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May 30, 2012

Bunker 14: Statement von Leopold Steurer

Franz

Standpunkt von Leopold Steurer, Historiker, zum Thema Bozner Bunker Nr. 14 (für den allgemeinen Einführungsartikel hier klicken…)

Historisches

Die Verteidigung der staatlichen Unabhängigkeit Österreichs und die Verhinderung des „Anschlusses“ war eine Grundkonstante der italienischen Außenpolitik Italiens 1918–1938.
Denn nur dadurch konnte Italien erfolgreich die mit dem Friedensvertrag von 1919 erreichten territorialen Gewinne im Norden und Nord-Osten sowie (über die guten außenpolitischen Beziehungen zu Wien und Budapest) seinen Einfluss im Donauraum realisieren.
Außer über die Einflussnahme auf die (christlich-soziale) Bundesregierung in Wien versuchte Mussolini dieses sein Ziel vor allem über die politische und finanzielle Unterstützung der philofaschistischen Heimwehrbewegung in Österreich durchzusetzen.
Der Versuch einer gewaltsamen Annexion Österreichs an das Dritte Reich von Seiten der (seit Juni 1933 illegalen) österreichischen Nationalsozialisten vom 25. Juli 1934 („Juli-Putsch“) hatte in Rom einen Schock ausgelöst. Nunmehr kam das faschistische Regime Italiens zur Überzeugung, dass neben der politischen und ökonomischen Einflussnahme die staatliche Unabhängigkeit Österreichs präventiv auch durch militärische Maßnahmen abgesichert werden musste:
Der Plan für den VALLO ALPINO DEL LITTORIO, nämlich eines Festungsgürtels entlang der gesamten Grenze im Norden und Nord-Osten Italiens, wurde geboren.

Dass der vallo alpino del littorio trotz der offiziell von den beiden Diktatoren  seit Oktober 1936 immer wieder verkündeten engen Freundschaft zwischen dem faschistischen Italien und NS-Deutschland in den Jahren 1938–1943 erbaut wurde, zeigt nur das tiefe Misstrauen, das in politischen und militärischen Kreisen Roms gegenüber den Versprechungen Hitlers und den Zusicherungen Berlins in Bezug auf Südtirol und die Brennergrenze herrschte.
Adolf Hitler hatte Benito Mussolini  in seinem persönlichen Brief vom 11.03.1938 anlässlich des Einmarsches der deutschen Truppen in Österreich und darauf  noch einmal bei seinem Staatsbesuch in Rom vom Mai 1938 die Brennergrenze als die endgültige Grenze zwischen Italien und dem Dritten Reich erklärt. Auf Drängen Italiens war die Garantie der Brennergrenze schließlich auch in den Text des „Stahlpaktes“ vom Mai 1939 explizit aufgenommen worden. Doch all dies genügte dem faschistischen Regime offensichtlich nicht.
Dass die Achse Rom-Berlin auf der Ebene der allgemeinen Volksmeinung sowohl in Deutschland wie in Italien alles andere als beliebt war, dies war den faschistischen wie nationalsozialistischen Machthabern zur Genüge über die Informationen ihrer totalitären Polizeiapparate (Gestapo und Ovra) bekannt. Der Bau des vallo alpino del littorio brachte aber auch die Skepsis und das Misstrauen der politisch-militärischen Führungselite des faschistischen Italien zum Ausdruck.
Auf ein besonderes Interesse stieß der Bau des vallo alpino del littorio naturgemäß bei der deutschsprachigen Bevölkerung Südtirols, deren politische Aspirationen vor allem auf eine Revision der Brennergrenze gerichtet waren. Seit 1933 richteten sich diese Hoffnungen vieler Südtiroler nicht mehr so sehr auf Wien, sondern immer stärker auf Berlin, auf ein militärisch und politisch wieder erstarktes Deutschland. Die im illegalen Völkischen Kampfring Südtirols (VKS) organisierten Südtiroler Nationalsozialisten speziell erhofften sich dabei diese Revision der Brennergrenze auch mit ganz unterschiedlichen Begründungen: Entweder als ein Geschenk Mussolinis an Hitler im Rahmen der Freundschaft des Achsenbündnisses (wie etwa zur Zeit des Abessinienkrieges 1935–36) oder als Folge eines Bruches der Achse Rom-Berlin und dem darauf folgenden Einmarsch der Truppen des Dritten Reiches.
Seit dem Anschluss Österreichs wurden von Mitgliedern des VKS von den im Bau befindlichen Bunkeranlagen und Militärstraßen auch Fotoaufnahmen gemacht und Maßstabskarten gezeichnet und diese militärischen Stellen des Dritten Reiches übergeben.
Selbst nach der 1939 einvernehmlich zwischen Rom und Berlin beschlossenen Umsiedlung der Südtiroler, die offiziell eine „endgültige und radikale Lösung“  des Problems Südtirol hätte bringen sollen, hörten Spekulationen über eine eventuelle Revision der Brennergrenze in politisch-militärischen Kreisen Roms und Berlins, vor allem aber unter der Südtiroler Bevölkerung nicht auf.
Ein für diesen Sachverhalt typisches Dokument ist ein Bericht des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD, SS-Gruppenführer Reinhard Heydrich, an Außenminister Joachim von Ribbentrop vom 25.11.1940, in dem es heißt:

„Aus den Berichten verschiedener Gewährsleute in Italien, ergibt sich folgendes Teilbild über die augenblickliche Lage im Südtiroler Umsiedlungsgebiet…
Bekanntlich sah die Südtiroler Bevölkerung in der Abgabe ihrer Stimme für Deutschland ( anlässlich der „Option“ vom Herbst-Winter 1939  –  LS ) mehr eine politische Demonstration, als an ein tatsächliches Durchführen der Umsiedlung zu glauben. Diese Ansicht hat sich bis heute nicht geändert und insbesondere bei der Bauernbevölkerung glaubt man, dass die Südtiroler ihre Heimat letzten Endes doch noch durch ein Machtwort des Führers behalten würden.
Dass alle täglichen Handlungen und Äußerungen seitens Reichsdeutscher wie Italiener in diesem Sinne ausgelegt werden, ist verständlich. So hatte der verstärkte Ausbau der italienischen militärischen Stellungen in Südtirol in letzter Zeit einen unheilvollen Einfluss ausgeübt. Die Italiener  verwirklichen ihre schon seit längerer Zeit festgelegten Pläne und bauen mit großem Kräfteeinsatz Hunderte von Bunkern im Gebiete Brenner  bis Meran und Umgebung. Diese Tatsache allein hätte genügt, das Misstrauen gegen die Achse zu vertiefen. Unvorsichtige Äußerungen von italienischen Offizieren haben das ihre dazu beigetragen, das Misstrauen in feste Meinung werden zu lassen. So erklärte ein Offizier auf eine Anfrage eines Südtiroler Bauern , gegen wen die Bunker gebaut würden:  ‘Italien schläft gern hinter geschlossenen Türen’. Fast sämtliche italienische Militärs nennen die neuen Bunkerlinien ‘linea non mi fido’, d.h. die ‘Ich trau-dir-nicht-Linie’.
Obigen Sachverhalt bringe ich deshalb zur Kenntnis, da durch den mit unverhältnismäßig großen Mitteln geförderten Ausbau  der Bunker die Südtiroler Meinung im Sinne einer späteren  Auseinandersetzung zwischen Deutschland und Italien betreffend Südtirol beeinflusst wird, welche Tatsache nicht gerade geeignet ist, die ohne hin kritische  Lage zwischen Südtirolern und Italienern zu beruhigen“.

