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December 15, 2011

Die Menschenbildersammlerin

Franz

 

Heute Abend um halb neun zeigt der Filmclub zusammen mit den Bücherwürmern Lana in Bozen den mehrfach ausgezeichneten Film Die Sammler und die Sammlerin, der mit feinem Blick und prosaischem Witz auf die Ränder und Reste einer Müllgesellschaft schaut.

Les glaneurs et la glaneuse wurden jene Frauen genannt, die aufsammelten, was von der Ernte auf den Feldern übrig geblieben war: Ähren, Kartoffeln oder Maiskolben.

Eine solche glaneuse ist auch Agnès Varda: Sie sammelt Bilder. In ihrem sehr persönlich gehaltenen Dokumentarfilm fängt die Filmemacherin Agnès Varda mit einer kleinen Digitalkamera Eindrücke von Menschen ein, die am Rand der Wohlstandsgesellschaft von dem leben, was andere wegwerfen oder liegen lassen: Feldfrüchte, die von den auf Effizienz getrimmten Maschinen übersehen werden, Kartoffeln, die tonnenweise weggeschmissen werden, weil sie zu groß oder zu klein geraten sind und der Euronorm nicht entsprechen, Obst und Gemüse, das auf dem Wochenmarkt nicht verkauft werden konnte, Lebensmittel aus dem Supermarkt mit gerade abgelaufenem Verfallsdatum, reparierbare Kühlschränke, übrig gebliebene Flohmarktsachen und vieles mehr.
Häufig sind es sozial Schwache, die auf diese Weise ihr Überleben sichern, manchmal Lebenskünstler oder Künstlerinnen, die gelernt haben, Dinge nicht nur nach ihrem vorgesehenen Zweck zu beurteilen. Bisweilen sind es auch Menschen, die freiwillig auf manche Annehmlichkeiten verzichten und sich bewusst gegen die Absurditäten und Ungerechtigkeiten einer Wegwerfgesellschaft im Überfluss wenden.

“Filmemachen ist auch eine Art des Sammelns,” sagt Agnes Varda über ihren Film. „Ich wollte auch meine Liebe zur Malerei ausdrücken. Ich musste all diese Stücke so zusammensetzen, dass der Film einen Sinn machte ohne das soziale Thema zu vernachlässigen, das ich mir selbst gestellt hatte: Weggeworfenes und Müll. – Wer kann ihn gebrauchen und wie? Kann man von dem leben, was andere wegwerfen?”
Und Varda weiter: “Filme haben ihren Ursprung immer in Gefühlen. Diesmal war es jenes Gefühl, so viele Menschen zu sehen, die Marktplätze absuchen oder die Abfallcontainer der Supermärkte nach brauchbaren Resten durchwühlen. Sie zu sehen, löste in mir den Wunsch aus, sie zu filmen. Besonders das, was man nur mit ihrem Einverständnis filmen kann. Ich musste zuerst in der ländlichen Welt beim Sammeln und Pflücken recherchieren und dann in der städtischen auf den Müllbergen. Es gelang mir, mich den Menschen anzunähern, sie aus ihrer Anonymität hervorzuholen. Ich entdeckte ihre Großzügigkeit. Es gibt viele Mittel, mit seiner Armut umzugehen – mit gesundem Menschenverstand, Zorn oder Humor.“

Vardas Film wurde zunächst wenig beachtet. Als der Film dann von Canal+ ausgestrahlt wurde und am nächsten Tag ins Kino kam, löste er ein für einen Dokumentarfilm überraschendes Echo aus: enthusiastische Medien, Warteschlangen vor den Kinos, 43.000 Zuschauer in nur neun Wochen.

Die Sammler und die Sammlerin/Les glaneurs et la glaneuse
Agnès Varda (F 2000, 35mm, 82 min.)
15. Dezember 2011, h 20.30
Filmclub Bozen
Einführung: Alma Vallazza

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