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April 30, 2012

Sepp Bierbichler: Ohrenschmaus auf Bayrisch

Verena Spechtenhauser

Sepp Bierbichler, bayrischer Film- und Theaterschauspieler, Landwirt und Schriftsteller ist ein Unikat. Das durfte man bei der Lesung aus seinem 2011 bei Suhrkamp erschienenen Roman Mittelreich wieder miterleben.

Der Saal war bis auf den letzten Platz besetzt bei dieser ersten Lesung im Rahmen der Bozner Filmtage überhaupt. Und das Publikum wurde nicht enttäuscht. Es bekam einen großartigen Sepp Bierbichler in Höchstform geboten. In seiner unnachahmlichen Art las er aus seinem 400 Seiten starken Buch über eine Seewirtsfamilie in Bayern. Kein autobiografischer Roman, wie Bierbichler auch gestern wieder betont hat, aber etwas selbst Erlebtes fließt immer mit ein.

Gekonnt gab er den verschiedenen Personen eine Stimme. Bierbichler ist ein wahrer Wortakrobat. Aus seinem Mund sind Worte wie „Flachbrunzer“, „Großkopfeter“ „gschissen“ und „wurschtln“ ein echter Ohrenschmaus. Damit und mit dem oft bitterbösen und tiefschwarzen Humor, der ihn und sein Buch auszeichnen, unterhielt er sein Publikum köstlich.

Begleitet wurde Bierbichler auch musikalisch. Andreas „Anderl“ Lechner, Musikant mit Laaser Wurzeln spielte gekonnt mit seiner Knopfziehharmonika („Quetschn“ wie die Bayern sagen) auf. Und so kam das erstaunte Publikum auch in den Genuss eines bayrischen Gstanzls aus dem Mund des Schauspielers.

Dass es Martin Kaufmann gelungen ist gerade Josef Bierbichler nach Bozen zu holen, ist ihm als großer Verdienst anzurechnen. Denn Bierbichler ist ein „sturer Grind“, der sich nichts aus dem Stargehabe macht. Das erfährt das Publikum auch aus dem Briefwechsel mit Martin Kaufmann, mit dem Bierbichler spontan zu Beginn der Lesung den Saal erheitert. Ich komme nicht gerne zu Filmfestivals, so der Schauspieler im Brief an Kaufmann, das ist für mich fast schon eine Art Fleischbeschau. Wenn ich komme, so Bierbichler weiter, dann möchte ich lesen. Möchte persönlich etwas machen und dafür sollen die Menschen auch Eintritt zahlen.

Josef Bierbichler hat gelesen und ich persönlich bin sehr froh darüber. Einen Charakterkopf wie ihn lernt man nicht alle Tage kennen. Und ich habe selten bei einer Lesung so viel gelacht.

Übrigens: Wer sich die Lesung mit Sepp Bierbichler in Bozen entgehen hat lassen, Mittelreich gibt es auch als Hörbuch, gelesen vom Autor selbst.

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