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July 20, 2012

Kozuh legt die Finger in Tirols Wunden und hat Spaß dabei

Christoph Tauber

Markus Kozuh, bekannt in Tirol und Südtirol als Kabarettist, Poetry Slammer wird nun auch Schriftsteller: Im September wird bei Haymon sein erstes Buch „Voulez-vous KOSCHUH avec moi?“ erscheinen. In unserem Interview versucht er in zwei Schachtelsätzen das Problem der Agrargemeinschaften zu erklären und warum er keine Kabarettistenschule aufmachen würde, er aber dennoch in Schulen geht, um den Schülerinnen und Schülern Poetry Slam näher zu bringen.

Ich habe eine Telefonbuchrecherche gemacht: In Österreich gibt es vier Telefonbucheinträge mit dem Namen Kozuh, in St. Pölten und in Wien. In Deutschland gibt es neun Telefonbucheinträge und in Argentinien sind es zwei. Gib’s zu: du hast dein Telefon nicht angemeldet…

Nein habe ich nicht, die Telefonnummer ist auf meiner Homepage leicht zu eruieren. Was mich mehr schockiert ist, dass es in Argentinien Leute mit meinem Namen gibt. Wenn ich dran denke, welche Leute sich wahrscheinlich vor Jahrzehnten nach Argentinien abgesetzt haben, dann macht mir das ein bisschen Angst, aber auch nicht wirklich. Weil geschrieben wird der Name eigentlich mit einem „z“, nachdem die Leute aber nicht wissen, wie man das ausspricht habe ich es eben mit „sch“ geschrieben. Somit ist mein Künstlername eben „Koschuh“.

“Agrargemein” heißt dein Programm mit dem du in den vergangenen Monaten durch Tirol getourt bist. Die Südtiroler Leserinnen und Leser werden es nicht mitbekommen haben, worum es bei diesem Thema der Agrargemeinschaften eigentlich geht. Kannst du es in zwei Sätzen zusammenfassen?

In Tirol ist vor mehreren Jahrzehnten ein ziemliches Unrecht passiert, indem man… Warte jetzt muss ich noch einmal angefangen…

Schachtelsätze sind erlaubt…

In Tirol ist vor Jahrzehnten grobes Unrecht passiert, indem man von Seiten der Landesagrarbehörde den Gemeinden Grund genommen hat und den Agrargemeinschaften, sprich Bauern, übertragen hat. Diese Landesagrarbehörde hätte das aber nicht tun dürfen, ergo war es verfassungswidrig, weil niemand Einspruch erhoben hat im guten Glauben, dass die im Landhaus schon wissen, was sie tun, ist es schon bald rechtskräftig geworden. Es ist Rechtskraft erwachsen, war aber verfassungswidrig und da geht’s um ganz viel Grund und in Tirol hat der Macht, der Grund hat. Das Problem jetzt, das Unrecht hätte nicht passieren dürfen, ist aber passiert und jetzt geht es um sehr viel Geld und es geht um’s Prinzip, und darum dass einigen wenigen sehr viel Grund mit einem Masterplan zugesprochen wurde und das ist die große Krux an der Geschichte.

Es ist eine sehr kontroversielle Geschichte in Tirol. Du hast es trotzdem geschafft, es auf eine lustige Art und Weise rüberzubringen. Was war dabei die Herausforderung?

Die Herausforderung war zu unterscheiden zwischen Bauern und Agrariern, sprich die Mitglieder der Gemeindegutsagrargemeinschaften. Es geht mir im Programm nämlich nicht darum, die Bauern anzupatzen, die sollen ruhig ihr Vieh auf der Weide weiden lassen dürfen. Es geht um jene Mitglieder, in den Agrargemeinschaften, die nicht mehr Bauern sind, hier herunten ihre Häusln haben, aber noch Anteile an der Agrargemeinschaft haben und einmal im Jahr zur Hauptversammlung der Agrargemeinschaft 90.000 Euro abholen. Oder Agrargemeinschaften, die glauben es ist so schön, wir haben das Geld. Gemeinden sitzen auf Schuldenbergen und Agrargemeinschaften auf Millionen schweren Geldbergen. Und das kann es wirklich nicht sein.

