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April 12, 2012

ARTbrothers kraxentrouga – ein Portrait

Wolfgang Nöckler

Immer wieder hat es Künstlergruppen gegeben, die sich gesucht und gefunden haben. Sei es auf der menschlichen Ebene, der künstlerischen, der spirituellen… oder (am wahrscheinlichsten) auf einer Kombination aus allem. Oft gelangen große Würfe und spektakuläre Kooperationen erst in kongenialer Zusammenarbeit. Guten Gewissens kann man hier (wieder mal) die alte Weisheit zitieren: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Nun, eine Gruppe, besseer: ein Duo, dieser Art gibt es auch in Südtirol: Die ARTbrothers kraxentrouga sind Luis Seiwald und Armin Mutschlechner – die, wie sie sich selbst bezeichnen, „Dioskuren“ (die griechischen Zwillinge Castor und Pollux) der Südtiroler Kunstszene.

In gemeinsamen Auftritten entwickeln die beiden Künstler originelle Kooperationen, die Kunst als raumbezogenes Event und als sozialen Akt begreifen. Auf den ersten Blick wirken ihre Aktionen verblüffend schlicht, bei näherem Hinsehen entpuppen sie sich jedoch als subtile Environments – Arbeiten, die sich mit der Beziehung zwischen Objekt und Umgebung auseinandersetzen. 1998 haben die ARTbrothers kraxentrouga zu diesem Zweck in Sterzing die Kunst- und Stilrichtung kraxart begründet und sie haben 2011 den „Alternativen Bürgerpreis Südtirol – Die silberne Kraxe“ ins Leben gerufen.

Mittlerweile ist die Anzahl der gemeinsam durchgeführten Aktionen auf 58 angewachsen. Ein Blick ins Archiv ihrer Arbeiten lohnt sich in jedem Fall – interessante Aktionen finden sich dort zuhauf und ein Schmunzeln wird nicht ausbleiben: So boten sie etwa 2006 Original Südtiroler Markenfeinstaub ebenso an wie, kürzlich, ihren Applaus für die neu errichtete Ski- und Zug-Basisstation „Ried“. Immer wieder plombieren sie unter dem Leitsatz „alles & nichts ist kunst“ verschiedene Gegenstände und deklarieren sie damit kurzerhand als Kunst. Auch eine Mahnwache vor dem wohl meistdiskutierten Kunstwerk der letzten Jahre, dem Frosch am Kreuz von Kippenberger, durfte nicht ausbleiben.

Die letzte, erst kürzlich durchgeführte Kunstaktion war mit „Beweihräucherung fürs Vaterland“ betitelt. Sie selbst sagten dazu, es sei an der Zeit, das „Vaterland Österreich“ nicht nur ständig mit Forderungen nach Einschreiten in Rom und einem zweiten Pass zu behelligen, sondern ihm für seine Bemühungen um Südtirol endlich auch rückhaltlose Anerkennung zu zollen. Zu diesem Zweck schwangen sie vor und rund ums Wiener Parlamentsgebäude selbstgemachte Weihrauchfässer.

Dass die Aktion just am 17. März, dem Tag der italienischen Einheit, stattfand, einen Tag vor der Wahl des deutschen Bundespräsidenten und zwei Tage vor Josefi, dem abgeschafften Tiroler Landesfeiertag, war wohl weiteres Öl im Feuer, das nicht zufällig entzündet wurde.

Was man herauslesen kann: Bequeme Zeitgenossen sind die ARTbrothers bestimmt keine. Und ich denke, das wollen sie auch nicht sein. Bequeme Kunst kann schließlich eines besonders gut: langweilen.

Luis Seiwald (geboren 1969 in Bruneck) absolvierte seine Ausbildung an der Akademie der Schönen Künste in Urbino. Er ist Professor für Kunst am Pädagogischen Gymnasium in Bruneck. Er lebt mit seiner Familie in Gsies. Seit 1995 beschäftigt er sich mit der Kunstrichtung „Energy-Art“, die durch die rituelle Urnensetzung das Raum – Zeit – Kontinuum überschreitet und ein Neues entstehen lässt, ein Netz, das sich mittlerweile von der Wüste Sinai bis Moskau, von Kalifornien bis Griechenland erstreckt.

Armin Mutschlechner (geboren 1969 in Meran) ist gelernter Kunstschlosser. Seine künstlerischen Schwerpunkte sind breit gefächert und liegen in den Bereichen Fotografie, Grafik, Objekte, Konzeptkunst, Arte Povera, Land-Art, Sakrale Kunst, Kupfertreibarbeiten, Medaillenschneiden, Performance- und Aktionskunst sowie Literatur. Er lebt mit seiner Familie in Mühlbach.

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