Virtuosen ihresgleichen: Lortie spielt Liszt

Er ist der berühmteste Virtuose des Fortepianos seiner Zeit gewesen. Umschwärmt von hysterischen Damen erlangte er einen Kultstatus den Heinrich Heine später als „Lisztomanie“ betitulierte. Die Rede ist von Franz Liszt (1811–1886). Das Wunderkind am Klavier hatte jedoch schon im Alter von nicht einmal 16 Jahren seinen Vater verloren und musste deshalb schon früh die Härte des Lebens spüren und die Familie mit seinem Talent durchbringen. Als er zeitlebens in Begleitung seiner Gemahlin Contesse Marie d’Agoult in die Schweiz auswandert ist, begannen für ihn seine Lehr- und Wanderjahre. Weil er auch etwas Schöpferisches für die Ewigkeit schaffen wollte, begann er neben dem bloßen unterrichten und konzertieren glücklicherweise auch das komponieren. Gerade die Erfahrungen jener Jahre widerspiegeln sich in dem „Cycle pour le piano Années de Pèlerinage“, seinem persönlichen Reisealbum, welchem der Konzertabend am 6. September gewidmet war.
Dieses Konzert, welches das heurige Klavierfestival Busoni abschloss, sollte abermals den Beweis darbringen, dass Liszt, auch wenn er oft heute noch im Schatten anderer Komponisten wie seinem Freund Richard Wagner steht, ein herausragend genialer Komponist war und ist. Und wer wäre da geeigneter als ein Busoni-Preisträger und Virtuose am Klavier unserer Zeit: Louis Lortie.
Der in Berlin lebende Frankokanadier erfüllte den Festsaal des „Herzogpalastes“, in welchem das Regierungskommissariat der Provinz Bozen untergebracht ist, mit vollen und imposanten Tönen, die an den prächtig farbigen Marmorwänden des Festsaales nur so herab perlten. Es war deutlich am Verhalten des Publikums abzulesen, wie ergriffen sie von den geschmeidigen tiefen Passagen waren und wie erstarrt vor Schreck sie dasaßen, sobald Lortie etwas härtere Töne anschlug. Manch anderer Gast konnte es sich nicht nehmen lassen, in kurzen Zuckungen dem wunderbar flüssigen und packenden Spiel Lourties zu folgen. Die zarten und melodisch fein gegliederten höheren Passagen riefen in mir ein Gefühl hervor, als würfe man Gold- und Silberplättchen über mich, gerade so wie im Märchen „Aschenputtel“ der Gebrüder Grimm. Passend sowohl zur Kulisse des hochwertig beschmückten Saales, passend aber auch zu den Geschichten, die Liszt in diesem Werk vertont hat. Gefeiert als Perfektionist und Schönling am Klavier, und doch finanziell zu abhängig, als dass er das Unterrichten an den Nagel hängen hätte können. Und Literatur war für ihn sowieso eine Quelle der kompositorischen Inspiration.
Ein Lob und ein Dankeschön für die ausgewogene Melodienreise im Klangformat an unseren einstmaligen Busoni Preisträger (1984) Louis Lortie, dessen Einspielung dieses Abends allen zu Teil kommen wird, die am 24. Oktober um 19.40 Uhr den Hörfunk des RAI Senders Bozen einschalten und seinen kostbaren Fingern lauschen.
Photo: Elias