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April 2, 2012

Pre-Vernissage mit Francesco Arena

Maximilian Lösch

Ich kam direkt von der Arbeit und machte mich auf den Weg zum Museion für das Interview mit Francesco Arena, der gerade seine Arbeit “Trittico 57″ im Project Room ausstellt.

Es war wirklich warm, an diesem späten Nachmittag im März, der Frühling zeigte seine ganze Kraft.
Die Erscheinung des apulischen Künstlers erwartete mich schon mit seinen feuerroten Haaren und dem durchdringenden Blick, der dort an einem Tisch saß und mit ein paar Leuten sprach. Ich stellte mich vor und nach einem kurzen Austausch ging’s los.
(Das Interview ist von mir nacherzählt, ursprünglich hat es in Italienisch stattgefunden.)

Wie bist du mit deiner Arbeit nach Bozen gekommen?

Ich wurde von Letizia Ragaglia eingeladen. Ich arbeite sehr gerne mit der Geschichte von Orten. Ich war einmal hier und habe mich mit der Gegend auseinandergesetzt und fand diese sprachlich, architektonisch, kulturell zweigeteilte Stadt sehr interessant.
Und da bin ich auch auf den Begriff “Entschärfung der faschistischen Denkmäler” gestoßen. Ich fand es sehr interessant, dass durch eine Ausschreibung Künstler gebeten wurden, die Arbeit von einem anderen Künstler zu überdecken, vor allem wenn man berücksichtigt, dass das Denkmal 1957 nach dem Tod des Bildhauers Hans Piffrader, für den Besuch des damaligen Staatspräsidenten Giovanni Gronchi nachträglich noch fertiggestellt wurde, und nicht wie viele andere faschistische Denkmäler in Italien gleich nach dem Krieg zerstört wurde.
Als ich mich mit dem Relief Piffraders auseinandersetzte, habe ich herausgefunden, dass die drei Travertinplatten, welche 1957 noch fehlten, ursprünglich in kaputtem Zustand nach Bozen gelangt waren, und aufgrund der Tumulte des Krieges die nachgelieferten, intakten Travetinplatten nie montiert wurden.
Und die zweite Begebenheit, die meine Aufmerksamkeit geweckt hat, war der offene Brief Calvinos, in dem er den Austritt aus der kommunistischen Partei verkündete.
Wir haben hier zwei Bewegungen im Jahre 1957: Einmal wird etwas angefügt (die drei Travertinplatten) und einmal wird etwas entfernt (Calvino aus dem PCI).
Diese Bewegungen des Hinzufügens und Entfernens gibt es auch in der Skulptur. Von einem Steinblock wird etwas entfernt, um die Form entstehen zu lassen, und wenn man mit Ton arbeitet, geschieht dasselbe indem man etwas hinzufügt.

Ich hatte irgendwo gelesen, dass du diese beiden Figuren auch gewählt hast, da sie beide etwas verleugnen, Renegaten sind.

Nein, das war es nicht, was mich interessiert hat. Ich habe nicht die beiden Menschen in Verbindung gesetzt, sondern die beiden Bewegungen, das war es, was mich interessiert hat.

Wie ist nun deine Arbeit Trittico 57 entstanden?

Die Arbeit ist bei einem Steinmetz in Aldein vor zirka zehn Tagen entstanden. Ich ließ mir drei Travertinplatten besorgen, welche die selbe Größe und ähnliche Konsistenz hatten, wie die von Piffraders Relief. Der Travertin ist ja ein sehr interessantes Gestein, da es sehr heterogen ist, weichere und härtere Schichten aufweist und man kurz unter der Oberfläche auch Löcher oder andere Strukturen wie Stalaktiten finden kann.
Und dann wollte ich die Bedeutung des Briefes von Calvino irgendwie in jene Platten bringen.
Ich interessiere mich seit einiger Zeit für den Morse-Code. Er besteht aus kurzen Momenten durch einen Punkt und längeren Momenten durch einen Strich dargestellt. So habe ich den Text Calvinos in das Morse-Alphabet übersetzt und seine Punkte und Striche haben dann den Arbeitsrhythmus vorgegeben. Und zwar habe ich mit einem Sandstrahler gearbeitet, welcher normalerweise verwendet wird, um Monumente vom Schmutz zu befreien, also irgendwo eine generierende Aktion darstellen, während ich den Sandstrahler verwendet habe, um die Oberfläche zu korrodieren, also zu zerstören.
(Wir waren aufgestanden, um die Steinplatten aus der Nähe zu betrachten.)
Ein Punkt war ein kurzer Moment, bei dem ich den Sandstrahler eingesetzt habe und ein Strich war ein längerer Moment. Der Morsebrief war also Rhythmus und Bewegung meiner Arbeit.
In einem gewissen Sinne war das eine Lesung für den Stein, nicht für den Zuschauer, du kann sie nicht wirklich wahrnehmen, das Endprodukt trägt die ganze Geschichte in sich, den ganzen Prozess der Arbeit, die Nachforschungen und Überlegungen. Die Geschichte kollabiert im Werk und ist für Außenstehende nicht mehr wahrnehmbar.
Diese Arbeit war auch eine beschleunigte und verstärkte Erosion, ich verwende gerne Maschinen und drehe ihre Verwendung um.

Du arbeitest also gerne mit Gegensätzen?

Ja, das könnte man schon sagen.

Eine persönliche Frage: Dein Name, Francesco Arena, arena aus dem lateinischen bedeutet ja Sand, Erde. Hast du jemals diese Symbolik mit deinen Arbeiten in Verbindung gebracht?

(Er lächelt.) Darüber habe ich noch nie nachgedacht, aber bei dieser Arbeit trifft sich das sicher gut. Als ich mit der Lesung des Briefes Calvinos fertig war, lagen auf dem Boden der Halle 1,5 Tonnen Sand, und ich habe scherzhaft zum Steinmetz gemeint, jetzt brauche er nur noch einen Schirm und einen Liegestuhl aufzustellen und hätte dann einen Privatstrand.

Eine letzte Frage, bevor ich gehe: Welchen Eindruck hat dir Bozen hinterlassen?

Ich hatte eigentlich ein kalte, wenig lebendige Stadt erwartet. Aber ich muss sagen, Bozen hat mich überrascht, es ist viel los, viele junge Leute unterwegs, vielleicht auch wegen der Uni, viele Initiativen und offen. Und man merkt auch, dass sich die Stadt an Nordeuropa orientiert, in meinem Dorf können Kinder nicht einfach mit dem Fahrrad auf der Straße fahren wie hier, das wäre viel zu gefährlich.

(Kurz darauf hat dann die wahre Vernissage begonnen, ich war aber schon weg.)

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