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September 21, 2012

Umstrittene Bauten – Walter Niedermayr über das Ausstellungsprojekt seiner Fotografieklasse

Kunigunde Weissenegger

15 Studenten der Klasse für künstlerische Fotografie an der Fakultät für Design und Künste der Uni Bozen zeigen ab heute Abend 18 Uhr ihre Abschlussarbeiten zum Thema “Bindeglieder zwischen Vergangenheit und Zukunft –

Das kulturelle Erbe in Bildern”, mit dem sie sich im Sommersemester 2012 zusammen mit ihrem Professor Walter Niedermayr künstlerisch auseinander gesetzt haben. Ihre Arbeiten zeigen: Alexander Schmidt, André Rebelo, Benedikt Roiger, Chiara Perissinotto, Inga Brown, Ivett Polyak, Jing Chen, Marie Kreckl, Martin Verdross, Michela Campaner, Nils Enders-Brenner, Pascal Brückner, Pia Stiegler, Tobias Günther, Max Edelberg. Die Ausstellung ist bis 14. Oktober 2012 zu sehen.

Die Ausstellung findet im Rahmen der Jahrestagung “Umstrittene Denkmale – Der Umgang mit dem Erbe der Diktaturen” des Arbeitskreises “Theorie und Lehre der Denkmalpflege e.V.” in Zusammenarbeit mit der Freien Universität Bozen statt. Weiterer Anlass für die Ausstellung ist auch das Unibz Design Festival “Learning” der Fakultät für Design und Künste der Freien Universität Bozen zum zehnjährigen Bestehen.

Walter Niedermayr über das Projekt:

Wie präsent ist die Zeit des Rationalismus in Südtirol, hier besser bekannt als die Periode des Faschismus? Während der Zwischenkriegsjahre haben gravierende architektonische und städteplanerische Eingriffe stattgefunden und die Zusammensetzung der Bevölkerung hat sich grundlegend geändert. Die Bedeutung der Architektur, die vom Regime zielgerichtet eingesetzt wurde, ist bis heute in Bozen gut erkennbar. Zwei Strömungen in der Bautätigkeit, einerseits die Zweckbauten, wie Schulen, Sportanlagen und Freizeiteinrichtungen und andererseits die repräsentativen Monumentalbauten der römischen Politik wie Kulturgebäude, Denkmäler, Bahnhof, Brücken, Herrschaftsgebäude wie auch axiale Straßenanlagen. Die Studenten der Klasse für künstlerische Fotografie geleitet von Walter Niedermayr haben sich diesem Thema genähert, unterstützt wurden sie durch Literatur, durch Recherchen im Stadtarchiv und auch vom Landesdenkmalamt. Erzählt werden Geschichten, die mit dem Leben in dieser Stadt zu tun haben, in der mittlerweile schon mehrere Generationen mit diesem Erbe umgegangen sind und den politischen und ideologischen Fakten teilweise die Brisanz nehmen konnten. Das entstandene Gesamtbild macht auch deutlich, wie die Studenten, z. T. Ausländer mit dem Thema, emotionslos und ungehemmt umgehen, Zusammenhänge entstehen lassen, die eine Realität zeigen in der geschichtsträchtige Tatsachen mit einer Selbstverständlichkeit ihrem Eigenleben überantwortet werden und damit auch die Frage, ob sie weggeschafft werden sollen oder bleiben, belanglos erscheint.

Der Fotograf ist deshalb als fachkundiger Bildforscher des Bildwissens gefordert, also der bildhaften Geschichte. Er wäre derjenige, der aus Erfahrung im Umgang mit visuellen Praktiken eben die Fähigkeiten dazu hätte zu entscheiden, was sich für die Zukunft an visuell Mitteilsamen zu erhalten und zu erinnern lohnt. Als professioneller Arbeiter im Bildarchiv der Geschichte und der visuellen Kommunikation bedarf es an Fertigkeiten, die um Einiges über die fotografische Technik hinausgehen, denn Arbeiten am Bildwissen, am ikonischen, verlangt den gegenwartsnahen und geschichtlichen Kontext zum jeweiligen politisch, gesellschaftlichen Zusammenhang in den Bildern selbst zu erkennen.

Es geht deshalb bei diesem Projekt auch darum Bilder zu erstellen, die sich den Worten entziehen und zwar insofern, als dass sie durch diese nicht zu ersetzen sind. Nur dann, wenn Bilder diese Eigenständigkeit haben, kann auch der Betrachter die Bilderfahrung machen, die als wirkliche Leistung dem Fotografen anzurechnen ist. Gleichzeitig erfolgt auch eine Art Gedächtnisarbeit, bei der gesellschaftsrelevante Archive entstehen, die zu anderen Zeitpunkten für die Erinnerung benötigt werden können.

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