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June 30, 2011

Global Warning: Warnung an die Menschheit

Christoph Tauber

Die Welt wird wärmer, die Gletscher schmelzen und so geben die eisigen Sarkophage des Ersten Weltkrieges in Südtirol und dem Trentino Jahr für Jahr neue Reliquien frei. Darunter befinden sich nicht nur scharfe Munition, Feuerwaffen, sondern auch die im Eis gefangenen Körper gefallener Soldaten an der Südfront des ersten Weltkrieges. Der Dokumentarfilm des Tiroler Regisseurs und Filmemachers Ernst Gossner spürt die Verbindungen zwischen der globalen Erwärmung und der industriell kommerziellen Orientierung des Krieges auf. Global Warning ist eine persönliche Reise zu den Ursprüngen des Krieges geworden. Ein Interview mit dem Regisseur Ernst Gossner über seinen Film Global Warning, seine Erfahrungen mit dem Krieg und die Tiroler Heimat.

Du hast es im Film zwar angesprochen, aber die Frage bleibt interessant: Wie bist du zu diesem Thema des Filmes gekommen?
Ich habe zur Zeit von 9/11 in Amerika gelebt, als Afghanistan und der Irak angegriffen wurden. Dadurch dass ich in einem Land lebte, das sich im Kriegszustand befand, ist mir bewusst geworden, dass Menschen gewisse Grundrechte abgesprochen wurden. Manche sagen, das war damals wie in Deutschland, bevor die Nazis zugeschlagen haben. Als einfach gewisse Grundrechte außer Kraft gesetzt worden sind. Und ich fragte mich: Wie kann das passieren? Da habe ich mich aufgemacht, eine Geschichte über Krieg zu machen. Seitdem habe ich nie aufgehört, mich mit diesem Grundproblem, mit dieser Grundthematik auseinanderzusetzen.

Der Film ist eine persönliche Reise zum Krieg. Wieso hast du diese Form jetzt gewählt?
Die Form habe nicht ich gewählt. Die Form hat mein Mitautor, Robert Narholz, vorgeschlagen. Ich habe mich eigentlich die längste Zeit dagegen gewehrt, nicht weil ich mich im Film nicht sehen wollte, sondern weil ich es etwas distanzierter erzählen wollte. Er hat mich aber letztendlich überzeugt, dass es eine gute Klammer ist, um den Film zu erzählen.

Mit diesen persönlichen Einschüben und Kommentaren ist mir der Film teilweise wie ein Michael-Moore-Film vorgekommen. War das beabsichtigt?
Ich kenne natürlich die Filme von Michael Moore. Aber letztendlich glaube ich, ist der Film ein Sammelsurium von allem Möglichen. Es ist eine historische Dokumentation, es ist eine eigene Reise, ein Genre der Ich-Erzählung natürlich auch, es hat etwas von vielen Plätzen. Es ist Human Issue, genauso wie der Krieg einfach ein fetzenmäßiges Problem ist, mit dem wir irgendwann einmal umgehen müssen. Es sind also Versatzstücke aus den verschiedensten Doku-Stilen. Er ist nicht bewusst gewählt worden, nach dem Motto „jetzt machen wir einen auf Michael Moore“, sondern es ist ein Element, das wir kennengelernt haben und gedacht haben, da könnte es passen.

Der Krieg ist normalerweise für uns ziemlich weit weg. War es Absicht, den Krieg durch das Persönliche ein bisschen näher zu holen?
Schon, ja. Mir ist es ja genauso ergangen – dass der Krieg ganz weit weg ist. Ich habe jetzt nicht die Absicht als Kriegsberichterstatter anzufangen und in den Krieg einzutauchen. Ich will es eigentlich wissen, aber nicht wissen. Ich will’s begreifen, aber ich will’s nicht sehen. Sobald du es siehst, sobald du mittendrin bist, überschreitest du eine Grenze. Ich suche eigentlich die Auseinandersetzung: Was ist Auswirkung dessen? Mich interessiert: Warum passiert das? Was ist unsere Anlage, dass wir das machen? Was sind die Grundprinzipien, die uns immer wieder begegnen? Wenn man die sieht und aufzeigt, kann man etwas verändern.

