Wer bin ich, was werde ich, was will ich? Natürlich ändert sich Gewicht und Dimension der einzelnen Thematiken von Epoche zu Epoche. Aber die Frage nach dem Ich, wie sie in Peer Gynt und Nora behandelt wird, ist wohl heute wie auch im 19. Jahrhundert von großer Bedeutung.

Warum die Motive aus Henrik Ibsens “Peer Gynt” und “Nora”?

Joachim Goller: Nach einer langen Stoffsuche für 2012 bin ich bald auf Peer Gynt gestoßen – ich wollte mich zwar zuerst nicht fixieren und habe noch viel anderes gelesen – bin aber immer wieder darauf zurückgekommen. Nora hat sich im Schreibprozess als ergänzende Figur einfach ergeben.

Was beschäftigt euch an diesem Stück besonders?

Joachim Goller: Die Fragen, die es aufwirft. Den Zweifel am bereits Bestehenden. Der Fakt, dass nach Außen hin eigentlich nichts passiert, aber jede Figur in sich zusammenbricht und wieder beginnt zu bauen.

Ist das Alter der Schauspieler bzw. der Protagonisten wichtig?

Joachim Goller: Grundsätzlich könnte jede Figur eine Figur jeden Alters sein. Dass aber das Zweifeln am eigenen Sein gerade durch die jungen Menschen – die ja gerade noch ungemacht und ohne Zwänge erscheinen – zum Ausdruck kommt, stärkt die Aussage, denke ich, sehr. Auch der geringe Kontrast zu Sorgen im höheren Alter kommt dadurch zum Ausdruck.

Mit welchen regietechnischen Mitteln arbeitet ihr?

Viktoria Obermarzoner: Wir arbeiten sehr viel mit Rollenarbeit, Verständnis des Verlaufs der Geschichte und den Hintergedanken zu Texten. Unsere Schaupspieler müssen die ganze Geschichte und ihre Rolle verstanden haben, um sie dann in der kurzen Zeit auf der Bühne so gut wie möglich zu präsentieren und so viel wie möglich von sich dem Publikum mit geben zu können.
Außerdem suchen wir gerne sehr viele Bilder, mit denen wir metaphorisch arbeiten können, und arbeiten wenig mit Requisiten. Die Zuschauer sollten angeregt werden ihre Phantasie zu benutzen und sich hinein zu fühlen; gerne benutzen wir auch Musik, um Texte und Gefühle zu unterstreichen.

Wie stellt man Suche und Zweifel auf der Bühne glaubwürdig dar?

Viktoria Obermarzoner: Gute Schauspieler sind zunächst natürlich von Vorteil. Aber auch zu verstehen, die Situationen als realistisch zu betrachten und zu denken, wie würde ich in dieser Situation reagieren, hilft dabei. Unsere Schauspieler werden auch von uns angeregt, zu erkennen dass Theater nicht verstellen ist, sondern vergrößern von Emotionen und Aktionen.

Nach welchen Kriterien sucht ihr eure Inhalte aus?

Viktoria Obermarzoner: Für uns ist wichtig, den Jugendlichen klar zu machen, dass die Themen der Klassiker auch heute noch aktuell sind. Sie sind vielleicht oft nur hinter der Sprache “versteckt“ und können, so einfach, nicht herausgelesen werden. Weiters ist uns wichtig, natürlich Themen zu nehmen, die die Jugend heutzutage betrifft oder betreffen sollte, und ebenso Erwachsenen zu zeigen, wir denken auch nach und sehen Dinge vielleicht aus anderen Blickwinkeln, die nicht falsch sein müssen, sondern den Horizont der Gesellschaft erweitern können.

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