Das ist ein sehr polarisierendes Thema in Tirol. Du hast dich trotzdem aus der relativ sicheren Umgebung von Innsbruck hinausgetraut. Hat es da einmal Zwischenfälle gegeben?

In Silz sind täglich die Plakate runtergerissen worden, der dortige Kulturausschuss hat das nachplakatiert. Dann diverse ominöse Drohanrufe, aber in Summe hätte ich es mir schlimmer erwartet. Es ist nicht so massiv eingetreten, bis auf einen Fall von Zensur in Osttirol vom Matreier Bürgermeister, der das Programm in seinem Ort nicht gespielt haben wollte, aber wir haben einen anderen Ort gefunden in Matrei.

Nicht nur dein Programm “Agrargemein” hast du in den vergangenen Monaten gespielt, sondern du bist auch in die Schulen gegangen, um Poetry Slam ein bisschen bekannter zu machen. Was habt ihr da gemacht?

Ich komme ja aus der Ecke das Poetry Slam und das war die Basis für das Kabarett. Und weil Poetry Slam eine sehr frische Form der Literaturvermittlung ist, haben wir von Text ohne Reiter – der Innsbrucker Lesebühne, es uns zum Ziel gesetzt, diesen Poetry-Slam-Gedanken in die Schulen zu tragen. Wir machen dort Workshops, wo wir nicht nur die Jungs und Mädels motivieren wollen, selber zu schreiben. Es ist dort Vieles möglich, was ansonsten an Schulen nicht erlaubt ist. Es macht irre Spaß und wir haben in den Workshops neue Leute entdeckt. Beim Poetry Slam geht es nicht nur darum zu schreiben, sondern auch so zu schreiben, dass es auf der Bühne dargeboten werden kann.

Stichwort Bühne. Du bist vergangenes Jahr auch auf der Bühne gestanden. Allerdings nicht als Kabarettist oder Poetry Slammer, sondern in einem Theaterstück. Wie war die Umstellung für dich als Solokünstler in der Gruppe zu spielen?

Ich wusste, dass es schwierig wird., Meine Texte schreibe ich mir selbst, in meinem Sprachduktus. In diesem Fall war es unheimlich schwierig, sich einen anderen Sprachduktus anzueignen und dies in dieser rasanten Komödie, in der alle Dialoge auf Anschluss gespielt werden. Danke an den Regisseur Florian Hackspiel, der mich angeleitet hat, ich habe jetzt noch mehr Demut für die Schauspieler, als ich davor schon gehabt habe.

Theater oder Kabarett?

Sehr gerne abwechselnd, mit einer eindeutigen Tendenz zum Kabarett. Theater ist auch sehr, sehr toll. Prinzipiell ist beides eine Bühnenkunst und wer einmal Bühnenluft geschnuppert hat, kriegt davon nicht mehr genug. Ich hätte heuer im Herbst ein Theaterstück spielen können, hab es aber dann doch abgesagt, weil es eine sehr, sehr schwierige Rolle gewesen wäre und ich mir die noch nicht ganz zutraue. Ich habe einen großen Respekt vor der Schauspielerei und habe dann gesagt: Danke für das Angebot, es ehrt mich wirklich, aber das traue ich mir noch nicht zu.

Die Politik gibt in Tirol und in Österreich einige Kabarettstückln her. Ist es für dich als Kabarettist schwieriger oder leichter geworden ein Stück zu schreiben?

Mir wurden in den letzten Monaten Sachen erzählt, wo man am Ende dann den Satz hört: „Da musst du einmal ein Kabarett schreiben“. Das hört man als Kabarettist sehr oft. Die Politik macht’s einem derzeit sehr, sehr leicht Kabarett zu machen. Nur muss man ein bisschen aufpassen, weil die Mächtigen mehr verbocken können, als die in der Opposition. Wenn man jetzt nur die Mächtigen abwatscht, dann kann das dazu führen, dass jene profitieren, von denen ich nicht will, dass sie profitieren. Da muss man mit großem Fingerspitzengefühl herangehen. Nicht jedes Fettnäpfchen, in das die Regierung oder der Landeshauptmann hineintritt oder wo er vorbeischießt, soll man ausnützen. Im Kabarett werden behutsam ausgewählte Sachen zum Thema gemacht, wo sich die Leute vielleicht nicht denken, dass man hier noch eine Träne rausdrücken kann.