Was war das eigentlich für ein Gefühl an diesen Frontstellungen zu stehen, auf 3000 Meter?
Das Gefühl war natürlich sehr bizarr. Du stehst in einer wunderschönen Landschaft und neben dir liegen Knochen von Menschen, deren Leiber vorher zerrissen wurden und du siehst die Überreste, die hervorkommen. Die Nichtigkeit ist mir da bewusst geworden. Ein Bild für die Nichtigkeit, für die Lächerlichkeit des Krieges. – Wenn man die Tatsache bedenkt, dass in diesem speziellen Frontabschnitt mehr Leute durch die Natur umgekommen sind, als durch Feindeinwirkung, obwohl sie dort wirklich auf militärisch industrielle Weise aufeinander losgingen. Dort ist richtig fett aufgefahren worden und trotzdem hat die Natur mehr Opfer gefordert. Im Schnellvorlauf heißt das: Die Natur hat einfach gesagt: „Ihr könnt’s eure Kämpfe austragen, aber der Chef bin immer noch ich!“ Und dann hat es einen Tuscher getan und dann ist einfach mehr als die Hälft umgefallen. Ich glaube das ist etwas, das wir auch einmal begreifen müssen, als Spezies begreifen müssen: Uns müssen die Prioritäten klar werden; nämlich nicht uns gegenseitig auf den Schädel zu hauen, sondern zu schauen, dass wir als Spezies vernünftig überleben.

Du hast die Nichtigkeiten angesprochen. Du hast lange Zeit in den USA gelebt. Wie geht es dir, wenn du jetzt hier in Tirol bist?
Ich bin jetzt viel in Tirol und es taugt mir total. Ich bin auch viel in Südtirol, ich bereite jetzt einen Spielfilm vor. Natürlich komme ich jetzt mit einem anderen Blick hierher und tauche komplett in die Geschichte ein, von dem Landl. Es ist auch interessant, dass das gerade jetzt passiert: Wahrscheinlich ist es eine Findung: Jetzt will ich einmal wissen, wo ich herkomme. Ich sehe mich als Weltbürger und ich glaube, dass das jeder ist. Ich habe das einfach beschlossen, dass ich es bin. Ob ich jetzt in Wien bin, ob ich jetzt in den USA bin, ich versuche eigentlich, überall daheim zu sein.

Das neue Projekt ist praktisch ein Spielfilm zum Ersten Weltkrieg. Kannst du da vielleicht etwas Näheres dazu sagen?
Der Film heißt Monte Piano und es geht um eine Familiengeschichte, eine Tiroler Familiengeschichte, ein Epos, das vor dem Hintergrund des Ersten Weltkriegs spielt. Es ist ein bisserl ein Western. Wir sind jetzt gerade in der Finanzierung und wir werden, wenn alles klappt, den Film nächstes Jahr drehen, und dann frühestens übernächstes Jahr, Februar 2013, wird er in die Kinos kommen.

Du hast Kurzfilme, Spielfilme, Dokumentarfilme gemacht. Du hast Theater gespielt. Was tust du eigentlich am liebsten?
Im Prinzip ist es schon die Abwechslung, aber es kristallisiert sich schon heraus, dass mein Fokus auf dem Film liegt. Ich freue mich auf den nächsten Spielfilm und ich freue mich auch auf den nächsten Dokumentarfilm. Das war der erste Versuch eines Dokumentarfilms und das taugt mir. Interessant für mich ist die unterschiedliche Arbeitsweise: Da folgst du einfach instinktiv der Geschichte, weil sich das einfach irgendwie ergibt über die Zeit. Das ist lässiges Arbeiten, weil es unmittelbar ist. Beim Spielfilm schreibst du ein Skript und du hältst dich daran. Du musst besser vorbereitet sein. Du musst beim Drehen eines Dokumentarfilms zwar auch gut vorbereitet sein, aber anders. Das ist eine Arbeitsweise, die mir total gut gefällt.

Gibt es noch zusätzliches Filmmaterial außer jenem im Film?
Es gibt eine DVD – zu bestellen über www.globalwarning-derfilm.com. Da ist noch anderes Material drauf, das sozusagen zu speziell gewesen wäre, 20 Minuten. Wir haben dort Wendl Pircher, einen Automechaniker aus Marling, der seit 25 Jahren in den Südtiroler Bergen unterwegs ist, sich diese Kriegsschauplätze anschaut und sie dokumentiert. Er ist viel unterwegs und hat uns zu diesen Plätzen geführt. Da ist für die Leute auch ein bisschen mehr zu sehen: Nicht jeder mag fünf Stunden marschieren, um sich diese Kriegsschauplätze anzusehen.

Den Film gibt es nun zeitgleich auf DVD und im Internet. Wie ist das angekommen?
Wir haben es im Geschäft und genauso auf DVD herausgebracht. Man kann es bestellen, man kann es herunterladen. Wir sind zufrieden, der Verkauf läuft für uns hervorragend. Die DVD läuft super. Wir haben noch mehrere Stationen. Wir haben es ja aus freien Stücken produziert, wir sind natürlich auch unterstützt worden, aber wir haben es in Eigenregie gemacht und für uns ist es natürlich auch wichtig, dass er funktioniert.

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