Culture + Arts > Performing Arts

July 30, 2011

Auf die Straße mit euch.

Simon Cazzanelli

Der öffentliche Raum gehört allen. Die belebte Straßenecke da drüben, die abgefuckte Haltestelle gleich daneben, der Hauptplatz mit seinen idyllischen Gastgärten, die geteerten Straßen und gepflasterten Wege. Alles gehört uns und ist unser Spielplatz. Und alle sind eingeladen mit zu machen. Ausnahmslos alle.

Kunst gehört nicht ins Museum, in eine Zirkusmanege oder ins Theater. So lange es dicke Mauern gibt, die uns Kultur entstellen, bleiben wir auf der Suche. Wir graben Tunnel oder versuchen mit der Räuberleiter drüber zu klettern, marianengraben-tief und everest-hoch. So lange Kultur von Intendanten, Kuratoren und Regisseuren diktiert wird bleibt sie verschlüsselt oder weggesperrt, sing-sing-sicher und burgfried-beschirmt. Straßenkünstler geben die Möglichkeit unsere Stadt und unser Umfeld spürbar zu machen, es zu begreifen. Sie interagieren mit dem Ort und machen ihn zum Mitspieler, zum hinterlistigen Komplizen oder zur aufmerksamen Assistentin. Straßenkunst relativiert Bühne und Publikum, denn die Grenzen verschwimmen und alles wird Teil eines großen Melting Pot an Kreativität.

Straßenkunst braucht aber Publikum, denn jeder Künstler lebt für seine Zaungäste und Schaulustige. Für die ungläubigen Blicke, die flüsternden Worte, das laute Gelächter, die Fotos mit dem iPhone, das Kleingeld im Gitarrenkoffer. Diese fünfzehn Minuten Aufmerksamkeit und ungestörter Voyeurismus, zwischen Altbau-Palazzi und Klimahäusern, Stadtpark und Supermarkt-Parkplatz. Der Zuschauer lässt die graue Stadtkulisse hinter sich und lässt sich eine vollkommen neue Kulisse basteln, mit eigenen Gesetzmäßigkeiten und Charakterzügen. Straßenkünstler verzaubern unser Stadtbild. Sie geben dem hektischen Weg zur Arbeit einen Hauch Slapstick und Situationskomik, sie verwandeln die mühsame Busfahrt zur Schule in ein Musical, den Gang zum Firmen-Meeting in einen Stelzenlauf mit akrobatischen Einlagen und die Joggingtour in einen Pantomimen-Lauf.

Wir sind die trostlose Routine Leid. Wir haben keinen Bock auf Einförmigkeit. Die Monotonie Tag aus, Tag ein nervt. Jede Abwechslung ist willkommen, eine noch so kleine Zerstreuung rettet uns über die Stunden. Mit offenen Armen umklammern wir das Bisschen Kunst im öffentlichen Raum, mit offenen Augen nehmen wir die Nuance an Kunst im Stadtbild auf. Der Alltag kann einige Minuten auf uns warten. Die Termine im Kalender werden ungewollt flexibel, die Milch im Stoffsackerl notwendigerweise sauer und die Straßenbahn ruht ein paar Minuten länger in der Remise. Auf die Straße mit euch. Ausnahmslos alle.

Vom 29. Juli bis zum 6. August findet in Graz das internationale Festival für Straßen- und Figurentheater ‘La Strada’ statt. Die Stadt gehört den Menschen, die Stadt gehört den Künstlern.

www.lastrada.at

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