Culture + Arts > Architecture

July 5, 2012

Vertiefung zur Verteidigungsanlage Bozen Süd vom Architekten Heimo Prünster

Franz

BUNKER, PHASE 2, DIE VERTIEFUNG (zu dieser Einführung)

Überblickskarte über die Sperre Bozen Süd, auch „Sbarramento Bolzano Sud“ genannt
Insgesamt bestand die Verteidigungsanlage aus 68 Bauten, 1 Panzergraben mit einer Gesamtlänge von 1770 m, 22 Kavernenbunkern, 36 Monoblock-Bunkern und 9 Bunkern gemischter Bauweise. Für die 67 Bunker waren insgesamt 2555 Mann Belegschaft vorgesehen.
Die Bozner Talsperre ist die an Bunkeranlagen gemessen größte Sperranlage in Südtirol und vielleicht auch die verschiedenartigste. Sie besteht nämlich aus zwei sehr unterschiedlichen Teilen: dem über den flachen Bozner Talboden gespannten östlichen Flügel und dem westlichen Überetscher Flügel, der beginnend bei Sigmundskron über die Überetscher Kante bis hinauf zu Schloss Hocheppan und Perdonig reicht.
Der östliche, Bozner Flügel musste einen leicht zu überwindenden, flachen Talboden befestigten. Aus Ermangelung an natürlichen Hindernissen musste hier ein Panzergraben errichtet werden, um einfallende Truppen in eine kesselartige Situation zwingen zu können. In den Felsen der östlichen Talseite unter der Haselburg sowie in den Felsen an der Westseite unterhalb von Schloss Sigmundskron wurden Kavernenbunker gebaut, die es ermöglichten, den Gegner auch von oben angreifen zu können.
Der westliche Flügel weist eine vollkommen unterschiedliche Geländemorphologie auf. Hier konnten die engen, natürlichen Talbuchten der Überetscher Anhöhe ideal genutzt werden, um kesselartige Situationen hervorzurufen. Man findet hier in jeder Tal-Einmündung kleinere Einzelgruppen von Bunkern.
Das in der Karte dargestellte Schussfeld (Reichweite der Waffen) der Talsperre unterschied sich in die Waffengattungen Infanterie und Artillerie. Infanteriewaffen haben eine kürzere Reichweite und ihre Geschosse eine annähernd gerade Flugbahn, Artilleriewaffen haben große Reichweiten und gekrümmte Flugbahnen. Infanteriewaffen finden sich vermehrt in den Bunkeranlagen, die in großer Nähe zum Gegner standen, die Artilleriewaffen fanden sich an den Rändern in eher größerer Distanz zum erwarteten Schlachtfeld. Die Talsperre war bewaffnet mit 180 Maschinengewehren, 17 Artilleriekanonen, 8 Panzerabwehrkanonen, 25 Mörsern und 12 Maschinenpistolen. Mit diesen Waffen konnte gesamtheitlich eine Fläche von 80,8 km² befeuert werden.

Organisationsschema des östlichen Sperrflügels im Süden von Bozen
Talsperren wurden über Kleingruppen von Bunkern organisiert. Jede dieser Untergruppen hatte einen Leitbunker (mit einem Stern markiert), der mit den Leitbunkern der anderen Gruppen kommunizierte und Befehle an die untergeordneten Bunker gab. Der gesamte Flügel wurde von Bunker Nr. 5 kommandiert. Leit- und Kommandobunker sind immer etwas nach hinten abgesetzt und wurden wenn möglich etwas höher positioniert, um einen besseren Überblick zu ermöglichen.

Eine Karte aus dem Jahr 1942, die einen Konflikt zwischen Stadtgemeinde Bozen mit dem italienischen Heer dokumentiert
Durch die in rot verzeichnete militärische Servitutszone war es der Stadtgemeinde untersagt, innerhalb dieser Grenze Bautätigkeiten durchzuführen. Für das einwandfreie Funktionieren der Talsperre war ein freies Schussfeld und somit freier Blick auf einfallende Truppen essentiell, aus diesem Grund durfte das Heer zum Zwecke der Landesverteidigung mittels Servituten Bautätigkeiten unterbinden. Dadurch wurde die Stadtentwicklung im Bereich der Industriezone erheblich eingeschränkt, wie aus den bereits geplanten und teilweise schon begonnenen Straßenzügen ersichtlich wird. Für jedes Gebäude, das innerhalb der Servitutsgrenzen errichtet werden sollte, musste eine Anfrage beim Heer gemacht werden. In den meisten Fällen durfte nicht gebaut werden, in anderen nur unter Auflagen wie z. B. einer Bauweise, die einen schnellen Abbruch ermöglichte. Auf dieser Karte ging es konkret um die in blau markierten Bauten.

