Music

April 16, 2012

…vom Perlentauchen, des Nachts. Big Sir in IBK + BZ

Wolfgang Nöckler

Kennt ihr das, wenn ihr eigentlich gar nicht wolltet – und dann alles anders kommt?

Nach einem anstrengenden Arbeitstag ist die Lust eigentlich verschwinden wollend, die Lust, der Einladung in die Stadt zu folgen. Es gäbe ein Konzert, heißt’s. Glücklicherweise ist Innsbruck zwar kulturell recht reich bespielt – und der geneigte Zuhörer kann sich höchstens bei der Wahl quälen, dennoch ist es kein Trost, sich zu sagen: Morgen gibt’s auch wieder was, oder übermorgen, oder… denn schließlich spielen nur heute (13.4.), zum Beispiel, BIG SIR in der P.M.K.

Und so rafft man sich auf und besteigt den Esel, reitet damit in die Stadt und erhascht noch grad ein paar Lieder des Supports. Ein italienischer Singer-Songwriter mit dem eher italo-untypischen Namen Phill Reynolds, doch einem eher italo-typischen Englisch, das ihm selber nicht ganz geheuer ist („fuck English“). Ich stehe auf Singer-Songwriter, am liebsten ganz pur. Eine Gitarre, eine Stimme: reicht. Und so beginnt der Abend vielversprechend.

BIG SIR, erzählte man mir, das ist das Projekt des Bassisten von The Mars Volta (wer sie nicht kennt: nachschauen, nachhören, vor allem!) – das ist ja mal was, zu schade, denke ich,  wenn man’s verpassen würde. Dazu eine Dame am Mikrophon. Aber was dann da auf der Bühne passiert, hätte keine Beschreibung andeuten können. Man muss es erleben.

Eine Stimme, in Kraft und Farbe jener von PJ Harvey ohne weiteres ebenbürtig, die da aus der Sängerin Lisa Papineau kommt – zumindest wenn sie singt. Denn beim Sprechen fällt auf: Sie ist derart heiser, dass sie kaum einen Halbsatz hervorkrächzen kann. Nicht jedoch während der Songs und ich frage mich, ob sich das ähnlich verhalte wie bei Stotterern. Singen hilft. Dazu Juan Alderete, der seine Mars Volta-Mitgliedschaft an keine Glocke hängt. Braucht er auch nicht. Sein die elektronischen Beats begleitendes Bassspiel spricht (oder klingt) für sich. Hot shit!

Da an diesem Abend noch mindestens zwei weitere Konzerte in der Stadt stattfinden ist die Plattform Mobiler Kulturinitiativen zwar nicht prall gefüllt, aber selbst von meinem Heimatplaneten sind einige Menschen angereist, um es nicht zu bereuen. Big Sir sind ein Erlebnis. Und während die Beine und der Rest des Körpers sich wider das Stillstehen wehren, denke ich, dass diese Band aus Los Angeles auf jeder Bühne funktionieren würde. Selbst vor tausenden Menschen. Wenige Meter vor der Bühne stehend denke ich ans Perlentauchen, wieder eine wertvolle Erinnerung heraufgeholt. Das versäumt zu haben, würde ich kaum bemerkt haben, würde mir sagen: Hab den Abend am heimischen Sofa ob des Frondienstes zuvor wahrlich verdient, was soll’s, doch wie ich mit dieser Perle in der Erinnerung auf meinem Esel nach Hause reite, weiß ich: Die Bewegung hat sich gelohnt. Langsam sollte ich’s wissen: Bewegung lohnt sich fast immer.

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