Bella addormentata

10.09.2012
Bella addormentata

Bella addormentata

10.09.2012

Möglicherweise habt ihr schon Besprechungen zum neuen Bellocchio-Film „Bella Addormentata“ gelesen. Er ist am 6. September in den Kinos angelaufen, am Abend vorher feierte er als Wettbewerbsfilm in Venedig seine Premiere. Es dürfte ein Film sein, den man sich ansehen sollte, soviel ist gewiss. Bellocchio gehört zu den bekanntesten italienischen Filmemachern (Vincere), und er ist unbequem. Ich habe „Bella Addormentata“ noch nicht gesehen, wenn ich diesen Text schreibe – bin/war im Urlaub. Zeitgleich mit dem restlichen Italien zeigt der Filmclub diese ungewöhnliche Geschichte, die weder ein Märchen ist noch mit Dornröschen zu tun hat, dafür aber viel mit Schlaf. Jenem Schlaf, aus dem jemand wachgeküsst werden kann oder auch nicht, jenem Schlaf, der zum Tod führt. 2009 wurde in ganz Italien heiß darüber diskutiert, ob Leben auch mit Hilfe von Maschinen erhalten werden soll, oder ob man irgendwann abschalten darf. Der Fall der Koma-Patientin Eluana Englaro hatte das Land in Aufruhr versetzt. Und die Auswirkungen zeigen sich noch heute. So soll die Region Friaul Julisch Venetien eine Förderung für den Film gestrichen haben, nachdem die dortige Film Commission diese bereits genehmigt hatte. Der Grund dafür war das Thema. Ein Vorfall, von dem man nur hoffen kann, dass er nicht Schule macht. Wäre ja noch schöner, wenn über die Streichung von Mitteln Zensur ausgeübt wird, weil ein unbequemes Thema zur Sprache kommt. Bellocchio erzählt in „Bella Addormentata“ nicht etwa die tragische Geschichte der Eluana Englaro. Er erzählt von den sechs Tagen im Februar 2009, als in Udine um eine Entscheidung gerungen wurde, er stellt aber Menschen in den Mittelpunkt, die nur indirekt von der Thematik betroffen sind. Er erzählt von ihren Schicksalen, verflicht deren Geschichten, und immer geht es um Leben und Tod. Toni Servillo, Isabelle Huppert, Alba Rohrwacher, Maya Sansa sind in einigen der Hauptrollen zu sehen. Viel versprechend.

Bella Addormentata (I, 2012), 115. Min., Regie: Marco Bellocchio. Eben erst in die Kinos gekommen.

Erschienen in der Südtiroler Tageszeitung am 8./9.9.2012

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