Wie gehst du vor, wenn du ein Stück schreibst?

Zuerst suche ich mir ein Thema und dann schreibe ich einzelne Szenen und dann schau ich ob ich einen roten Faden durchkrieg. Vom Inhalt über den Titel zu den Szenen. Der Prozess kann kurz sein. Beim letzten Programm habe ich, zum Beispiel, zwei Szenen am Tag vor der Premiere geschrieben.

Hast du kreative Phasen, wo du an einem Tag schreibst und dann hast du die Hälfte vom Programm schon oder ist das eher ein längerer Prozess?

Unter Druck funktioniert’s am Besten, wenn also die Premiere kurz bevor steht. Und dann braucht’s kreative Schreibanfälle – die habe ich dann auch. Natürlich gibt’s auch ein paar Sachen, die einem irgend wann mal einfallen. Wichtig ist dann halt, immer etwas zum Schreiben dabei zu haben.

Du hast gesagt, du wählst sehr gezielt deine Themen aus. Trotzdem ist es immer auch ein Druck mit dem Finger in die Wunden der Tiroler Gesellschaft. Macht dir das Spaß?

Würd’s mir nicht Spaß machen, dann würd ich es nicht machen. Es macht Spaß, die Leute auf Themen hinzuweisen, die sie so vielleicht noch nicht bedacht haben. Es macht Spaß, wenn die Leute wieder beiläufig politisiert werden und Themen wieder kritischer hinterfragen. Und es macht Spaß, weil viele Leute erst durch dieses Programm das Thema der Agrargemeinschaften richtig verstanden haben. Das macht Spaß, wenn es dann so aufgeht.

Die schwierigste Frage zum Schluss: Warum bist du Kabarettist geworden?

Das ist eine sehr, sehr gute Frage. Wenn ich meine erste Bühnenerfahrung heranziehen würde, dann würde man dies nicht denken: Congress Innsbruck, Landesvolksschulsingen und ich bin bei meiner ersten Bühnenerfahrung ohnmächtig geworden und bin im Sanitätsraum wieder aufgewacht. Durch selbstkritische Hinterfragung politischer Einstellungen und dem Spaß, den ich an der Sache habe, bin ich dazu gekommen. Der Zuspruch, den man auch in den Bezirken erfährt, tut auch dem eigenen Ego gut, das kann man ganz offen sagen. Und ich muss sagen, als Kabarettist in Tirol gehört man zur aussterbenden Art, sonst gibt’s ja kaum mehr wen. Es gibt einige wenige, weil man immer auf die Fernsehprominenz schielt oder das, was aus Wien daher kommt.

Was sind deine nächsten Programme. Machst du eine Kabarettistenschule auf?

Eine Kabarettistenschule würde ich nie aufmachen, weil man so etwas nicht lernen kann. Was natürlich nicht Schaden kann, ist etwas Bühnenerfahrung, etwas schauspielerisches Geschick, aber das Witzigsein kann man nicht lernen. Man hat’s oder man hat’s nicht.

Hast du schon ein neues Programm?

Ich werde sicher im Herbst noch Agrargemein spielen; was am Jahresende noch ansteht, ist der Jahrmarkt der Heiterkeiten, ein kabarettistischer Jahresrückblick. Der wird sicher öfter gespielt werden. Ich werde natürlich auch weiterhin auf Poetry Slam Bühnen zu finden sein, und im Herbst kommt dann auch mein Buch „Voulez-vous KOSCHUH avec moi?”, eine Poetry-Slam-Textsammlung, heraus. Dann werde ich wieder durch die Lande ziehen. Österreich, Deutschland, Schweiz. Also es wird mir heuer sicher nicht fad.

Noch eine Frage: Südtirol hat ja auch Poetry Slam, aber nicht so ausgeprägt, wie in Tirol. Was fehlt in Südtirol?

Vielleicht muss man der Szene in Südtirol nur etwas Zeit geben zu wachsen. In Innsbruck hat es auch länger gebraucht, bis sich die Poetry-Slam-Szene manifestiert hat. Wir waren ja selbst schon in Bozen. Die Frage ist: Wollt ihr Poetry Slam selber anbieten oder sollen wir das mit anbieten?

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