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August 2, 2011
3. Neither.Nor.Disaster.
Aldo Ricci
Döner. Ein interkulturelles Stück. In drei Überschriften. TEIL 3/3
Szene 1.
Mann 1 rennt herein.
MANN 1.
hektisch,
Ischr schun do?
MANN.
Wer?
MANN 1.
Na dr Glamour Politiker.
MANN.
Nein. Den hab ich nicht gesehen.
MANN 1.
bremst ab.
Ah, ok.
Die Beiden schweigen sich an. Keiner weiß recht was sagen.
MANN 1.
Frior…frior worsch woll a net a so.
MANN.
Ach komm, lass gut sein. Das bringt es jetzt auch nicht mehr. Ich glaube es ist ganz klar, dass wir auf unterschiedlichen Fronten stehen.
Sie schweigen. Mann 2 rennt herein.
MANN 2.
Ischer schun do?
MANN und MANN 1.
Wer?
MANN 2.
Na dr Glamour Politiker.
MANN.
Nein.
MANN 1.
In hem hobmr no net gsegen.
MANN 2.
Ah, ok.
Sie schweigen.
MANN.
Was habt ihr denn alle? Was soll denn hier passieren?
MANN 2.
Er sogs ins.
MANN.
Was?
MANN 2.
Die Lösung.
MANN 1.
Er sog ins, wia olls wieder guat wert.
MANN 2.
So wia frior, wenn dr Andr no wor.
MANN.
Aha.
Mann 3 rennt herein.
MANN 3.
Und, isch er schun do?
MANN und MANN 1 und MANN 2.
Na er isch no net do!!!
MANN 3.
I hon jo lei gfrog.
Alle vier schweigen, weichen ihren Blicken gegenseitig aus.
MANN 3.
zu Mann.
Jo Mensch, frior worsch woll a net so. Odr?
MANN 1.
Jetz loss nen holt.
Musik.
MANN 3.
Er kimp!
MANN.
Oje.
Der Glamour Politiker tritt auf, Hand in Hand mit der Referentin. Das Kind geht ihm voraus.
MANN 1.
Wos ischn jetz los?
MANN 3.
Wos tuaschen du mit der do?
MANN.
I glab i wer a Wagele.
Die Referentin geht auf den Mann zu. Währenddessen wendet sich der Glamour Politiker dem Publikum zu und verteilt Flyer der Lei Südtirol Partei.
REFERENTIN.
Bitte, lass mich es doch erklären.
MANN.
Was erklären?
REFERENTIN.
Ich habe mich verliebt.
MANN.
Aha!
REFERENTIN.
Jetzt sei doch nicht so. Gefühle sind halt manchmal so überwältigend. Da ist frau machtlos. Bitte versuch doch mindestens mich zu verstehen.
MANN.
Ich verstehe hier rein gar nichts mehr. Kommt da so ein Clown ins Dorf und nach zwei Tagen tragen die da Papierhüte und Frau Politically Correctness wechselt die Seiten wegen seichter Gefühle. Meine Frau ist sauer. Ich glaube der Einzige der hier noch normal ist bist du, Hossein.
DÖNER MANN.
Si si.
lacht.
REFERENTIN.
Du hast ja Recht. Wir befinden uns halt in Zeiten des Umbruchs.
MANN.
Zeiten des Umbruchs. Was Besseres fällt dir nicht ein, oder?
GLAMOUR PLITIKER.
Jetzt komm doch Schatz. Lass einfach gut sein. Was passiert ist, ist eben passiert. Niemand muss sich für seine Gefühle schlechtmachen lassen. Gefühle sind menschlich und alles was menschlich ist, ist doch gut. Nicht? Wir sind ja Menschen, also ist das normal.
REFERENTIN.
Ja Schatz.
Wendet sich schmerzhaft vom Mann ab, dieser legt sich auf den Boden.
MANN.
Ich kann nicht mehr. Das ist jetzt zu viel.
GLAM POLITIKER.
Also: bitte alles aufgepasst, liebe Bürger, aber auch Sie meine Damen und Herren –
Gibt es hier denn eigentlich kein Podest oder so, und ein Mikrophon?
MANN 3.
Wollwoll, glei.
Die Mandr holen ein Podest und ein Mikrophon.
GLAMOUR POLITIKER.
Danke Mandr.
Also, nochmal: alles aufgepasst. Die Stunde der Wahrheit ist da.
MANN 2.
Jetz sogg ers.
GLAMOUR POLITIKER.
