Cesare deve morire: Kultur im Knast

NOTE: 7/8
In Cannes war Aniello Arena, der Hauptdarsteller von Matteo Garrones „Reality“, sehr gelobt. „Cesare deve morire“ und „Reality“ haben miteinander zu tun. „Reality“-Hauptdarsteller Arena lebt im Hochsicherheitstrakt von Volterra und hat inzwischen 20 von insgesamt 40 Jahren abgesessen. Die Hauptdarsteller von „Cesare deve morire“ leben im Hochsicherheitstrakt von Rebibbia. Für „Cesare deve morire“ haben die Brüder Taviani in Berlin den Goldenen Bären bekommen, jetzt läuft der Film im Kino.
Er beginnt mit dem Schlussapplaus, und damit endet er auch. Dazwischen begleiten die Brüder Taviani die Inszenierung von Shakespeares „Julius Cäsar“ durch die Theatergruppe in Rebibbia, und diese Menschen kommen einem näher. Als sich am Ende des Films die Zellentür hinter einem Mörder schließt, sagt er, das Theater habe sein Dasein verändert. Dasselbe erzählt sein Kollege Aniello Arena: „Das Theater hat mich zu einem anderen Menschen gemacht. Es hat mir die Augen geöffnet, hat mich gelehrt, den Menschen zuzuhören und ihre Beweggründe zu verstehen. Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal ein Buch aufschlagen würde, und noch weniger, dass ich Brecht oder Shakespeare spielen würde“.
In Volterra hat Regisseur Armando Punzo die „Compagnia della Fortezza“ ins Leben gerufen. In Rebibbia hat Fabio Cavalli inszeniert. Aniello Arena durfte nur zum Drehen hinaus, die Brüder Taviani sind zum Drehen in den Knast gegangen. Die Brüder Taviani erzählen in sehr suggestivem Licht zwischen Schwarzweiß und Farbe. Brutus ermordet Cäsar, und für ein paar Augenblicke mischen sich Theater und Wirklichkeit, kommen Geschichten hoch, Erinnerungen. Die Schauspieler sind auch als Menschen zu sehen. Einige von ihnen haben ihre Strafe abgesessen und sind bei Theater und Kultur geblieben. Auch das erzählt der Film.
„Cesare deve morire“ wurde von der Kritik zwiespältig aufgenommen. Dass ausgerechnet Shakespeare inszeniert wird, findet seinen tieferen Sinn wohl in der Männergesellschaft, die ein Gefängnis notgedrungen ist. Dass die Darsteller in ihrem Dialekt sprechen, irritiert nur in der Einhör-Phase. Die 76 Kinominuten sind eine Herausforderung, die sich allein schon wegen der Bilder und der hervorragenden Laien-Schauspieler lohnt.
Cesare deve morire, (I, 2012), 76 Min., Regie: Vittorio Taviani, Paolo Taviani, Bewertung: Sehenswerte Herausforderung
Erschienen in der Südtiroler Tageszeitung am 26./27.5.2012