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January 13, 2012

PASS – Werkbank Lana und U-MAN überschreiten gemeinsam Grenzen

Haimo Perkmann

Das Kunstprojekt PASS entstand im Frühling 2011, in Zusammenarbeit zwischen der Galerie Werkbank Lana und dem KünstlerInnenkollektiv U-MAN aus Isera in der Provinz Trient. Grundidee und Ziel des Projektes war es, in beiden Grenzgebieten zu einem künstlerischen Austausch der Grenzgebiete zwischen Trentino und Südtirol anzuregen und auf diese Weise auch eine öffentliche Auseinandersetzung mit dem Territorium, mit seinen Perspektiven und Gegebenheiten zu fördern. Dabei lenkten die Initiatoren des Projektes ihr Augenmerk auf zwei spezifische Grenzgebiete der Region. Für PASS #1 untersuchten Sara Giordani und Emanuele Benedetti aus Isera bei Rovereto den Deutschnonsberg. Für PASS #2 erforschte das Burggräfler Künstlerkollektiv meraner gruppe das im Ersten Weltkrieg heiß umkämpfte Gebiet am Monte Stivo beim Gardasee.

PASS #1: Die KünstlerInnen Sara Giordani und Emanuele Benedetti aus Rovereto haben am 27. und 28. Mai 2011 im Zuge von LanaLive an einer Kulturwanderung mit Markus Breitenberger teilgenommen. Die Wanderung führte vom Hofmahdjoch nach Proveis und Laurein. Für die beiden war die Wanderung nicht nur eine Recherche, sondern auch eine Grenzerfahrung und vor allem auch Ausgangspunkt für ihre künstlerische Produktion. So hatten die beiden KünstlerInnen aus der Marzemino-Region auf dieser Wanderung Gelegenheit, das Leben an der Grenze zwischen Südtirol und Trentino kennen zu lernen. Sie tauchten in die Kultur der beiden Südtiroler Grenzorte ein, lernten ihre Menschen kennen, diskutierten mit ihnen. Vom 07. bis 16. Oktober präsentierten sie dann die Ergebnisse ihrer künstlerischen Forschung unter dem Titel PASS #1 in der Galerie Werkbank in Lana. Im Mittelpunkt der Ausstellung stand ein Video, das die Wanderung am Deutschnonsberg dokumentierte und symbolisch interpretierte. Emanuele Benedetti setzte während des Gehens verschiedene Gesten, um die Grenze zu hinterfragen bzw. ad absurdum zu führen.

So zeichnete er z. B. über Stunden, immer dem Weg folgend, mit einem Stock eine Linie in den Sand und zog somit eine eigene, private Grenze. Mit dieser Geste hinterfragte er bildmächtig die Legitimation von Grenzziehungen. Wer bestimmt eigentlich, wann und wo ein Staat, ein Land, eine Gemeinschaft, ein Privatbesitzer Grenzen setzen oder verschieben darf? Es ist – heute wie damals – die Macht des Stärkeren, die Gewalt, die Kraft. Mit seiner symbolischen Grenzziehung kontrastierte der Künstler die Akzeptanz des Bestehenden, indem er die Grenze entlang des Weges für sich privat neu festlegte. Der dabei benutze Stock stellte ein zentrales Moment in der Ausstellung PASS #1 dar. Die zweite Werkgruppe von Giordani und Benedetti bestand aus einem Polstersessel und einem kleinen Tisch. Die zwei Möbelstücke waren mit einem Bild der Wanderkarte vom Deutschnonsberg überzogen, auf welchem die Provinzgrenze vervielfacht war und somit zu einem irritierenden Bild mit vielen roten Linien wurde. Die Installation ergab eine Art Wohnzimmer der Grenzen, angerichtet auf einem grünen Kunstrasen. Kuratiert und eingeführt wurde die Ausstellung vom Journalisten und Kosmopoliten Antonio Cossu. Darüber hinaus zeigte Emanuele Benedetti zum „Tag der zeitgenössischen Kunst“ in der Galerie Werkbank Lana die Performance „surluogo vettoriale“. Dazu stellte er in der Fußgängerzone von Lana einen Tisch und zwei Stühle über eine am Boden angebrachte weiße Grenzmarkierung. Der Künstler saß hier – zwischen den Grenzen und zwischen den Stühlen – und bot sich drei Stunden lang den Passanten als Gesprächspartner zum Thema Grenze an.