Persönliches 

Geboren und aufgewachsen bin ich auf der Burgruine Strassberg, südöstlich von Gossensass ca. 200 m oberhalb der in der Talfurche verlaufenden Brennerstraße auf einer Anhöhe gelegen, zur Fraktion Ried und damit zur Stadtgemeinde Sterzing gehörig. Wer heute über die Brennerautobahn von Gossensass Richtung Sterzing über die sogenannte italienische Variante der „Europabrücke“ fährt kann von der genau vis-a-vis gelegenen Ortschaft Steckholz/Tennewies und den dort erbauten Bunkern auf die Burgruine hinüberblicken.
Meine Familie hatte die ausgedehnte Berg-Landwirtschaft von Strassberg schon von meinem Großvater her bis 1963 von der Familie des Barons von Sternbach (Sterzing bzw. Schloss Wolfsthurn in Mareit) im Pachtverhältnis  übernommen und bearbeitet. Die Bearbeitung war infolge des vielfach steilen Geländes sehr arbeitsaufwendig, schwierig, oft auch gefährlich und warf wenig ab.
Der Pachtzins wurde bis zum Ende außer in Geld immer auch in Form der Abgabe von Naturalien entrichtet. So mussten wir Kinder regelmäßig zweimal im Monat uns mit einem Tragkorb bzw. einer Stofftasche zu Fuß nach Sterzing begeben, um in der Wohnung des Herrn Barons die vereinbarte Menge von Eiern und Butter abzugeben.
So wie im gesamten Gebiet Gossensass-Brenner wurde bald nach dem Anschluss Österreichs auch direkt unter der Burgruine Strassberg mit dem Bau einer Bunkeranlage begonnen.
Das Aushubmaterial wurde gleich vor Ort in den östlich bzw. bergseits der Burg befindlichen kleinen See geschüttet. Dadurch wurde der nur wenige Meter tiefe  See in zwei Teile zerschnitten, dessen südlicher Teil  später durch einen Durchstich des Dammes überhaupt aufgelassen und in ein fruchtbares Feld bzw. Ackerland umgewandelt.
So  ist mir die Welt der „Mussolini-Bunker“ schon aus meiner Jungendzeit her wohl bekannt, da wir Kinder auf der Burgruine Strassberg zusammen mit gleichaltrigen Mitschülern und Jugendlichen, mit selbst gebastelten  „Fackeln“ oder Taschenlampen bewaffnet, gelegentlich diese Bunkeranlagen erkundeten. Dies war ein alles andere als ungefährliches Unternehmen, aber es ist Gott sei Dank nie etwas Schlimmeres dabei passiert.
Claus Gatterer hat in seinem autobiographischen Roman von 1969  „Schöne Welt  -  böse Leut“ unter anderem auch die Bestechlichkeit des faschistischen Regimes an  Hand des Verhaltens von Polizeiorganen (Carabinieri und Finanzieri) und Verwaltungsbeamten (den Podestàs, d. h.  Amtsbürgermeistern) beschrieben. Eine Verhaltensweise also, die in einem demokratischen Regime durchaus  zu Recht als verwerflich und unmoralisch gelten, unter den Bedingungen eines totalitären Regimes aber auch dazu führen kann, dieses etwas weniger inhuman und für die Betroffenen leichter erträglich zu machen.
Etwas Ähnliches wie von Gatterer beschrieben gab es offensichtlich öfters auch bei den mit dem Bau der Bunkeranlagen beauftragten Firmen. Aus Interviews mit vielen Zeitzeugen jener Jahre von Faschismus, Nationalsozialismus und Weltkrieg weiß ich nämlich, dass nicht selten diese Firmen die ihnen vom Militär zur Verfügung gestellten Baumaterialien wie Zement oder Eisen-  und Stahlträger nicht wirklich verbauten, sondern auf dem Schwarzmarkt an Privatpersonen oder andere Baufirmen verkauften. Zement, Eisen und Stahl waren damals nämlich sündteure und der strengen Kontrolle und  Kontingentierung unterliegende Materialien und offensichtlich wurden nicht wenige Tonnen dieser wertvollen Baustoffe nicht unnützerweise in militärische Objekte wie Bunker und Stollen hinein „verbuttert“, sondern zum beiderseitigen Vorteil für Verkäufer und Käufer für zivile, friedliche, bessere Zwecke verwendet.
Erst auf dem Hintergrund dieser Informationen verstand ich später auch den oft gehörten politischen Witz, der in jenen Jahren des Weltkriegs in Südtirol erzählt wurde. Fragt da einer den anderen:
„Weißt du eigentlich woraus der Stahlpakt Berlin-Rom wirklich besteht?“
 „Nein“
„Von Berlin bis zum Brenner aus Kruppstahl“
„Und vom Brenner bis Rom?“
„Aus Diebstahl!“.
Von den Erzählungen meiner Mutter her kenne ich einige weitere Episoden aus jenen Jahren des Bunkerbaus 1938-1943 bzw. der Kriegsjahre 1943–45.