Genau, jetzt sogg ers. Also. Wie Sie mittlerweile alle wissen, bin ich ein Mensch der Reflektion, aber vor allem auch ein Mensch der Selbstreflektion, des Tiefgangs und der Spiritualität. Ich habe lange nachgedacht, vergraben in Gedanken und Zweifeln, Stunden des Kampfes mit mir selbst habe ich ausgefochten. Hinabgetaucht bis auf den Grund dieses Problems, das sich weitet wie der Ozean. Nicht 50 %, nicht 90 %, nicht einmal 100 %, nein, alles habe ich gegeben, dass Sie, meine lieben Mitbürger, aber auch Sie, meine Damen und Herren, ein vertretbares Leben, ohne Sorge und Angst leben können. Ein Leben in Verbundenheit zur Heimat, verwurzelt in der eigenen Geschichte und Tradition. Dafür stehe nicht nur ich, sondern die ganze Lei Südtirol Partei.
Dank kürzlich geschehener Ereignisse, (blickt zur Referentin) und dafür bin ich sehr dankbar, habe ich auch eine milde Seite in mir entdeckt, eine Seite, die nicht nur die Politik liebt, sondern auch den Menschen, die Menschen, alle Menschen.
Liebe ist nun ein Teil von mir, dank dir mein Schatz.
Ich bin also nun stolz und sehr erfreut, die humanste und gleichzeitig konsequenteste heimatpolitische Lösung des Problems bekannt zu geben.
Es knallt, nieselt Konfetti und ein Banner fällt von oben herab, auf dem in Großbuchstaben DIE OPTION 2.0 zu lesen ist.
GLAM POLITIKER.
Die Option 2.0! Die Option, die Option, die Option 2.0! Sie haben die Wahl, jeder hat die Wahl, alle haben die Wahl. Die Entscheidung. Sie können Ihr Leben selbst in die Hand nehmen, die Weichen für Ihr eigenes Leben stellen. Alle die möchten, dürfen hier sein, hier bleiben, dürfen Teil unserer Kultur werden, dürfen unsere Sitten und Bräuche annehmen, dürfen unsere Sprache erlernen, dürfen sich echte Südtiroler nennen und es auch sein.
MANN 3.
Und die anderen?
GLAM POLITIKER.
Die andern werden losgelassen, auf eine Reise geleitet, dürfen ein Abenteuer erleben, einen Aufbruch. Die Chance zur Veränderung. Ein neues Leben. All das zu dem Sie bis jetzt nicht den Mut hatten, jetzt ist der Moment für Erneuerung. Neue Länder kennen zu lernen, andere Kulturen und Welten.
Mann wälzt sich am Boden, hält sich die Hände vors Gesicht.
MANN.
Ich bin weg. Ich hau ab, ihr habt sie doch nicht mehr alle.
GLAMOUR POLITIKER.
Bravo! Meine Damen und Herren, wir haben den ersten Optanten gefunden, den Herrn hier am Boden. Lassen Sie bitte noch ihren Namen bei der Dame hier aufschreiben, es wird dann innerhalb von einer Woche jemand zur Schätzung ihres Hab und Guts vorbeikommen, wobei im Rahmen der OPTION 2.0 Tiere nicht mehr miteinberechnet werden, irgend einen Haken gibt es ja immer.
Ein alter Mann steigt vom Publikum auf die Bühne. Die Schauspieler wissen nicht wie ihnen geschieht. Sie schauen verwundert hin und her, auch hinter die Bühne. Der Glamour Politiker versucht noch die Lage irgendwie zu retten.
GLAMOUR POLITIKER.
Oh! Ich sehe, wir haben einen Gast. Grüß Gott, mein Herr.
Der Mann aus dem Publikum will das Mikrophon haben.
GLAMOUR POLITIKER.
Oh, ich sehe Sie wollen sich auch zu Wort melden.
Der Regisseur und einige Assistenten rennen von hinter der Bühne hervor, bleiben im Hintergrund stehen. Der Regisseur sollte im Stück der echte sein.
MANN 2.
Nein!
Der Glamour Politiker gibt dem Mann aus dem Publikum das Mikrophon. Mann springt auf. Alle Schauspieler, bis auf den Glamour Politiker fallen aus ihren Rollen.
GLAMOUR POLITIKER.
Bitte mein Herr, wir sind in einem freien Land. Jeder hat nicht nur das Recht auf Entscheidung, sondern auch, seine Meinung frei zu äußern.
REGISSEUR.
Nein!
Der Glamour Politiker schaut zum Regisseur zurück und zeigt ihm den Daumen nach oben. Dieser Bedeckt sich die Augen.
MANN AUS DEM PUBLIKUM.
Das hier, ist eine Schweinerei. Das ist eine Schweinerei. Ich halt das nicht mehr aus. Mir wird schlecht wenn ich sehe, wie die Heimat so durch den Dreck gezogen wird. Das ist eine Schweinerei. Das kann ich nicht ertragen.
