Music

August 24, 2012

Dolcini und Corti verführen mit ihrer Liederreise

Parola all'ascolto
David Thaler

Bei geöffneten Fenstern, der Hitze wegen, hat sich ein Marienkäfer auf seiner Reise durch Ala im Konzertsaal des Palazzo de Pizzini auf meinem Oberschenkel wiedergefunden und ist nach kurzem Verweilen dann auch weiter seines Weges geflogen. Grund genug für die in ihren Goldrahmen gefangenen illustren Persönlichkeiten, darunter auch Mozart selbst, vor Fernweh nur so zu schmachten. Leider konnten sie jedoch nicht mehr tun, als an den Wänden herumzuhängen und sehnsuchtsvoll auf den Rücken des noch sehr jungen Sängers Renato Dolcini zu starren, der mit seiner kräftigen und doch angenehm weichen Baritonstimme bei so einigen hohen Tönen die Luft im Raum zum Vibrieren gebracht hat. Seine ausdrucksstarke Mimik und subtile Gestik ließen sein Temperament sogleich auf das Publikum überspringen und unterstrichen die Gefühlswelten, welche in den Liedern, Chansons und Canti von Mozart, Berlioz, Bizet, Viardot, Ravel und Montsalvatge beschrieben werden. Dolcini sang über laue Sommernächte, die Einsamkeit des Reisenden, über Abschiede, aber auch über die grundsätzliche Freude am Dasein, welche im Lied „Tout gai!“ von M. Ravel eindrucksvoll zum Vorschein kam und vom Publikum mit beherzt-freudigem Applaus belohnt wurde. Der technisch bereits sehr ausgereifte und emphatische Bariton wurde am Flügel von Francesco Corti begleitet, der in seiner jungen aber steilen Karriere eine ausgesprochene Reife im Achten auf die Bedürfnisse, den Gemütszustand und die Zeiten des zu Begleitenden beweist. Er überließ Dolcini jegliche Freiräume und unterstützend in seinem Spiel leitete er die Aufmerksamkeit auf den Gesang und die Liederreise, auf der sie beide uns mitnahmen. Es bedurfte ihnen wenig Blickkontakt, um einander zu verstehen. Gerade auch deswegen gelang der Abend ohne Störungen und mit zwei dankbaren Zugaben der beiden Musiker, die in eine sicherlich reichlich musikalische Zukunft blicken können. Zu wünschen bleibt ihnen einzig, dass sie noch viele andere mit ihrer Liebe zum Lied, zu den Sprachen, den Kulturen und dem Fernweh anstecken können.

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