Verschiedene Arbeiten beim Bau der Bunker waren vom Kriegsministerium an private Firmen vergeben worden. Die Arbeiter dieser zumeist aus dem Veneto stammenden Firmen waren in einfachen Wellblech-Hütten, versehen mit einer Art „Feldküche“, Stockbetten und rudimentären sanitären Einrichtungen (Waschgelegenheit, „Plumps-Klo“ etc.), in der unmittelbaren Nähe der Baustelle untergebracht. Den Großteil der benötigten Verpflegung  für die Arbeiter brachte die Baufirma mit, aber einige Lebensmittel, wie Butter, Milch, Eier oder Speck, kauften die Arbeiter zu günstigen Bedingungen öfters auch bei meiner Mutter ein, die somit ein wenig Geld für den wöchentlichen Einkauf der zwar insgesamt wenigen, aber doch notwendigen Utensilien für  Küche und Haushalt (wie Zucker, Mehl, Salz etc.) einnahm.
Zwischen diesen italienischen Bauarbeitern beim Bau der Bunkeranlagen und meinen Familienangehörigen entwickelte sich ein durchaus freundschaftliches Verhältnis. Da es sich fast sicherlich um „Arbeiter der ersten Generation“ handelte, also um junge Burschen und Männer, die aus Bauernfamilien aus dem Veneto stammten, war diesen Männern die bäuerliche Welt, wie z. B. die Arbeit auf dem Feld und der Umgang mit den Tieren, vollkommen vertraut.
So kam es gelegentlich auch vor, dass diese Arbeiter für ein paar Stunden ganz problemlos beim Einbringen des Heus mit halfen, wenn dieses etwa wegen eines drohenden Gewitters schnell in die Scheune gebracht werden musste.
Es war dies eine Form spontaner „Nachbarschaftshilfe“ über ethnisch-sprachliche Grenzen hinweg, auch wenn die gegenseitige Verständigung sich notwendigerweise wohl nur auf wenige italienische Wortbrocken beschränken musste.
Dafür erhielten diese Arbeiter wahrscheinlich eine Gratis-Marende oder ein Stück Speck, wenn sie nach mehreren Wochen ununterbrochener Arbeit wieder einmal für ein Wochenende zu ihrer Familie nach Haus fuhren.
Ich nehme an, dass meine Mutter damals auch zum ersten Mal Bekanntschaft mit einigen Dingen der italienischen Küche wie Nudel, Reis, Sugo, Parmesankäse (wir selbst kannten ja immer nur den auf der Alm produzierten „Graukas“!), vielleicht auch Sardinen oder Thunfisch in Dosen, machte und diese (im Unterschied zu meinem allem Italienischen und den „Ithakern“ gegenüber prinzipiell und total skeptischen bis ablehnenden Vater!) nicht nur kennen sondern auch schätzen lernte.
Gut erinnern kann ich mich jedenfalls, dass mir meine Mutter erzählte, dass diese italienischen Arbeiter als Dank für erhaltene Mitbringsel (wie Speck oder Butter) für ihre Familie ihrerseits von zu Hause verschiedene Arten von Gemüse wie zucchini, melanzane, Tomaten oder Melonen mitbrachten. Aber da bei uns zuhause niemand wusste, wie diese Dinge „zuzubereiten“ waren, wurden sie (ganz nach dem Motto „Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht“) einfach…den Schweinen verfüttert!
Mit dem ersten Bombenangriff auf Bozen vom 2. September 1943 begann auch in Südtirol ein ganz neuer Aspekt des Weltkrieges. Die Unterbrechung der Brennerbahn-Linie als der wichtigsten Verbindungs-  und Nachschubs-Linie Nazi-Deutschlands zum besetzten Italien war denn auch eines der Hauptziele der alliierten Bombenangriffe. Einige Male ist dies ( wie z. B. durch die Sprengung der „Loreto-Brücke“ südlich des Bahnhofs Bozen ) für kurze Zeit auch gelungen.
Die Zerstörung (vor allem) des Bahnhofsviertels in Bozen, die vielen Bombenkrater entlang der Brennerbahn im Südtiroler Unterland (zwischen Bozen und Salurn) oder etwa im Abschnitt südlich von Sterzing (des Verladebahnhofs im „Sterzinger Moos“ zwischen Sterzing und Freienfeld-Trens) waren bzw. sind bis heute Zeugen dieser alliierten Bombenangriffe, die außer Zerstörungen auch mehrere Dutzende von Todesopfern forderten. Einige Male wurden bekanntlich selbst noch in den letzten Jahren bei Grabungsarbeiten entlang der Brennerbahnlinie nicht explodierte Bomben aus der Zeit 1943-45 gefunden, die dann jedes Mal von einem Experten des Heeres fachmännisch entschärft werden mussten.

