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November 29, 2011

Wem gehört die Kunst und was kann sie?

Kunigunde Weissenegger

Sie ist Publizistin, Kuratorin und Lehrbeauftragte an der Uni Bozen und seit Februar 2010 Präsidentin des Museion in Bozen. Marion Piffer Damiani im Interview über Kunst und dessen Beitrag zu Gesellschaft und Wirtschaft. Am Mittwoch, 30. November um 20.45 Uhr ist Marion Piffer Damiani neben Fabio Cavallucci (Direktor des Zentrums für Zeitgenössische Kunst Zamek Ujazdowski in Warschau, Polen), Enrica Pagella (Direktorin des Stadtmuseums für Antike Kunst im Palazzo Madama und im Borgo Medioevale, Turin) und Chiara Parisi (Direktorin des Kulturprogramms von La Monnaie, Paris) zu Gast in der letzten Kunstklasse bei Paola Tognon (Dozentin für Soziologie der Kultur, Historikerin und Kunstkritikerin) im Kulturzentrum Trevi in Bozen.

Soll Kunst für jeden greifbar sein oder sollen nur Privilegierte dazu Zugang finden können?

Marion Piffer Damiani: Eine wesentliche Aufgabe des Kunstmuseums ist es, möglichst vielen Menschen Kunst und Kultur nahe zu bringen. Die Teilhabe an Kultur schafft Genugtuung, trägt zu sozialem Wohlbefinden bei und fördert die Kommunikation der Menschen untereinander. Eine solche Auffassung steht auch hinter einer Kultureinrichtung wie dem Museion.

Mit seinen vielfältigen Programmen in Didaktik und Vermittlung erweitert es kontinuierlich die Teilhabe eines differenzierten Publikums. Das Museion betreibt mit dem Cubo Garutti zudem eine Art Filiale außerhalb des Stadtzentrums, kein Schaufenster sondern ein partizipatives Projekt mit der und für die Bevölkerung der peripheren Wohngegend. Ein Projekt, das mittlerweile im zehnten Jahr seit seiner Eröffnung zu einem Markenzeichen der Gegend geworden ist und zur Identität des Stadtviertels gehört. Kunst und Kultur kann identitätsstiftend wirken, wenn sich die Menschen mit den kulturellen Einrichtungen vor Ort identifizieren und an Kultur teilhaben. Die Teilhabe an Kunst und Kultur fördert das Engagement, sensibilisiert den Blick und stärkt die Persönlichkeit. An diesem Prozess sollten nicht nur wenige auserwählte sondern möglichst viele Menschen teilhaben.

Was kann ein Museum tun, um das Interesse der Bevölkerung an Kunst zu steigern?

Neben den besucherorientierten Vermittlungsangeboten, Didaktikprogrammen und Marketinginitiativen, hängen die spezifischen Maßnahmen mit der Identität der jeweiligen Einrichtung zusammen. Das Museion wird in dieser Hinsicht im kommenden Jahr ein interessantes neues Format im Erdgeschoß einführen: eine frei zugängliche Zone, gestaltet vom bekannten, in London lebenden Südtiroler Designer Martino Gamper. Eine Art Begegnungsfeld zwischen dem öffentlichen Raum, dem Museion Café und den Kunsträumen in den oberen Geschoßen. Eine Piazza zum Schauen, sich Treffen und Diskutieren, mit Kunst, aber ohne Aufsicht, um mögliche Hemmschwellen und Vorurteile abzubauen und möglichst viele Menschen an die zeitgenössische Kunst heranzuführen.

Was können Kultureinrichtungen zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung eines Landes beitragen? Inwiefern macht dies das Museion?

Wie viele internationale Studien mittlerweile belegen, gelten Kultureinrichtungen allgemein und Kunstmuseen insbesondere als wichtige Faktoren und Indikatoren der Entwicklung einer Gesellschaft. Museen prägen das Image einer Stadt beziehungsweise Region, symbolisieren Aufgeschlossenheit und Innovation, sind ein touristisches Magnet und ein wichtiger Standortfaktor für die allgemeine Attraktivität einer Region, sei es gesellschaftlich, wirtschaftlich, bildungspolitisch.

Das alles trifft auch auf das Museion zu. Mit seinen anspruchsvollen Programmen und seiner unverwechselbaren Architektur symbolisiert das Museion heute die Modernität des Landes Südtirol. Damit trägt es wie andere Kultureinrichtungen zur Unverwechselbarkeit des Ortes bzw. des Landes bei.

Was den Beitrag zur gesellschaftlichen und damit zusammenhängend auch zur wirtschaftlichen Entwicklung betrifft, so tragen Kultureinrichtungen maßgeblich zur Aufgeschlossenheit der Bevölkerung bei, weil sie Eingefahrenes und Gewohntes in Frage stellen. Mit seinen Ausstellungen und Begleitprogrammen sensibilisiert das Museion die Wahrnehmung und schärft die Sinne für die visuelle und soziale Beschaffenheit unserer Umwelt. Kultureinrichtungen sind diskursive Orte des Austausches von Ideen und Auffassungen. Die Begegnung mit Kunst fördert die Kreativität und das kreative Denken, was wiederum die Basis für jede Innovation darstellt. Im Umfeld von engagierten Kunst- und Kultureinrichtungen entsteht ein kreatives Milieu, das die Voraussetzung für die heute so oft zitierte Kreativwirtschaft darstellt. Kulturelle Einrichtungen sind ein Standortfaktor für eine Universitätsstadt und sie binden letztendlich auch kluge Köpfe an das Territorium.

Wie können Museen Aushängeschilder einer Region sein?

Letztendlich durch ihre Glaubwürdigkeit, die auf der Qualität der Programme und kulturellen Tätigkeit beruht. Allerdings: Nur wenn wir auch selbst stolz auf unsere Museen sind, können wir sie entsprechend glaubwürdig nach außen bewerben.

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