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June 29, 2012
Dorfgespräche der Architekturstiftung Südtirol: Architektur erklären ohne zu belehren
Kunigunde Weissenegger
Zeitgenössische Architektur in Weinwirtschaft und Tourismus waren die Themen der Dorfgespräche der Architekturstiftung Südtirol im ersten Halbjahr 2012. Jetzt ist kreative Sommerpause; im Herbst geht es dann in die zweite Runde – Themen werden dann “Neues auf Altes” und “Gewerbebauten” sein. Ein Resümee und Vorausblick mit Margot Wittig, Architektin und Koordinatorin der Gesprächsrunden und Besichtigungsfahrten.
Prinzipiell: Was ist der Anlass für die Gespräche, warum sucht die Architekturstiftung Südtirol das Gespräch mit Wirtschaft, Tourismus, Bauwesen usw.?
Architektur ist ein Teil unserer Kultur, stark vernetzt mit der Wirtschaft: Alle müssen sich ihrer Verantwortung bewusst sein, wenn sie ein Bauwerk in die Landschaft stellen wollen. Landschaft gehört allen, sie darf nicht zur Befriedigung von Privatinteressen zerstört werden. Bauen ist keine Privatangelegenheit, jeder Bau hat Auswirkungen auf seine Umgebung und somit das soziale Gefüge eines Dorfes oder einer Stadt.
Die Zielsetzung der Dorfgespräche sieht die Architekturstiftung Südtirols darin, eine offene Diskussionsplattform zu schaffen, die Bevölkerung zur Sprache kommen zu lassen und Berührungsängste abzubauen, Architektur zu erklären, um dadurch ein breiteres Verständnis für sie zu erhalten, das Thema Architektur und Landschaft der Bevölkerung allgemein näher zu bringen, kurz Menschen für Architektur zu begeistern, statt sie darüber zu belehren.
Schildern Sie uns kurz die Ergebnisse der beiden Gespräche in Tramin und Bruneck. Worauf muss gesetzt werden? Was kann für die Zukunft notiert werden?
Beim ersten Gespräch in Tramin, das großen Zuspruch unter der Bevölkerung gefunden hatte, ist klar geworden, dass Architektur im Wirtschaftszweig des Weinbaus immer wichtiger wird, dass sie einen Mehrwert für verschiedenste Branchen mitbringt, dass die zeitgenössische Architektur wichtige neue Gästeschichten anspricht: Weinkultur und Baukultur haben heute in Südtirol eines gemeinsam: Anspruch auf hohe Qualität. Es wurde jedoch darauf hingewiesen, im Umgang mit Baugrund sparsamer umzugehen und mehr auf die richtige Maßstäblichkeit zu achten. Weiters wurde den Bauherrn mit ihren Planern geraten, schon zu Beginn des Planungsprozesses zur Beratung in die Gemeinden zu gehen. Es gilt die Stärken des Lebensraums Südtirol zu nutzen und durch gezieltes Marketing und effiziente Kommunikation besser zur Geltung zu bringen.
