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September 27, 2012

Echtes Ladiner Urgestein: Der Ursus Ladinicus im Museum Ladin

David Thaler

Es wäre wohl der Schreck einer jeden Dame, als Diät bewusste Vegetarierin, über eine Tonne Gewicht auf die Waage zu legen. Andererseits würde es sicherlich jeder Dame behagen, eine Behausung zu bewohnen, welche sich sozusagen von selbst einrichtet, fantastisch aussieht und – im wahrsten Sinn des Wortes – exklusiv  ist, weil es so eine Wohnung kein zweites Mal auf der ganzen Welt gibt. Wer, bitte schön, kann sich mit einem Eingangstor von fünf Metern Höhe und zehn Metern Breite rühmen und behaupten, dass es von der Decke tropft und niemanden nur annähernd stört? Lediglich für den Freundeskreis kann es ein klein wenig ungeschickt sein, auf Besuch vorbei zu kommen. Es führt leider keine Straße an diesen zauberhaften Ort, der überdies auch noch auf einer Meereshöhe von 2.800 Metern liegt.

Nun lass ich aber die Katze aus dem Sack: Die Rede ist von der Conturineshöhle, welche sich in einem abgelegenen Winkel der Gemeinde St. Vigil/Enneberg inmitten der Fanesalpe befindet. Bewohnt wurde diese Höhle vor ca. 40.000 Jahren von der Familie Großbär, genauer gesagt von den heute ausgestorbenen Höhlenbären; wissenschaftlicher Terminus: Ursus spelaeus.

Wissen tut die Menschheit dies seit dem Jahrhundertfund des Herrn Willy Costamoling aus Corvara, der sich am 23. September des Jahres 1987 während einer Wanderung unterhalb der Conturinesspitze in die „Höhle des Löwen“ wagte, und dabei in der „Salf de Ces“ (Schädelhalle) unzählige fossile Knochenreste nicht nur des Höhlenbären, sondern auch des Höhlenlöwen zu Tage brachte. Genaueres Wissen verdanken wir dem Team der Universität Wien, welches in drei Grabungen unter der Leitung von Prof. Gernot Rabeder die Höhle systematisch und unter teilweise äußerst widrigen Bedingungen erforscht hat. Und all dieses Wissen und noch mehr wurde nun für Herrn Otto und Frau Emma mitsamt Kind und Kegel aufgearbeitet und auf anschauliche Weise in St. Kassian im Gadertal im Bärenmuseum untergebracht.

Da dieser Fund nicht nur eine noch nie zuvor beschriebene Höhlenbärenart hervorgebracht hat, die zu Ehren der Bewohner des Gadertales die Bezeichnung Ursus ladinicus erhielt, sondern auch als kollaterales Plus neue Erkenntnisse über die Klimageschichte der Dolomiten und deren Veränderungen im Laufe des Pleistozän (Eiszeitalter) aufweisen kann, bilden die Museumsräume ein prähistorisches Rundumprogramm zwischen Paläontologie und Paläobiologie.

Wer also nicht so der bergschuhfeste Klettersteiger ist und sich den doch recht kräftezehrenden Aufstieg zur Höhle ersparen möchte, obwohl sein kindliches Forscher- und Entdeckerherz fest in ihm klopft, dem eröffnet sich die Möglichkeit, sich für eine Exkursion der gemütlicheren Variante zu entscheiden.

Das Untergeschoss des Museums kann mit einer Rekonstruktion einiger Bereiche der Kalkalpenhöhle aufwarten. Hier durch lässt es sich perfekt schlendern, fast so, als wäre man an Ort und Stelle. Schmuckstück dieser Etage des Museums ist eindeutig die detailgetreue Nachbildung des „schlafenden Höhlenbären“, dessen massiger und imposanter Körper einen jeden beeindrucken muss. Dass sich Höhlenbären ausschließlich von Bergkräutern, Korbblüten, Nelkengewächsen oder Glockenblumen ernährt haben, ist es für unsereins erstaunlich, wenn man bedenkt, welche Fettpolster sich der Höhlenbär mit rein pflanzlicher Nahrung anfressen hat können. Da im Winter auf dieser Höhe nicht ausreichend Pflanzen vorhanden waren, fielen die Bergriesen jener Zeit in ihren Energiesparmodus, den Winterschlaf. Es verwundert uns in heutiger Sicht aber doch sehr, dass damals auf über 2.000 Metern eine Fülle von Pflanzen wuchsen, was die Theorien der „Interglaziale“, also kurzer Wärmeperioden inmitten des Eiszeitalters, oder „Interstadiale“ (kleinere Wärmeschwankungen) bekräftigt. Doch das Klima blieb nicht ständig so günstig für den Ursus ladinicus. Dies ist wahrscheinlich der Grund seines Aussterbens (von ca. 20.000–12.000 Jahren vor heute). Es gibt aber auch Theorien die eine genetische Degeneration bzw. Selbstdomestikation nicht ausschließen, da außer dem Höhlenlöwen und dem Menschen keine natürlichen Feinde vorhanden waren.

Das Obergeschoss des Museum Ladin erzählt die Entstehung der Dolomiten und der sich in diesem kalk- und magnesiumhaltigen Gebirge gebildeten Höhlen und Tropfsteine. Eine Reihe von originalen fossilen Exponaten aus der Höhle und der Umgebung von St. Kassian, sowie die unter Mineraliensammlern beliebten Travenanzes Puppen (zusammengewachsene Gebilde aus einer Höhle im Travenzanes-Tal), verzieren die Ausstellungsräume.

Wenn ihr also eine Familienbergtour geplant habt und das schlechte Wetter euch einen Strich durch die Rechnung macht, dann seid ihr mit einem Besuch im Bärenmuseum trotzdem bestens bedient.

www.museumladin.it

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