n.c.kaser #03: Die tuita-Kultur

n.c.kaser #03: Die tuita-Kultur

Sogar der Optativ hat Eingang gefunden in die kasersche Konjugationstabelle. Ist es verwunderlich, dem grammatikalischen Gerüst der Sprache der „Südtiroler“ die Ausdrucksweise für das, was gewünscht wird, beizufügen? Oder vielleicht doch folgerichtig?
Hier ein Brief von n.c.kaser

An das Südtiroler Kulturinstitut

Bruneck, 24. II. 69

Es tut mir leid Ihnen mitteilen zu müssen, dass mir Ihr Glückwunschschreiben vom 21. dieses Monats alles eher als gelegen kam. Es stellt meine Fahrt zur Jugendkulturwoche nach Innsbruck in Frage.
1. Ich kann die SVP nicht riechen
2. Kulturelle Manipulationen à la Waldthaler gehen mir auf die Nerve3. Ich kann das Südtiroler Kulturinstitut mit seiner Quasi-Monopolwirtschaft nicht leiden.
(…)
Ad 2) bisher habe ich alle Aufträge von der „brücke“ bekommen, sofern ich mich nicht aus Privatinitiative umgetan habe. Ich danke deshalb nicht Ihnen für Ihre Vorschusslorbeeren, wo Sie doch sicher auf ein Lorbeerblatt von meiner Seite warten, sondern ich danke hier ganz offiziell der „brücke“ (…).Wenn ich nach Innsbruck fahre, so fahre ich für (…) alle, die von meiner Generation noch eine freie, unentdeckte Feder führen.
So möchte ich Sie bitten, für immer meine Anschrift, Existenz und Lyrik zu vergessen und sich weitere Anbiederungsversuche aus dem Kopf zu schlagen.

Mit herzlichen Grüssen

Den Optativ (in Passivform) als Möglichkeit im Sprachapparat mitzuführen oder wenigstens mitzudenken, dies empfehle sich, würde man meinen, insbesondere wenn man Kultur schafft und so der einen oder anderen Förderung bedürfte. Übrigens, recht gefördert von offizieller Seite ist er selten worden, das „Dichtergenie“ – wie er nach seinem Tode von aller Seiten beträufelt worden ist. Ja, Freunde und Familie haben ihm unter die Arme gegriffen, so dass er sich – abgesehen von seinen Schuldiensten – dichterisch und finanziell mehr schlecht als recht über Wasser halten konnte. Das Österreichische Bundesministerium für Unterricht und Kultur, noch mal: das Österreichische, hat sich seiner erbarmt und ihm noch vor seinem Tod eine Entlohnung für seine Dichterfreudigkeit zuerkannt – in finanzieller Hinsicht. In ideeller Hinsicht (natürlich, aber nicht nur) auch das Südtiroler Kulturinstitut: Es hat seine Glückwünsche dem jungen Dichter ausgesprochen, nachdem er eingeladen wurde zur Österreichischen Jugendkulturwoche (schon wieder das Ausland, wenn auch nicht das feindliche). Was n.c.kaser davon hielt? Das haben wir in seinem Antwortschreiben lesen können.
Na gut, der kaser hat sich ja auch selbst Steine in den Weg gelegt, wird man hören. Doch darf und soll Kultur von offizieller/offiziöser Seite nur gefördert werden, wenn sie das äußert, was gewünscht wird? Kann man es verantworten, die sowieso kargen Mittel jenen zu Verfügung zu stellen, die das Nest beschmutzen? Dann doch wohl lieber dem friedlichen(?), jedenfalls unproblematischen Brauchtumsvereinen den Rachen vollstopfen.