Beim zweiten Treffen in Bruneck wurden Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen dem Wirtschaftszweig Tourismus, Baukultur und Architektur besprochen. Dabei ging es um den Versuch, auch hier die Erkenntnis entstehen zu lassen, dass eine rücksichtsvolle, auf den Ort eingehende Architektur zusammen mit der Wertschätzung von historischem Bestand einen großen Mehrwert für unseren Wirtschaftsstandort bringt. In der angeregten Diskussion wurde jedoch auch darauf hingewiesen, dass der Begriff Wirtschaftlichkeit nicht vergessen werden dürfe, die vermeintliche größere Wirtschaftlichkeit großer Strukturen auch manche „Bausünden“ verzeihe. Es wurde darüber diskutiert, wie weit Privatinteressen sich dem Allgemeinwohl unterwerfen müssen, um noch Spielraum für die Zukunft zu bewahren oder ob die Tatsache, dass der Tourismus Südtirol eine große Wertschöpfung garantiert und es hier keine Arbeitslosigkeit gibt – wie zum Beispiel im Comelico, vergessen lassen darf, dass wir dabei sind, unsere Landschaft – Kulturlandschaft wie Stadtlandschaft – zu zerstören. Es sind vielmehr die Stärke und Einzigartigkeit des jeweiligen Ortes zu hinterfragen, um diese dann für die Definition von Kriterien zu verwenden, welche der zukünftigen Gestaltung des Ortes zu Grunde liegen. Nur so kann der Gast unverwechselbare Eindrücke mit nach Hause nehmen und davon weiter erzählen. Zum Thema Urbanistik waren sich die Anwesenden einig, dass die urbanistische Gesetzgebung völlig neu zu schreiben wäre: Im Anschluss an die Ära Benedikter mit ihrer restriktiven Raumplanung, die eine Zersiedelung zu verhindern suchte, folgten Gesetze ohne übergeordnete Ziele und Konzepte, die sich nur um Einzelprobleme und Ausnahmen kümmerten und dies mit komplexen Gesetzestexten festhielten und so das heutige Urbanistikgesetz ein undurchschaubares Sammelsurium ist, das nur von Juristen und Experten interpretiert und gedeutet werden kann. Am Ende wurde klar, dass es gilt, die unterschiedliche Sichtweise verstärkt durch Gesprächsbereitschaft zu überbrücken: Es ist höchste Zeit weg zu kommen von dem „einer gegen den anderen“, es braucht unbedingt mehr Partizipation, mehr Einbeziehung und Aufklärung der gesamten Bevölkerung, ein gemeinsames Lernen, im Ganzen zu denken. Deshalb möchte die Architekturstiftung die Gelegenheit wahrnehmen, über diese Seite die Diskussion über Architektur fortzuführen.
Im September und November wird es eine Fortsetzung der Gespräche geben. Welches werden die Themen, Inhalte und Gäste sein?
Am 29. September im Vinschgau in der Markuskirche in Laas wird über neue Wege der zeitgenössischen Architektur im Umgang mit bestehender Substanz und den Wert der unterschiedlichsten Bautraditionen in unserem Land gesprochen. Einleitende Gedanken dazu bringen die Architektin Susanne Waiz, Landeskonservator Leo Andergassen, Buch- und Filmautorin Evi Keifl, der Künstler Manfred Alois Mayer, Architekt Stefan Marx, der Bürgermeister von Schlanders Dieter Pinggera sowie Unternehmer und Kunstmäzen Walter Rizzi. Das Gespräch moderiert wiederum Gerhard Glüher, Dekan der Fakultät für Design und Künste an der Uni Bozen. Während der vorausgehenden Besichtigungsfahrt besuchen wir die folgenden Bauten: die Pfarrei Tabland in Schlanders, das Haus Knoll-Thuille in Galsaun, die zu sanierende und erweiternde Grundschule Schlanders, das Gasthaus zur Krone in Laas, die Garage Jörg Hofer in Laas, das Zugdepot in Mals, Walter Dietl, das Museum im Kloster Marienberg in Burgeis. Und am 17. November sind wir dann in Brixen in der Produktionshalle von Damiani und sprechen über Gewerbebauten, die Gestaltung der Gewerbezonen und zeitgenössische Architektur, immer im Hinblick auf eine zukunftsgerechte Gestaltung unseres Wirtschaftsraumes. Einführen wird Virna Bussadori vom Amt für Landesplanung. Weitere Gäste sind Gabriele Crepaz, Verantwortliche für Produktentwicklung in der SMG; Peter Paul Kainrath, Kultur Medien Wirtschaft; Arno Kompatscher, Präsident des Gemeindenverbandes; Florian Kronbichler, freier Journalist; Ulrich Stofner, Direktor der BLS; Nikolaus Tribus, Präsident des TIS und Mitglied des Universitätsrates der freien Universität Bozen sowie Michaela Wolf, Architektin. Besichtigt werden die Gewerbezone Welschnofen, der Holzblock in Pontives, das Kieswerk in Vahrn, die Plose in Brixen sowie Damiani in Brixen.
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