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June 3, 2011
Afrika-Drama: “Un homme qui crie” beim IFFI
Christoph Tauber
„Ich habe mich nicht verändert, sondern die Welt hat sich verändert!“
Die Welt ändert sich schnell, auch im Tschad. Hotels werden privatisiert und von Chinesen übernommen, verliebte Köche entlassen und alternde Schwimmchampions vom Wasser an die Schranke zum Hotel verwiesen. Adam (Youssouf Djaoro) war früher ein bekannter Wettkampfschwimmer und auch heute noch wird er mit „Champion“ angesprochen. Seit 30 Jahren ist er glücklich als Bademeister in einem Luxushotel in N’Djamena, der Hauptstadt des Tschad. Doch die Welt ändert sich zu schnell. Der Druck der Privatisierung erreicht Adams bisher ruhiges und beschauliches Leben und wirft ihn aus der Bahn. Das Wasser des Schwimmbeckens war Adams Leben, und als ihn sein Sohn Abdel (Dioucounda Koma) von diesem Posten verdrängt bricht für ihn eine Welt zusammen. Hektik kehrt in das Leben von Adam ein, als er zum Parkplatzwächter des Hotels wird. Schranken auf, Schranken zu, Schranken auf, Schranken zu. Die Welt ändert sich schnell, zu schnell für den Champion Adam.
Geld oder Leben? – Fragen eines Champions
Auch der Bürgerkrieg schleicht sich langsam ins Leben des Champions. Rebellen rücken von Norden her auf die Hauptstadt vor und der District Chief stellt Adam vor die Wahl, entweder er spendet für den Kampf gegen die Aufständischen, oder sein Sohn Abdel wird gewaltsam eingezogen. Adam hat nicht genug Geld. Hat Adam nicht genug Geld? Warum das Militär Abdel an einem Morgen kommt und Abdel mit Waffengewalt abholt, während Adam schweigsam in seinem Zimmer niedersinkt, bleibt anfänglich noch offen. Doch am Ende wird klar: Adam hat Abdel an das Militär verkauft, musste Abdel an das Militär verkaufen. Die Ungewissheit um den Verbleib des Sohnes zehrt auch an den Nerven des Champions, der wieder zum pflichtbewussten Bademeister geworden ist, der selbst dann nicht flüchten will, wenn um ihn die Welt zusammenbricht.
Vor dem Hintergrund dieses Bürgerkrieges, der diskret im Hintergrund bleibt und nie direkt zu sehen ist, höchstens einmal in Fernsehbildern von Nachrichten gezeigt wird, aber ansonsten zumeist nur in Form von Durchhalteparolen der Regierung aus dem Radio vorkommt zeigt der Taschadischer Regisseur Mahamat-Saleh Harou im preisgekrönten Film „Un homme qui crie“ das Entgleisen des Alltagsleben für einen altgewordenen Schwimmchampion mitten im Westafrikanischen Kontinent. Während Adam mit der neuen Situation nur schwer umgehen kann, sich entwertet fühlt und zunehmend verstummt, geht seine Frau Marjam (Hadje Fatime N’Goua) anders mit der Situation um, pragmatischer und praktischer. Marjam nimmt ohne Umschweife die schwangere Freundin ihres in den Krieg gepressten Sohnes Abdel in ihr Heim auf und redet wo Adam in passives Schweigen verfallen ist.
Eine Geschichte am Wasser in der Wüste des Tschad
Im Wasser des Schwimmbades beginnt die Vater-Sohn-Geschichte bei einer Wette, wer wohl länger unter Wasser bleiben kann und am Wasser eines Flusses in der Tschadischen Savanne in dem ein Körper dem Wasser überlassen wird, endet der Film. Mahamat-Saleh Haroun, der für Drehbuch und Regie verantwortlich zeigt, zeichnet mit ruhigen und berührenden Bildern eine Geschichte voller innerer Hektik und Unruhe. Subtile Geräusche im Hintergrund, wie das Knattern von Adams Motorrad, ein Hupen oder der Fluglärm von Militärjets über den Köpfen von Adam und seiner Chefin am Pool, ersetzen tragische, untermalende Filmmusik. Die subtile Geräuschkulisse reicht aus um die nötige Stimmung zu erzeugen, und die Spannung bleibt bis zum Ende erhalten. Für diese Leistung gab es bereits im vergangenen Jahr den Großen Preis der Jury beim Festival in Cannes. Beim Internationalen Filmfestival Innsbruck tritt der Film im Internationalen Wettbewerb und im Wettbewerb um den Südwind-Filmpreis an.
Un homme qui crie – Ein Mann, der schreit
Regie: Mahamat-Saleh Haroun.
Mit Youssouf Djaoro, Dioucounda Koma, Hadje Fatime N’Goua.
Weitere Infos: www.iffi.at
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