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November 26, 2011

Der Glurnser Mäuseprozess

Franz

Glurns, die kleinste Stadt Südtirols, wurde 1136 erstmals urkundlich erwähnt und erhielt 1291 das Markt- und 1304 das Stadtrecht. Im Jahr 1519 war das Anwesen des herzoglichen Amtmannes Schauplatz für einen spektakulären Mäuseprozess. Glurns ist von einer vollständig erhaltenen Ringmauer umgeben und lädt mit seinen malerischen Winkeln, Gassen und Lauben zu einem Stadtspaziergang oder zur Einkehr nach der Wanderung ein.

Unsere Wanderung beginnt auf dem Glurnser Stadtplatz (908 m). Wir gehen durch das große Stadttor zur Etsch und von da aus zur Kirche St. Pankraz. Rechts von ihr steigen wir hinauf zur Landstraße und nehmen den Weg Nr. 25 („Lichtenberger Höfe“), der immer ansteigend in Richtung Waldrand führt. Während des Aufstiegs lohnt sich immer wieder ein Blick zurück auf die schöne Landschaft des Vinschgaus. Oben führt die Straße nach links und als Schotterweg in den Wald. Wir wandern immer ansteigend – dabei die Abzweigung (Weg Nr. 24) ignorierend – bis zum Platzgangl, wo sich ein Parkplatz befindet. Hier haben wir den größten Teil des Höhenunterschieds dieser Tour bewältigt. Nun geht es mit leichtem Auf und Ab durch eine anfangs heideartige Landschaft mit Blick ins Etschtal, durch Waldstücke und Weiden zum Porzleithof. Hier halten wir uns an der Weggabelung links bis zu einer Asphaltstraße, dann wandern wir nach rechts weiter. Wer abkürzen will, geht hier nach links hinab ins Tal, ansonsten folgen wir der Straße bis zum Großhof. Von hier aus steigen wir wie angezeigt nach links steil abwärts zur Ruine Lichtenberg ab. Nach der Besichtigung gehen wir einige Meter zurück zu dem Kruzifix und nehmen dort den Weg Nr. 9 nach rechts in Richtung Glurns. An einem Querweg biegen wir nach rechts ab und kommen nach Lichtenberg. Wir gehen im Dorf bis zum Brunnen, wo wir nach links in die Mittelgasse abbiegen. Uns immer geradeaus haltend wandern wir nun auf dem Radweg aus dem Ort hinaus und durch die Wiesen und Felder zurück nach Glurns. Der Überlieferung nach sollen auch die in Glurns verurteilten Mäuse diesen Weg genommen haben. Unterwegs kommen wir an verschiedenen Kreuzen, einem gemauerten Bildstock und an der Kirche St. Jakob mit ihren einmaligen romanischen Fresken (geöffnet freitags 16–17 Uhr) vorbei, danach begleiten moderne Kreuzwegstationen unseren Weg.

Der Glurnser Mäuseprozess

Diese sagenhafte Geschichte hat sich allem Anschein nach tatsächlich so zugetragen, davon zeugen überlieferte Aufzeichnungen und Gerichtsprotokolle. 1519 kam es in Glurns zu einem spektakulären Prozess gegen die Mäuse, die großen Schaden auf den Feldern angerichtet hatten. Wie es sich vor Gericht gehört, wurden die Mäuse von einem Anwalt verteidigt. Die bauernschlaue und auch für das Gericht einleuchtende Anklage der Gemeinde Stilfs führte an, dass es wegen des Schadens, den die Nager angerichtet hatten, unmöglich geworden war, den Zehnten an Kirche und Obrigkeit zu zahlen. Die Verteidigung argumentierte, dass es Sache der Feldpolizei sei, den Feld- und Gartenfrevel zu steuern, „durch gute Aufsicht und weniger Weintrinken im Wirthshause“; was die Minderung der Nahrung betreffe, so sei diese Klage begründet, „allein wenn man den Mäusen alles Korn missgönnen wollte, so könnten diese auch gegen die Menschen klagen“, denn sie wären doch auch Gottes Geschöpfe und bräuchten Nahrung. Weitere Anklagepunkte betrafen die „wilde Ehe“ und die Wühlerei. Der Anwalt wandte ein, dass „die Mäuse nur Beispielen folgen würden, die näher zu bezeichnen er Bedenken trage.“ Nach der Anhörung von Zeugen und der Überprüfung von Tatsachen wurde das Urteil gefällt: Die Mäuse wurden zum Verlassen der Stilfser Felder verurteilt. Man sicherte ihnen allerdings freies Geleit bis in die Gegend von Spondinig zu. Angeblich soll ihnen sogar eine Brücke über die Etsch gebaut worden sein. Nicht bekannt ist, ob sich die Mäuse auch an dieses Urteil gehalten haben.

Infos in Kürze

Einfache Rundwanderung, etwa 1¾ Stunden Anstieg bis zur Ruine Lichtenberg, Abstieg etwa 2 Stunden, ca. 380 Höhenmeter. Bequeme Wege, für Kinder problemlos zu bewältigen. Infos Tourismusbüro Glurns, Tel. 0473 831097, www.ferienregion-obervinschgau.it

Diesen und weitere Wandertipps mit Sagen zum Erzählen findet ihr in eurer Lieblingsbuchhandlung:
Dieter Buck
Sagen erleben in Südtirol
40 Familienwanderungen zu magischen Plätzen
Kurt Lanthaler erzählt sechs Sagen neu
Folio Verlag (Bozen/Wien)
ISBN 978-3-85256-455-5

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