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June 5, 2011

Geteilte Ansichten der „Sorelle d’Italia“

Christoph Tauber

Das Stichwort „Berlusconi“ genügt, um bei den Frauen einen wahren Redefluss hervorzurufen. Jede Frau in Italien scheint eine Meinung über Berlusconi zu haben, entweder er wird über alles bewundert und vergöttert oder genau das Gegenteil ist der Fall; Verwünschungen und „Vergogna, vergogna, vergogna“-Rufe finden sich allenthalben in den aufgenommenen Statements im Dokumentarfilm „Sorelle d’Italia“ der beiden italienisch-schweizerischen Filmemacher Lorenzo Buccella und Vito Robbiani.

Arcore, Bologna, Rom, Bari, Neapel und Porto Rotondo auf Sardinien waren die Stationen einer Reise quer durch Italien, einer Reise bei der es nicht darum ging einen Dokumentarfilm über Berlusconi zu machen, sondern einen Dokumentarfilm über die italienische Gesellschaft und über die Frauen in Italien. Der Film „Sorelle d’Italia“ zeigt die Sichtweisen und Ansichten der italienischen Frauen über Berlusconi gerade als die ersten Anschuldigungen gegen Berlusconi aufkamen, als sich seine Frau Veronica Lario von Berlusconi scheiden ließ und dies öffentlich in der Zeitung La Reppublica kundtat. Der Dokumentarfilm ist weder wissenschaftlich gehalten, noch geben die Statements der Frauen statistisch gesicherte Daten über die Berlusconi-Anhängerinnen und die Berlusconi-Gegnerinnen, er gibt aber einen verblüffenden und auch erschreckenden Einblick in die italienische Gesellschaft. Berlusconi hat einfach nur Pech gehabt, sagt etwa eine Frau aus Rom und einer anderen gefällt es sogar, wie Berlusconi mit den Frauen umgeht, denn wenn man es soweit bringt wie er, dann würde das doch jeder machen. „Wenn alles wahr wäre, was die Leute sagen, dann würde es ja bedeuten, dass er ein vitaler, lebenslustiger Mann wäre“, erklärt eine andere Frau bewundernd. Doch es gibt auch andere, wie die rüstige Dame aus Bologna, die gleich losschimpft, sobald man ihr die Kamera unter die Nase hielt: „Berlusconi ist ein Pfannenverkäufer, der es geschafft hat die Hälfte der Italiener zu überzeugen!“ Eine andere Frau aus Neapel findet, dass Berlusconi kein politischer Leader ist, sondern ein Unternehmer dessen Firma „Italien“ heißt und erwartet, dass alle ihrer „Majestät“ zujubeln.

Die Meinungen über Berlusconi gehen so diametral auseinander wie Tag und Nacht und auch die beiden Filmemacher Buccella und Robbiani haben eine Meinung über Berlusconi, wichtig war  ihnen jedoch nicht diese Meinung kundzutun, sondern die ungefilterte Meinung der Frauen über Berlusconi auf Italiens Plätzen zu erfahren. Ob es Angst ist, was viele in Italien haben oder reiner Opportunismus, jedenfalls schilderte am vergangenen Freitag Lorenzo Buccella bei der Präsentation des Films beim Internationalen Filmfestival in Innsbruck, wie die Frauen nachgefragt haben, von welchem Sender sie seien. Manche meinten sogar, dass die Filmemacher von Berlusconi geschickt worden seien, um ein authentisches Bild der Meinungen über ihn von der Straße zu bekommen. Von Berlusconi wurden sie zwar nicht geschickt, ein ungeschminktes Bild der Meinungen über Berlusconi und über die italienische Gesellschaft gibt der Film trotzdem. Der Film besteht nur aus einer Aneinanderreihung von O-Tönen von italienischen Frauen und trotzdem wird der Film nicht langweilig. Bei der Präsentation in Innsbruck war jedenfalls auch (ungläubiges) Gelächter zu hören. Die Frage, die sich man beim Betrachten des Films, ständig stellen musste, war ob man lachen oder weinen sollte: Ich habe mich jedenfalls meistens fürs (ungläubige) Lachen entschieden.

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