Der Regisseur rennt vor zum Mann aus dem Publikum.
REGISSEUR.
Ich bitte Sie mein Herr -
MANN AUS DEM PUBLIKUM.
Was sind denn Sie hier überhaupt? Sie sehen ja aus wie ein Transvestit.
GLAMOUR POLITIKER.
Nein, ich bin Politiker.
MANN AUS DEM PUBLIKUM.
Nein Sie sind eine Schande!
GLAMOUR POLITIKER.
Vorsicht gnädiger Herr, ich werde schon bald das Ruder dieses Landes in meinen Händen halten.
MANN AUS DEM PUBLIKUM.
Nein, das werden Sie nicht.
GLAMOUR POLITIKER.
Unterschätzen Sie nicht die Macht der Lei Südtirol Partei.
MANN AUS DEM PUBLIKUM.
Ihre Partei ist doch ein Witz und Sie sind so unseriös wie ein (überlegt) Stein.
GLAMOUR POLITIKER.
Ich geb‘s auf. Da ist echt nichts mehr zu retten. (zornig) Das ist auch meine Rolle, ich bin eine leicht weiblich angehauchte, charismatische, populistische Figur. Eine Kunstfigur. Das ist eine Anspielung auf den übertriebenen Feminismus dieser Dame hier. Wenn Sie vielleicht während der Vorstellung etwas lockerer gewesen wären, hätten Sie die nicht allzu schwer begreifbare Ironie in dem Stück erkannt. Aber nun brauchen wir ja nicht mehr weiter zu spielen, da Sie sich ja als so freundlich erwiesen haben, das Geheimnis zu lüften.
Also meine Damen und Herren, ich bin kein schwuler Politiker, sondern Matthias Laube aus München, 32 Jahre alt, Schauspieler. Gerade eben für Sie zum ersten Mal aus seiner Rolle gefallen.
REGISSEUR.
Ich bitte Sie, mein Herr, sich wieder auf ihren Platz zu begeben.
MANN AUS DEM PUBLIKUM.
Ich denke nicht daran. Sie sind ja Schuld an der Sauerei hier.
REGISSEUR.
Ich?
MANN AUS DEM PUBLIKUM.
Ich will dass das aufhört hier, das sind keine Themen über die man sich lustig macht. Die Option war kein Spaß. Sie haben ja nicht alles verloren. Mussten ja nicht Heim und Hof verlassen. Sie waren da ja noch ein Ei in Schale, als optiert wurde. Ich war zwar noch ein Kind, aber das vergisst man nicht, wie ich mit meinen Eltern ankam in diesen Optantenlagern, diesen grausigen Baracken.
MANN 2.
Mensch das ist doch echt das letzte hier, so kann man doch nicht arbeiten.
REGISSEUR.
Bitte beruhige dich, Sven.
MANN 2.
Wissen Sie eigentlich, wie lange ich gebraucht habe, mir diesen grässlichen Dialekt anzueignen, wie viele Stunden ich in den dunkelten Kneipen der entlegensten Dörfer verbracht habe, um mich in diese Rolle zu zwängen? Ja, wissen Sie das?
MANN AUS DEM PUBLIKUM.
Das ist doch alles Schmarn, Sie haben sich ja extra dumm gestellt.
MANN 2.
Ich mich dumm gestellt? Ach Sie wissen ja gar nicht von was Sie reden. Wissen ja gar nicht was alles gelabert wird in diesen Wirtshäusern, da hab ich schon Sachen gehört, die ich nicht mal im Theater in den Mund nehmen würde.
REGISSEUR.
Mein Herr, wenn Sie mich vielleicht auch mal alle hier zu Wort kommen lassen würden. Ich bin schließlich der Kopf der ganzen Sache.
MANN AUS DEM PUBLIKUM.
Dann übernehmen Sie gefälligst auch die Verantwortung für das Ganze.
REGISSEUR.
Mein Herr, ich bin mir dessen sehr bewusst, dass unser Stück hier womöglich für den einen oder anderen etwas anstößig klingen mag.
MANN AUS DEM PUBLIKUM.
Sie wissen ja nicht, wie wir gekämpft haben um Südtirol, wie wir Blut geschwitzt haben, dass wir nicht untergegangen sind in den Wellen der Italianisierung. Da will ich Sie mal sehen, wenn über Ihr Land in irgendwelchen Sitzungen von Großmächten entschieden wird, die es einen Dreck interessierte, was wir eigentlich wollten. Da will ich Sie mal sehen, wenn ihr Land zum Spielball der Nationen wird. Für jedes einzelne Autonomiestatut haben wir bis zum letzten gekämpft.
DÖNER MANN.