Mit dem Bombenkrieg 1943–45 erhielten zumindest einige der Bunkeranlagen in Südtirol eine vollkommen neue Funktion. In der Nacht vom 8./9. September 1943, anlässlich des Kriegsaustritts Italiens, waren die in den Bunkern befindlichen Mannschaften ohne irgendwelchen Direktiven geblieben. Von Einheiten der Wehrmacht bzw. SS (oft unter logistischer Begleitung und Mithilfe des von den Südtiroler Nazis bereits im August 1943 aufgestellten Sicherheits-  und Ordnungsdienstes)  umstellt und zur Kapitulation aufgefordert blieb den italienischen Soldaten nichts übrig als sich zu ergeben. Die meisten von ihnen taten dies wohl auch in der Hoffnung und Überzeugung, dass für sie der Krieg nun endlich aus sei. Nur in ganz wenigen Fällen gab es bewaffneten Widerstand mit Toten (auf beiden Seiten).
Nun wurden die ursprünglich gegen eine mögliche Invasion aus dem Norden gebauten Bunkeranlagen oft zu Luftschutzbunkern im  Kampf gegen den „alliierten Bombenterror“ (wie es im Nazi-Jargon hieß). In der Tat flüchteten sich bei den nicht gerade seltenen Bombenangriffen im Raum Sterzing so wie meine Familienangehörigen auch viele der in der näheren Umgebung wohnenden Menschen bei Bombenalarm in die unter der Burgruine Strassberg gelegenen Bunker.
Bei Kriegsende im Mai 1945 waren einige dieser Bunker voll von Materialien, die die deutsche Wehrmacht bei ihrem Rückzug aus Italien hierher gebracht hatte: Munition, Waffen, Lebensmittel, Medikamente, Uniformen, Werkzeuge, Ausrüstungsgegenstände der verschiedensten Art.
Über das weitere Schicksal bzw. Verschwinden all dieser Materialien schossen bald nach Kriegsende wilde Gerüchte ins Kraut. Stimmen wollten wissen, dass sich verschiedentlich Personen durch den Diebstahl derartiger, oft auch wertvoller Materialien bis hin zu Kriegskassen, bereichert haben sollen.
Im Falle meiner Familie weiß ich nur, dass in den 50er und 60er Jahren meine älteren Brüder bzw. mein Vater und Onkel gelegentlich bei Arbeiten im Stall oder im Wald Jacken bzw. Hosen von Uniformen der Wehrmacht, manchmal auch Filszstiefel der faschistischen Miliz („stivali di orbace“) trugen. Wahrscheinlich hatten sie diese Dinge bei Kriegsende aus den Materialien in den Bunkern mitgenommen. Haltbarer und guter Stoff für Arbeitskleidung war in jenen Jahren ja auch noch sehr teuer und da konnten diese „Kriegsrelikte“ gute Dienste leisten. „Kriegsgewinnler“ waren wir deswegen zweifellos nicht.