Rahmenprogramm
Begleitet wurde die Ausstellung von einem umfangreichen Rahmenprogramm. Markus Breitenberger schilderte das Konzept der von ihm durchgeführten „Kulturwanderungen“. Stephan Illmer berichtet über seine Forschung an der Universität Innsbruck zur „Landesstraße 88 – oben drüber oder unten durch?“. Er erörterte anhand der Geschichte rund um den Bau der Landesstraße samt Tunnel, der sich als schwierig herausstellte und zu einem Jahrzehnte langen Zankapfel wurde, welche Rolle diese Straße für die beiden Deutschnonsberger Gemeinden spielte, und welche Rolle Proveis und Laurein für die Landespolitik spielten. Illmers Vortrag changierte gekonnt zwischen einer Beschreibung der Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung nach einer besseren Anbindung und einer Darlegung der Funktion dieser Gemeinden als Spielball höherer Interessen. Während die Wünsche der Deutschnonsberger als Bedürfnisse handfester, praktischer Natur geschildert wurden, waren die Streitigkeiten auf Landes-, Regional- und Staatsebene vor allem symbolisch aufgeladen. In einzelnen Momenten entfaltete der Streit um die „Enklaven“ somit Parallelen zu den bis heute schwelenden Konflikten in unserem Land um die Definitionsmacht der Symbole. Dabei geht es immer auch darum zu bestimmen, wie Geschichte geschrieben wird. Mit Hinblick auf die Grenze im Norden war auch das Projekt „Grenzregionen“ aus Innsbruck zu Gast bei PASS #1. Das Innsbrucker Musikprojekt , das sich mit Grenzerfahrungen in der Musik befasst, steuerte neben einer Live-Performance auch einen wesentlichen Beitrag für das PASS #2-Filmprojekt der meraner gruppe bei und gab im Souterrain der Werkbank Lana Einblicke in sein musikalisches Schaffen. Zum Abschluss der Ausstellung wurde der Film „Rund um den Laugen“ von Karl Prossliner gezeigt.

PASS #2: Für den zweiten Teil des Projektes erwanderten die KünstlerInnen der meraner gruppe – Sabine Auer, Franziska Egger, Hannes Egger, Peter Tribus und Sara Schwienbacher – unter dem Titel „PASS #2: Auf der Fährte der kleinen gemischten Gruppen“ das Gebiet um den Monte Stivo nahe dem Gardasee. Der Ort wurde nicht zufällig gewählt, denn der Monte Stivo war im Ersten Weltkrieg Schauplatz heftiger Gefechte zwischen den Landstreitkräften Österreich-Ungarns und dem Königlichen Heer Italiens. Viele Südtiroler und Trentiner standen auf der einen Seite, ihnen gegenüber viele vormalige Landsleute. Die Front verlief politisch-geografisch, aber auch ideologisch quer durch Tirol. Noch heute sieht man am Monte Stivo Schützengräben und Stollen. Der erste Weltkrieg veränderte die Geschichte Europas und ist bis heute auch in den Köpfen der Bevölkerung Südtirols und des Trentino präsent, dagegen wurde der alpine Stellungskrieg in beiden Provinzen bis heute weder feindselig noch rührselig thematisiert, sondern eher innerhalb der eigenen Gemeinschaft zelebriert, Kaiserjäger und Alpini feiern sich. Für Italien aber ist und bleibt Südtirol ein unbeschriebenes Blatt, die fremde Provinz. Das Erwandern des Monte Stivo zeitigte hierbei erstaunliche Ergebnisse und Mitbringsel, interessante Bekanntschaften wurden gemacht, Unverständnis und Neugier gaben sich die Hand. Die Ergebnisse der Reise wurden filmisch und installativ performativ in Rovereto und Isera ausgestellt, kuratiert von der jungen Mailänder Galeristin Aria Spinelli und begleitet von Gesprächen mit Künstlern und Zeitzeugen aus Südtirol und Trentino über den politischen Aufbruch der autonomen Provinzen zwischen 1968 und 1983. Mit dem zweiteiligen PASS-Projekt hat die meraner gruppe in Zusammenarbeit mit dem Kollektiv U-MAN eine neue Form der künstlerischen Land-Art-Erforschung des eigenen Territoriums ins Leben gerufen.

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