Wie solide, wie schön, wie edel und unkritisch muß alles sein, um ein bisschen Geld oder Förderung zu kriegen aus dem Rahmtopf des Landes? Das Hausbackene, Biedere, Scheinpatriotische wird geradezu übersättigt, was wundern, wenn einer knurrend geht, (…). Eine feine Taktik der Verekelung ist es auch, wenn Feuerwehren, Musikkapellen usw. die hochgelobten Kulturseiten wegfressen und alles andere verschwiegen, unterschlagen oder erschlagen wird. 

kasers Worte – niedergeschrieben in einer seiner sonntaglich erschienenen Glosse im deutschsprachigen Teil der Tageszeitung Alto Adige (hier am 16.07.1978) – sind als Antwort auf seinen „Dolomiten“-Gegenpart, den „Randbemerkler“ (der Rampold, munkelt man) zu lesen. Es geht um die Frage nach, weshalb denn einige Südtiroler nicht mehr hier sind.

Einige sind gegangen, weil hier die Welt keineswegs heil und fotogen ist, weil die Kultur an Verzerrungen leidet und unter Kulturmachern vom Schlage eines Randbemerklers oder Showbusiness-Managern waschechter Tiroler Jodel-Folklore.

Tja, so viel zum Stand der Kultur und deren Förderung Ende der 70er Jahre.
Es ist dann doch etwas Zeit vergangen seit damals. Ist es müßig, sich oder euch die Frage zu stellen, ob sich was getan hat, ob sich was geändert hat? Welche Kultur wird heute gefördert? Auf welche Weise wird sie gefördert? Na ja, auf säuberlich linguistisch getrennte, immer noch. Aber abgesehen davon: gibt es sie noch, die „Nestbeschmutzer“? Kommen sie zu Wort, zu Bild, zu Bühne? Wenn ja, wo und wie? Sicherlich, hier kann man einwenden, ob denn nur nestbeschmutzende Produktion kulturellen Wert aufweise. Das will nicht behauptet werden, wenngleich angesichts der hierzulande üblichen, unverhältnismäßigen Förderung der traditionsverbundenen (Gemeinde)-Vereine und deren Feste, Aufmärsche etc. eine Diskussion über Sinn und, ja, Unsinn von „Kultur“ anzustoßen ist. Das nur nebenbei… Wir waren beim Nestbeschmutzer-Kulturproduzenten und dessen/deren Ausgrenzung: ein Topos? Ulrich Ladurner zufolge: ja, mittlerweile überwunden – dies manifestiere sich u. a. darin, dass sein jüngstes Buch mit einer stattlichen (sehr stattlichen) Summe öffentlicher Gelder entlohnt worden sei. Ein wenig schlagendes Argument: über die Radikalität (die literarische Qualität wollen wir hier mal außen vor lassen) seiner „Zeitreisen“ könnte, nein: kann, man streiten. Haben wir andere Beispiele?
Und heute, nach über dreißig Jahren, wirkt das Ausland noch immer als Saugnapf für kreative, intelligente Köpfe und Herzen (wir meinen nicht die selbsternannte „akademische Elite“ – autoktone studentische Horden (kann man das gendern? Ach nein, ist ja schon weiblich) finden wir in ausreichendem Maße auch auf der Bahnlinie Bozen-Brixen. Doch wie viele sehnen sich ins Ausland!? Und, falls sie da schon waren: Wie viele kommen zurück, jedoch zaudernd&zögernd!? Na ja, das Wetter ist hier halt schon immer recht schön, und die Berge ja eigentlich auch… kulturpolitische Gründe? Nie vernommen.
Ulrich Ladurner, oder besser: der casus Ulrich Ladurner verdeutlicht übrigens auch in anderer Hinsicht die Aktualität kaserscher Worte:

Liebenswürdig ist es auch, wenn man nach langer Plage, Müh und Not sich auswärts die Sporen hat verdienen müssen und man kehrt zurück, da wird dann der Heimkehrer groß wiederentdeckt, gefeiert und bestaunt, als wäre er ein eigenes Zuchtergebnis.

Kann es sein, dass man hierzulande dem eigenen Urteilsvermögen nicht traut und deshalb lieber denen von „draußen“ folgt? Verwunderlich angesichts des omnipräsenten „Südtirolzentrismus“, der sich auch (aber nicht nur) in der Kulturförderungspolitik auffinden lässt. Ach, jetzt muss der Ladurner schon wieder herhalten – er möge es verzeihen.

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