Schluss

Faschismus und Nationalsozialismus begegneten sich in Südtirol sowohl als Freunde wie als Feinde. Als Freunde vor allem auf ideologischer Ebene (wegen des Kampfes gegen die gemeinsamen Feinde  und deshalb gemeinsamer politischer Auffassungen vom Führerprinzip über die Volksgemeinschaft bis zum totalitären Polizeistaat). Die offizielle Begegnung einer Abordnung von Faschisten und Nationalsozialisten auf den Stufen des Siegesdenkmals in Bozen anlässlich der Feier zum zehnjährigen Gedenken an den Marsch auf Rom am 28. Oktober 1932 war klarer  Ausdruck dafür.
Dagegen waren die harte Verfolgung der sich seit 1933 ausbreitenden illegalen NS-Bewegung des „Völkischen Kampfringes Südtirol“, die Haltung zum „Anschluss“ Österreichs vom März 1938, die zumindest teilweise unterschiedlichen Zielsetzungen bei den Verhandlungen und der Durchführung von Option und Umsiedlung 1939–1943 ebenso klarer Ausdruck für ihre Begegnung als Feinde. Der Bau des Vallo Littorio Alpino war der für alle sichtbarste Ausdruck dafür.

In Südtirol  befinden sich zwei Befestigungsanlagen, die allein schon wegen der immensen finanziellen Kosten von damals beeindruckend sind: die in den 1830er Jahren während der Regierungszeit von Kaiser Franz I. errichtete Franzensfeste, die am geografischen Punkt des Zusammentreffens von Eisack-  und Pustertal ( mit den enstprechenden Straßen-  und Bahnlinien ) gelegene militärische Fortifikation nördlich von Brixen. Sie sollte für die österreichische Monarchie nach den ( negativen ) Erfahrungen aus der Zeit der „Napoleonischen Kriege“ 1796 – 1815 die Gefahr jeglicher weiterer militärischer Bedrohungen aus dem Süden (damals konkret: von Seiten des italienischen Risorgimento ) bannen.
Die Franzensfeste wurde zu militärischen Zwecken nie genutzt. Sie war und blieb Symbol einer gigantomanischen, militärischen Fehlinvestition. Lediglich 1944-45 wurden die von den Nazis aus Rom abtransportierten Goldbestände der Banca d’Italia in der Franzensfeste untergebracht.
Erst vor wenigen Jahren wurde die Franzensfeste wieder zugänglich gemacht, zum Teil neu adaptiert und für kulturelle Zwecke verwendet.
Ganz ähnlich verhält es sich mit den Bunkeranlagen des Vallo Littorio Alpino entlang der Grenze Reschen-Brenner-Innichen. Auch sie sind Ausdruck einer ( unter militärischem, politischem und finanziellem Gesichtspunkt ) gigantomanischen Fehlinvestition in der Vergangenheit. Erst seit wenigen Jahren wurden Teile davon für kulturelle, wirtschaftliche, wissenschaftliche oder touristische Zwecke restrukturiert und wieder benutzbar gemacht. Abgesehen davon, dass sie als Objekte der Geschichte unseres Landes soweit als möglich erhalten bleiben sollten ist dies wohl der einzig sinnvolle Umgang mit ihnen in der Gegenwart und Zukunft.

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