n.c.kaser #02: Bozen tuschette, Bozner tiatasette?

n.c.kaser #02: Bozen tuschette, Bozner tiatasette?

Die Hauptstadt war sicher nicht der Lieblingsort n. c. kasers aber doch war sie ihm einige Zeilen wert. Immer wieder taucht sie auf. Wir begegnen ihr unter anderem in Drei Bozner Bilder (1971), in stadtstiche (1975), oder in Bozner Nächte (1978). Einiges hat sich wohl seit damals verändert, anderes wird es wohl nie.
Das Leben der Einwohner ist nicht leicht: das Essen ist teuer, das schlafen, das Wohnen. Im Sommer quält sie die Hitze, (…)
ein sommerhaus am ritten den geplagten geldschefflern wenn der porphyrkessel in sommerlicher glut erstickt
Ich liebe Bozen nicht. – Ich habe Bozen nicht gern
Lieber norbert, ich liebe Bozen auch nicht – aber manchmal hab ich es gern. Die Sommer sind immer noch zu heiß, das Wohnen nicht nur am Ritten teuer. Das Schlafen an sich ist gratis, das war’s auch schon. Komm! Lass uns durch die Stadt spazieren und Du nimmst Deine Texte mit. Wir beginnen am Bahnhof…
Das Bahnhofsrestaurant miserabel geführt, das beim Autobahnhof ebenso.
Macht nichts. Wir wissen es mittlerweile, scheint immer so gewesen zu sein und die Liste The Best Of Bozner Unorte kann mit gutem Gewissen verlängert werden. Wobei ich finde, dass Unschönes, wenn ausreichend kultiviert, an Schönheit gewinnen kann. Auch wenn es hierbei einer gehörigen Portion Kultur bedarf. Komm weiter, vorbei an laubfroesche hinter schreibmaschinen laubfroesche bespeien urnen (= symboltraechtiger bahnhofsbrunnen). Verstehe. Du findest keinen Gefallen am neuen Landhaus. Woher hast Du eigentlich gewusst, was hier in 30 Jahren passieren wird? Vielleicht überzeugt Dich ja das nicht ganz bescheidene Theater. um den verdiplatz herum & auch drauf werden frische sarner buben verdorben. Keine Sorge, die Szene hat sich zwar um einige hundert Meter verschoben, heiliger sind die Sarner und andere deshalb doch nicht geworden. Es scheint norbert, als hättest Du heute schlechte Laune. Vielleicht bessert sie sich ja im Zentrum. Dort scheint die Zeit wenigstens nur teilweise verstrichen, zumindest tagsüber.
Von den Lauben münden Menschen mitten in die Früchte. Sie reden, schieben dich hin und her, greifen die Orangen an. Die Hausfrauen schauen auf die Preise. Kinder schreien. Ein Bauer ißt eine heiße Wurst. Heiße Würste essen wir immer noch. Am Karfreitag halten Mutter, Tochter und Vater den Stand geschlossen. Alles hat seine Ordnung. Unordentlich wird es erst in der Nacht.
Die Obststandln stehen finster wie Katafalke und dahinter paßt manchmal einer auf einen verirrten, angesäuselten Touristen, dem man alles abknöpft und der dann splitternackt den Gaunern nachjagen kann. Angesäuselt stehen die Einheimischen alle vor den Standln, die Touristen sind immer noch nicht nüchtern, erhöhen aber immer noch den Reichtum. Ertragreich scheint das Geschäft mit den Standln aber nicht mehr. So weichen sie zunehmend den lukrativeren, wenn auch nicht kreativeren, Unternehmen. So hege ich den Wunsch nach einem Wettbewerb: 12 Monate – 12 Projekte – 1 Standl. Phantasievolle Umfunktionierung von Althergebrachtem. Ein Wettbewerb zur Veränderung historischer Orte der Stadt, welcher keine Mischform von Projekten zur Folge hat und dessen Ergebnisse auch realisiert werden. Träumen ist was Schönes! Aber komm weiter zum Sernesiplatz. Ich zeig Dir was, dort wirst Du glauben zu träumen.
Schreibst Du 1977 noch Die Bozner Universität ist ja mit vereinten Kräften verhindert worden und die Kranken wegen mangelnder Doppelsprachigkeit noch kranker. Da haben sie ja doch glatt die Uni ins alte Krankenhaus gebaut! Ob Mehrsprachigkeit die Gesundheit fördert oder ist das Design einfach krank? Designern bist Du damals sicher wenigen begegnet, dafür sprichst Du von advokaten winkeladvokaten steuereintreiber verbrecher hatz superkonkurse kaufhausrolltreppen unterführungen verführungen verschuldete verkehrsbetriebe & andere auch
Die Menschen sind dieselben geblieben, einige mehr, so auch die Verschuldeten im ganzen Lande. Armut soll bekanntlich förderlich für Kreativität sein. So fördert man die Kreativität, auch wenn die Kriterien manchmal sehr einheimisch anmuten. Einheimische vergeben Gelder an Einheimische, die einheimische Themen pflegen. Gefallen muss es den Auswärtigen. Trotzdem. Laut franz ist immer was los. Und wundere ich mich nun über Deine Aussage:
Nicht ganz so arg ist es mit der Kultur bestellt, jedenfalls liest sich die Speisekarte oft recht gut… Auch die leeren Kinos bieten manchmal so etwas wie einen Film.
Ja einige sind leer und schließen. Liegt es am Programm oder an den Boznern? Keine Sorge für ein neues größeres Lichtspielhaus wird gerade gesorgt. So eines wie in großen Städten, mit Restaurants, Kneipen und wo weiter
Banken und Fernsehen, Advokaten und Fabriken, Ärzte und Druckereien, Theater und Verkehrsampeln, alles hat diese Stadt.
Ja alles haben wir hier, manchmal sogar etwas mehr, manches gar nicht. Sie ist sicher und geordnet, diese kleine Stadt. Sicher wird die Luft immer schlechter, die Verkehrskonzepte dafür kreativer. Besonders an Tagen, an denen die Grünbehüteten aus dem Süden uns ein Wochenende lang einen Besuch abstatten werden. Übrigens, die Welt endet immer noch bei Salurn.
Aber warum ins böse Ausland schweifen, wenn das Gute so nahe liegt. Es ist warm. Lass uns auf den Wiesen entspannen. Auch hier wenig Veränderung, außer: die Hundedichte hat zugenommen. der verkehr rauscht es rauscht das rauschgift die talfer mit liebendem volk auf dem rasen des bettes
Und die Kontrollbehörden fahren ihren sonnenbadenden Kollegen mit dem Dienstauto über die Beine. Eine Geschichte des letzten Sommers, die Dir sicher gefallen hätte. Zeugt nicht nur von der Diversität der Nutzer der Wiesen. Nein, nein. Bozen und die Bozner sind schon in Ordnung.
…Kinder plärren. Obst und Sprachen mischen sich. Eine glückliche Stadt. Vielleicht?

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