Schräge Idylle – Moonrise Kingdom

27.08.2012
Schräge Idylle –  Moonrise Kingdom

NOTE: 6/7

Beginnen wir beim Gelungenen: Auch in diesem Anderson-Film fasziniert die Bildsprache (Kamera Robert Yeoman); jede Einstellung ist bis zur Perfektion durchkomponiert, da stimmt jeder Farbton, jeder Zoom ist Absicht, nicht Notlösung. Ähnlich durchdacht ist die Musik von Alexandre Desplat, der sich seinen Platz im Soundtrackhimmel immer deutlicher sichert. Was nicht von Desplat komponiert wurde, stammt aus Benjamin Brittens „Noahs Sintflut“. Der Rest kommt von Country-Sänger Hank Williams und von Francoise Hardy. Britten und die Sintflut haben im Film ihre eigene Rolle, um Country und Liebe geht es sowieso. Gelungen ist auch die Besetzung: Wes Anderson mixt Bruce Willis und Bill Murray mit Tilda Swinton und Frances McDormand, und er lässt die zwei Jungdarsteller Kara Hayward als Suzy und Jared Gilman als Sam ganz groß herauskommen. Die zwei sind im Film zwölf Jahre alt, und beide sind das, was man unter Problemkindern abbucht. Sam ist Waise, Suzy kommt mit ihrer Familie nicht klar. Nahe liegend also, dass sie gemeinsam abhauen, Sam aus dem Pfadfinderlager der Khaki Scouts, Suzy aus dem Haus ihrer Eltern. Das alles geschieht im zu Ende gehenden Sommer des Jahres 1965 auf Summers End. Die Pfadfinder, der Inselpolizist und die verstörten Eltern machen sich auf die Suche nach dem jugendlichen Paar, das sich innig liebt. Die Liebe, das Pfadfindertum, das bürgerliche Familienleben, die Frau vom Jugendamt, das alles liefert Wes Anderson stark überzeichnet. Anderson klagt an, entwirft Gegenwelten, zitiert aus der Filmgeschichte und spielt mit dem Artifiziellen. Bei mir hat er weder das Herz noch in die Lachreflexe getroffen. Kann gut sein, dass dies an meiner Tagesverfassung lag.

Moonrise Kingdom (USA 2012), 95 Min., Regie: Wes Anderson mit Bruce Willis, Tilda Swinton, Bill Murray, Frances McDormand. Bewertung: Schräg.

Erschienen in der Südtiroler Tageszeitung am 25./26.8.2012

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