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June 25, 2011

Strano, straniero in South Tyrol

Kunigunde Weissenegger

Angst war einer der Begriffe, die beim Eurac Science Café vor wenigen Tagen fielen. Das Thema des Abends allein konnte schon beängstigen, wenn man/frau so wollte: “Migranten, Südtiroler oder Altoatesini?” Wer sind sie? Was wollen sie?

Seit dem vergangenen 22. Februar werden in Bozen italienische Sprachtests für Migrantinnen und Migranten abgehalten. Das neue Abkommen zur Integration sieht darüber hinaus eine verpflichtende Ausbildung in Sachen Staatsbürgertum und anderen Fächern vor. Es wird nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner für alte und neue Staatsbürgerinnen und -bürger der italienischen Republik gesucht… In Südtirol ist das etwas komplizierter. Neben den Richtwerten, die man den Neuankömmlingen vermitteln will, gilt es erst einmal zu verstehen, wohin die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit unterwegs ist. An wem orientieren sich die Migrantinnen und Migranten? Welches sind die gemeinsamen Werte? Und: wer sind wir? Was wollen wir?

Der Saal (oder Turm, je nach Wetterlaune) immer voll besetzt, szenenbekannte Gesichter, interessierte Zuhörerinnen und Zuhörer, ist das Science Café in der Eurac ein wichtiger Treffpunkt im hiesigen Bildungskulturdiskussionsalltag. (Unters Publikum könnten sich allerdings auch ruhig ab und zu einmal jene mischen, die die Themen angehen sollten.) Radiomoderator Matthias Mayr führte durch eine friedliche Diskussion und ließ neben dem Direktor des ‘Festival delle Scienze di Genova’ Vittorio Bo, den Eurac-Forschern Roberta Medda und Lorenzo Zanasi, dem Uni-Bozen-Pro-Rektor Yuriy Kaniovskyi, dem Ausländer-Beiratsvorsitzenden Artan Mullaymeri (fängt die Angst nicht schon beim Wort ‘Ausländer’ an?!), dem Eurac-Präsidenten Werner Stuflesser sowie der Unternehmerin Liyan Zhang auch das Publikum zu Wort kommen. Hin und wieder glitt die Diskussion in das Poporz- und Bilinguismo-Thema ab. Aber im Großen und Ganzen ging es doch einmal nicht nur um uns ‘Einheimische’.

Auch das Wort ‘Scham‘ wurde in den Mund genommen – die Scham der Immigrantinnen und Immigranten, weil sie keine der Südtiroler Sprachen sprechen. – Oft handelt es sich um Analphabetinnen und Analphabeten, die weder schreiben noch lesen können, in keiner Sprache. Und wie erklärt sich dann dieser Mensch? Der deutschen Sprachgruppe angehörig, wenn er sie nur brüchig bis gar nicht spricht? Oder der italienischen? Wenn ich beschließe in einem Land zu leben, dann will ich die Sprache doch lernen. – Die andere Frage ist, ob ich das müssen muss? In Südtirol sind beide Sprachen, das Deutsche und das Italienische, wichtig. Je nach dem, in welchem Arbeitsumfeld und mit wem jemand arbeitet, erfolgt der sprachliche Austausch in deutscher oder italienischer Sprache oder der Muttersprache der Zuwanderinnen und Zuwanderer. Also kann es sein, dass ich als Zugereiste ‘nur’ eine der beiden Südtiroler Sprachen spreche. Und was, wenn ich als Immigrantin nach der Arbeit nach Hause gehe und dort dann wiederum ‘nur’ in meiner Muttersprache spreche(n kann)? Es ist nicht so einfach…

Und wie konfrontieren wir, von hier, uns damit? Haben wir Angst (oder ist es Respekt?), weil ‘sie’ besser sind als wir? – Wenn sie beispielsweise drei Sprachen sprechen (müssen)? Oder ist es eine Angst (oder Unsicherheit?) vor anderen Kulturen und Sprachen? – Aber wie kann man/frau vor etwas Angst haben, das nur eine Bereicherung sein kann? Ich bin auch dafür: Sprechen wir mehrere Sprachen, wie wir mehrere Instrumente spielen – wie treffenderweise eine Zuschauerin meinte.

Das nächste Café am 2. Juli geht in die Berge, genauer gesagt nach Jenesien, und Caritas-PR-Mann Arturo Zilli wird mit Physiker Marcello Petitta und Umweltjournalist Luca Carra über dicke Luft, Feinstaub und andere Unannehmlichkeiten diskutieren.

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