Es geht doch hier nicht um den Weltkrieg, Mann. Es geht um das gegenwärtige Problem, dass ihr hier habt, nämlich dass sich Ausländer in Südtirol nie zu Hause fühlen werden.
MANN AUS DEM PUBLIKUM.
Das ist doch hier kein Grund so einen Zirkus zu betreiben. Das ist doch nicht normal.
REGISSEUR.
Ich bitte Sie, mein Herr, und auch euch, lasst die Sache jetzt nicht aus dem Ruder geraten.
MANN 2.
Aus dem Ruder geraten? Die ganze Vorführung ist hin.
REGISSEUR.
Guten Mann, Sie dürfen zwei Sachen bitte nicht vergessen. Erstens müssen sie klar unterscheiden zwischen Fiktion und Realität. In unserem Falle, haben wir uns dafür entschlossen, die Fiktion bewusst etwas ins Übertriebene und Bizarre zu ziehen. Das jedoch nicht, um irgendjemanden zu verletzen, sondern um das Problem der Integration, vor allem in die deutsche Seite der Kultur in Südtirol besser veranschaulichen können. Es ist doch ein Faktum, genauso wie alle genannten Zahlen, dass Menschen mit migrantischem Hintergrund nicht den geringsten Zugang zu den unter Anführungszeichen richtigen Südtirolern haben
REFERENTIN.
Jetzt komm doch, wir müssen doch nicht wirklich hier auf der Bühne unsere Arbeit besprechen. Das muss echt nicht sein.
MANN.
Soll man sich doch in den Medien die Mäuler zerreißen und alle möglichen Interpretationen suchen.
DÖNER MANN.
Das ist doch nicht unsere Aufgabe. Wir sind Künstler, keine Politiker.
REGISSEUR.
Nein, kommt mir jetzt nicht so. Das hier ist genau der Dialog, den wir mit dem Stück herbeiführen wollten. Es ist sogar gut, wenn die Leute jetzt schon Reaktionen zeigen. Mir ist lieber ich kann hier selbst ein Gespräch führen, als dass es dann ein Missverständnis nach dem andern gibt. Man kann den Leuten nicht einen Frosch ans Kreuz nageln und dann erwarten, dass jeder das „Kunstwerk“ als das aufnimmt, was es eigentlich sein sollte, ohne sich verletzt zu fühlen oder beleidigt zu sein.
GLAMOUR POLITIKER.
Ja Mensch, dann ruf mich halt an, oder komm nachher auf die Bühne, schreib mir einen Brief, aber doch nicht mitten im Stück. Ich meine, wenn jeder einfach auf die Bühne kommt, wenn ihm etwas nicht passt, dann geht ja keine Aufführung zu Ende.
REGISSEUR.
Na du hast ja Recht, aber nun ist es halt nun einmal passiert.
MANN AUS DEM PUBLIKUM.
Wissen Sie, die Kunst darf sich auch nicht alles erlauben, nur weil sie glaubt, etwas Besseres zu sein und sich an nichts halten zu müssen.
MANN 2.
Jetzt bitte keine Kunstdiskussion. Weil das fehlt gerade noch hier.
REGISSEUR.
Ja Sven.
MANN 2.
Sind ha hier nicht bei einer Talkshow.
MANN 1.
Maischberger. Heute zu Gast: Wahllos aus dem Publikum.
lacht.
MANN AUS DEM PUBLIKUM.
Werden Sie nicht frech junger Mann.
REGISSEUR.
So mein Herr, ich glaube Ihre Klage hat Gehör gefunden und sie wird dank ihres Auftritts hier, so denke ich, doch einige Zeit Gesprächsthema bleiben. Ich glaube, wir haben heute Abend eine Frage aufgeworfen und eine Diskussion entfacht, also hat sich der Abend sicher gelohnt. Was halten Sie davon, mein Herr, wenn wir zum Abschluss zusammen noch ein Lied singen.
MANN AUS DEM PUBLIKUM.
Welches.
REGISSEUR.
Sie können es sich aussuchen.
DÖNER MANN.
Nein!
REGISSEUR.
Ja natürlich!
MANN AUS DEM PUBLIKUM.
Dann wünsche ich Wohl ist die Welt so groß und Weit von Karl Felderer.
Der Regisseur fängt an zu singen. Dann setzt dem Mann aus dem Publikum mit ein und nach und nach alle Schauspieler. Danach geht der Mann wieder auf seinen Platz.
REGISSEUR.
So meine Damen und Herren, ich verabschiede mich und bitte noch einmal um Verzeihung für den etwas außer Kontrolle geratenen Abend. Ich hoffe Sie kommen gut nach Hause, machen Sie’s gut.
Alle verlassen die Bühne.
RIDEAU.
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