Entwicklung der Bozner Industriezone 1939–1989: 

 

 

In diesen drei Karten (oben) ist die ungefähre Entwicklung der Bozner Industriezone abgebildet. Alle drei Phasen waren geprägt vom militärischen Servitut. Vor 1942 bis hinein in die 50er Jahre durfte nur sehr wenig gebaut werden. Als die neue Bahntrasse nach Meran errichtet wurde und bereits ein Bunker der neuen Trasse weichen musste, konnte der Zwickel zwischen Panzergraben und Bahnlinie verbaut werden. Erst gegen Ende des kalten Krieges wurde die militärische Notwendigkeit der Südtiroler Verteidigungsanlagen fraglich und immer mehr Gründe freigegeben.
Die Talsperre hat also über mehrere Jahrzehnte unsichtbar die Bozner Stadtentwicklung beeinflusst und sich in ihr abgebildet.

Überblick über die noch bestehenden Bunkeranlagen auf dem Bozner Talboden

Karte 1: ursprünglicher Zustand der Anlagen im Bereich der Bozner Industriezone:

 

Karte 2: bisher abgerissene Bunkeranlagen:

 

Karte 3: noch bestehende Bunkeranlagen:

Ein Überblick über die noch bestehenden Bunkeranlagen auf dem Bozner Talboden: Von ursprünglich acht Bunkern fiel der erste der Friedhofserweiterung zum Opfer (Nr.6), der zweite der Errichtung der neuen Bahntrasse nach Meran (Nr.9), der dritte der Remise der Stadtbusse (Nr.10), die beiden Bunker Nr. 15 und Nr. 13 mussten neuen Straßen Platz machen. Der Panzergraben ist zu einem guten Teil noch unterirdisch vorhanden: von den Friedhofsmauern bis zur Bahntrasse liegt er knapp unter Straßenniveau, der Weinbergweg und seine Verlängerung, die Giuseppe-di-VittorioStraße verlaufen genau auf dem Panzergraben, der vorher nicht abgerissen wurde. Von dort aus Richtung Westen dürfte der Grossteil der Anlage abgerissen worden sein.
Es existieren noch die Bunker 7, 11 und 14, wobei Bunker Nr. 7 sehr schwer zugänglich ist, Bunker Nr. 11 sich in Privatbesitz befindet. Bunker Nr. 14 war der Anlass dieses Themenschwerpunktes.

Grundriss und Schnitte des Bunkers Nr. 14, Projektstand 9. März 1940:

Grundriss und Schnitte des Bunkers Nr. 14, Projektstand 9. März 1940. Im Zuge der Planungen des Alpenwalls wurden immer wieder Veränderungen und Anpassungen an den Bunkern vorgenommen, teilweise sogar während die Bauarbeiten schon begonnen oder weit fortgeschritten waren: Positionen, Ausrichtung und Bewaffnung wurden verbessert, Tarnungsprojekte ausgetauscht, Bunker hinzugefügt oder weggelassen.
Auch an Bunker Nr. 14 wurden Änderungen vorgenommen. Der vordere Teil mit dem Kampfblock wurde vom Niveau her abgesenkt, um ihn weniger aus der Erde ragen zu lassen. Ebenso wurde das hier abgebildete Tarnungsprojekt verworfen und vollständig neu ausformuliert. Hier ist noch die Beschüttung mit Erdreich sichtbar, wozu an der Außenhülle durchgehende Konsolen angebracht worden wären, die das Erdreich vor dem Wegrutschen hindern sollten. Bunker Nr. 11 wurde beispielsweise auf diese Art getarnt.
Bei Bunker Nr. 14 entschloss man sich aber für eine Bauernhaustarnung. Dazu ließ man um den Bunker herum eine Mauer errichten und ihn mit einem Ziegeldach eindecken, um so einen für die Umgebung typischen Bauernhof zu imitieren. Auch der Eingangsbereich des Bunkers wurde auf den letzten technisch- militärischen Stand gebracht – mit der Errichtung einer Kaponniere, die hier sehr einzigartig ausgefallen ist, da sie nicht wie üblich im Grundriss kreisförmig, sondern rechteckig ausgebildet wurde. Aus tarnungstechnischen Gründen, wie schon in der Einleitung beschrieben.

Text und Grafiken von Heimo Prünster; weiterführende Informationen zum Thema “Italienischer Alpenwall findet ihr hier.

Print

Like + Share

Comments

Cancel reply

Current day month ye@r *

Discussion+

There are 2 comments for this article.

Related Articles